Fixierung auf den Partner lösen?

Guten Tag,

seit Anfang des Jahres betreuen meine Frau und ich ein entfernt verwandtes Ehepaar (er: 69 Jahre, ungewöhnlich weit fortgeschrittene Demenz, sie: 72 Jahre, seit 30 Jahren MS).
Seit einiger Zeit bewohnen beide ein 2Zi-Appartment in einer Residenz mit angeschlossener stat. Pflege. Das Haus haben wir gewählt, weil die übrigen Bewohner bzgl. ihrer sozialen Herkunft gut passen und weil es eine spezielle Demenz-Station gibt.
Es ist seit einiger Zeit Konsens bei Pflegern und Ärzten, dass er in der Demenzstation besser aufgehoben wäre als in dem Appartment, wenn man nur die Krankheit betrachtet. Allerdings besteht eine so extreme Fixierung auf die Ehefrau, dass schon nach kurzer Abwesenheit Panik aufkommt. Daher respektieren wir den Wunsch nach der gemeinsamen Wohnung. Das Problem ist jedoch,dass die Frau in Anbetracht der Dramatik der Erkrankung und aufgrund ihrer eigenen Erkrankung total überfordert ist und mit aggressiven Schimpftiraden reagiert. Die Situation ist daher absolut unbefriedigend. Wie kann man nun erreichen, dass er seiner Krankheit entsprechend behandelt wird, die nach der Bezugsperson verlangt, ohne die Frau zu überfordern, die durch ihre Ausraster wiederum Stress erzeugt? Kann die enge Fixierung gelöst und zum Pflegepersonal augebaut werden? Es wäre dann möglich, dass sich beide jederzeit besuchen, denn die Stationen liegen nur wenige Minuten im gleichen Gebäudetrakt auseinander.
Ich bin für jeden Hinweis dankbar.

mfg
Marcus

(Beitrag nachträglich am 08., Oktober. 2009 von saxl editiert)

Kommentare

  • Hallo Marcus,

    so wie Du das beschreibst ist es für beide nicht wirklich gut. Sie ist überfordert und schimpft ihn - das hilft ihm auch nicht wirklich - ich habe die Erfahrung gemacht bei meinem Vater je ruhiger ich bin umso besser kommt er klar mit der ganzen Situation.
    Es ist echt schwierig - komisch finde ich das er trotz des fortgeschrittenen Krankheitsbild es so sehr wahrnimmt das seine Frau dann weg ist.
    Ich würde es versuchen ihn auf die Demenzstation bringen lassen und schauen was passiert - seine Frau kann dann Ruhe finden und viel besser auf ihn eingehen in der Zeit wenn sie bei ihm ist.
    Ich finde sehr schön das Ihr das macht. Viel zu oft werden Menschen in dieser Situation allein gelassen.
    Euch eine gute Zeit

    Susanne
  • Hallo Marcus, Hallo Susanne,
    ich finde es sehr schwierig ein Ehepaar was seit Jahren zusammenlebt dann auf einmal zu trennen.. kenne es leider nur allzugut.. meine Mutter (55) an Morbus Pick erkrankt.. ist auch sehr extrem auf meinen Vater fixiert.. das problem bei uns ist das er normalerweise noch arbeiten gehen müsste da erst (60) aber sobald er das haus verlässt ist meine mutter nur am heulen.. es ist sehr schwierig ihr dies verständlich zu machen..da sie kein zeitgefühl mehr hat..sobald er nur mal einkaufen geht heult sie und beschimpft ihn das er sie ständig alleine lässt obwohl er fast 24 std rund um die uhr an ihrer seite ist.. Mein Vater ist seit Wochen krankgeschrieben da er sie nicht alleine lassen möchte, doch dies ist leider keine lösung.doch fremde lässt sie nicht an sich udn in eine tagesklinik möchte sie auch nicht. ihr seht wie man es macht ist es leider falsch, doch die wirklich darunter leiden sind leider wir die Pflegenden. Klar macht man es gerne doch das eigene leben leidet sehr darunter. ich wünsch euch was.
    lg ioly
  • Hallo ioly, hallo Susanne,

    zunächst besten Dank für die Antworten.
    Ich stimme ioly zu, dass eine Trennung wahrscheinlich beide in eine tiefe Depression stürzen würde, nach 38 Ehejahren. Das mangelnde Zeitgefühl und Erinnerungsvermögen kommt hinzu. Im aktuellen Fall ist auch nicht für jeden erkennbar, dass sie unter der Rollenumkehr zusätzlich leidet. War es über 30 Jahre der gesunde Mann, der sie im Rollstuhl schob und alles organisierte, ist nun plötzlich er noch hilfloser und sie muss stark sein.
    Das Gefühl alleine, hilflos und verlassen zu sein muss auf jeden Fall vermieden werden. Eine rein operative Hilflosigkeit in dem Sinne eine Tätigkeit nicht ausführen zu können, füllt ein Pfleger sicher aus. Das allgemeine einsam sein ist durch die anderen Patienten vermieden. In der Demenzstation sind alle Zimmertüren offen und es gibt einen gut frequenztierten Wohnbereich. Da das Paar aber bislag die überwiegende Zeit unter sich verbracht hat und der Kontakt zu außenstehenden z.B. aus dem Bereich Hobby sich mit der Zeit reduzierte, ist fraglich, wie man beiden beibringt sich den Pflegern und anderen Gästen zu öffnen. Wenn das funktioniert bleibt dennoch das Gefühl den Partner an die Krankheit verloren zu haben bzw. das irrationale Gefühl des Dementen, seine Frau sei ihm weggelaufen, selbst wenn sie ihn 10 Mal am Tag besucht.
    Hat jemand Erfahrungen mit der Situation, dass der Demenzkranke nicht länger den Ehepartner als Kontakt hat, sondern in eine Pflege übergegangen ist, wo er vom Partner besucht wird?

    lg
    Marcus

    (Beitrag nachträglich am 08., Oktober. 2009 von saxl editiert)
  • Hallo,

    ja sicher ist es zusammen besser - aber wenn beide gemeinsam nur gestresst sind.
    Bei meinem Vater kam die Erkrankung an Alzheinmr erst richtig zum tragen als meine Mutter starb. Das war nicht veränderbar, machmal spricht er auch noch von seiner Frau die krank im Bett liegt oder wenn wir weg sind er müsse nach seiner Frau Zuhause schauen.
    Ja es ist schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen - ich wünsche Euch eine gute Entscheidung.

    Schönen Abend

    Susanne
  • Hallo,

    bei meiner Mutter ist aber die Zeit teils so verschoben, dass sie auch nach ihren kleinen Kindern sehen muss und immer heim will (ist natürlich die Wohnung, wo sie bis 27 J. gewohnt hat).

    Viel Kraft!
    Christine
  • Hallo Marcus,

    könnten nicht beide aus dem Appartment in die Demenz-Station umziehen? Oder wäre die Umgebung für die Frau zu ungeeignet?

    Gruß,
    Pit
  • Hallo Pit,

    für die Frau wäre es ungeeignet. Sie ist nicht dement. Sie neigt zwar zu Reaktionen, die für mich kaum nachvollziebar sind, aber sie ist nicht dement. Es ist wohl Lehrbuchmeinung, dass MS-Kranke einen schwierigen Charakter haben. Sie nimmt alle anderen als alt und krank war, obwohl die übrigen Gäste genau so mobil oder mobiler und oft auch jünger sind. Bei der Besichtigung der Demenzstation war die Reaktion sehr heftig.
    Ich glaube aber auch nicht, dass die Überforderung der Frau nachlässt, wenn sie gemeinsam mit Ihrem Mann auf die Demenzstation zieht. Ich glaube, sie benötigt auch Freiraum für ihr eigenes Leben, welches wegen ihrer Behinderung schon eingeschränkt genug ist.
    Für eine richtige Entscheidung muss man irgendwie herausfinden, was ihm mehr weh tut: ständig von seiner Frau angefahren zu werden oder sie zu vermissen. Leider kann man kaum mehr mit ihm kommunizieren.

    lg
    Marcus

    (Beitrag nachträglich am 08., Oktober. 2009 von saxl editiert)
  • Guten Morgen Zusammen,
    ich arbeite selbst als Angestellte in einem Alten- & Pflegeheim mit einer Demenzstation und sehe täglich wie der Ablauf in einer solchen Einrichtung verläuft. Wir hatten mal ein Ehepaar zusammen auf unserer Demenzstation. Die Frau war naja sagen wir mal recht fit und er sehr schwer dement. Die Frau hat darunter sehr gelitten da die Umstände generell in einem Dementenbereich anders sind. Wenn ich mit meiner Kundschaft Hausrundgänge mache sag ich ihnen gleich das das zu einem Dementenbereich dazugehört das es evtl. nicht so ordentlich da aussieht und auch nicht wirklich angenehm riecht. Die meisten Bewohner können sich frei bewegen. Alle Zimmertüren stehen meistens offen, es sei denn die Pfleger schliessen diese zu da ansonsten jedes Zimmer verwüstet werden würde. Am Ende haben wir uns dafür entschieden das das Ehepaar zusammen in eine andere "normale" Station umzieht und sie da es verlief viel viel besser. Die Frau hat ihren Mann im Rollstuhl spazierengefahren sich um ihn gekümmert bis auch leider sie dement wurde und alles nur noch verwechselt hat.Aber allein der Anblick dieser zwei gibt einen Kraft und man kann sehen das auch solche leute noch ein einigermassen glückliches leben führen können. Daher würde ich sie niemals trennen. Ich finde es schlimmer zu sehen wenn Angehörige den Ehepartner oder die Mutter, den Vater bei uns in der Dementenstation besuchen kommen. Die Leute kommen zwar zu besuch und kümmern sich liebevoll um die Angehörigen aber ein wirklichen besuch kann man das leider nicht nennen, da die meisten es sowieso nicht mehr realisieren. Es kommt natürlich auf das Krankheitsbild an. Wie gesagt meine Mutter (55) realisiert noch alles und kriegt leider mit das sie von tag zu tag abbaut und nichts mehr alleine kann.Das ist sehr schwer mit anzugucken,da man einen lebenden menschen verabschieden muss.

    lg
    ioly

    (Beitrag nachträglich am 08., Oktober. 2009 von saxl editiert)
  • Hallo Ioly,

    es ist sehr schön das Du Dir so viele Gedanken machst - ich habe mir schon etliche Pflegeheime angesehen - ich möchte meinen Vater so lange wie es geht in seinem Haus lassen - bisher geht das sehr gut - er wird die ganze Woche versorgt je einen Tag in der Woche kommen seine Schestern mit dem Essen und verbringen den ganzen Tag mit ihm, dann haben wir eine ganz nette Frau die putzt die Wohnung und betreut und bekocht ihn auch. In der Nacht schläft er durch und wir haben eine Anlage - die uns (meinem Brunder und mir wir wohnen direkt in den angrenzenden Häusern)benachrichtigt per Telefon wenn er das Haus verlassen will. Das Wochenende verbringe ich mit ihm und all meine freien Tage auch. Leider wohne ich in München und er in der Nähe von Ulm.
    Aber ich habe keine Ahnung welche Art der Alzheimer Deine Mutter hat - ich gebe meinem Vater seit kurzem ein Gingko Präparat vom Arzt verschrieben und seither ist er gesprächiger und kann sich in Dinge erinnern die vor Stunden gesprochen wurden.
    Ich bin echt erstaunt wie das wirkt und wenn ich mit ihm spreche er sagt er fühlt sich viel wohler.

    Danke für Deinen Einsatz bei erkrankten Menschen.
    Meine Bewunderung.

    Susanne
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