Demenz oder Depression

Guten Morgen, ich brauche mal euren Rat. Mein Mann ist jetzt 74 Jahre alt, wir sind seit 37 Jahren verheiratet und mehr und mehr kenne ich meinen Mann nicht mehr wieder. Wenn wir zusammen am Tisch sitzen schaue ich ihn immer öfter an und denke, wer sitzt da eigentlich neben mir. Ich bin 67 Jahre alt.


Die Veränderungen haben schon vor 5 Jahren angefangen mit zunehmender Rastlosigkeit. Das ist immer mehr geworden und die Unruhe meines Mannes macht auch mir sehr zu schaffen. Auch sein Verhalten mir gegenüber hat sich verändert. Kommunikation ist zu einer Nervenzerreißprobe für mich geworden. Wir sind beides Norddeutsche, pflegen eine eher gemäßigte Kommunikation, aber wenn jeder Satz von mir abgewehrt oder ich als Antwort einfach nur so angepampt werde, dann mag ich schon nichts mehr sagen. Ich soll jetzt keine sozialen Kontakte mehr haben, nur bei ihm sein, nicht mehr das Haus ohne ihn verlassen. Er selbst fährt mit dem Rad gerne raus und geht lange Spaziergänge.


Wir hatten über 30 Jahre eine sehr innige Beziehung und mit wenigen Worten würde ich jetzt sagen, mein Mann wird böse im Alter. Oft voller Anspannung und (noch) unterdrückter Aggressivität, dabei gebe ich ihm nun wirklich keinen Grund dafür, das würde ich mich jetzt auch garnicht mehr wagen. Meine Lebensqualität ist dadurch auch stark beeinträchtigt, so daß ich mir in letzen Jahren immer mal wieder psychologische Unterstützung geholt habe.


Mein Mann hat kognitive Einschränkungen, das logische Denken gelingt immer schlechter, Handlungsabläufe planen und ausführen, komplexere Zusammenhänge erfassen, das ist alles zu einem Problem geworden. Bei der letzten Bundestagswahl ist es mir zum ersten Mal aufgefallen, dass mein Mann vieles nicht mehr nachvollziehen kann. Unser gemeinsames Leben wird von mir organisiert, mein Mann saugt einmal die Woche Staub, beschäftigt sich im Garten und fährt noch gut Auto. Alles andere bleibt bei mir, Entscheidungen treffen, organisieren, Verantwortung übernehmen.


Zu den Eltern meines Mannes: Beide Elternteile waren dement im Alter, die Mutter hatte vaskuläre Demenz. Der Vater, nachdem was ich heute weiß, FTD, er ist mit FTD an Krebs verstorben, was für alle eine Erlösung war. Freßsucht, ungehemmtes Verhalten, das war alles ganz schlimm. Die Eltern hatten eine Bauernhof, zum Arzt wurde nicht gegangen, der Vater konnte sich nicht mehr benehmen und das war dann halt so.


Nun bin ich in Sorge, dass es bei meinem Mann auch FTD ist. Nach seiner Meinung hat er nichts, ist aber bereit mit mir zum Arzt zu gehen, wenn ich das für nötig halte. Ich habe aber auch selber Angst vor dem Ergebnis und schiebe es noch hinaus.


Könnte mein Mann an Demenz erkrankt sein? Er nimmt seit 4 Jahren Citalopram wegen des Verdachts auf eine depressive Erkrankung, eine genauere Abklärung und therapeutische Behandlung hat mein Mann aber verweigert.


Für eure Einschätzung wäre ich sehr dankbar.


LG Manou54

Kommentare

  • Liebe Manou,

    es ist schwierig, in so einem Forum eine Verdachtsdiagnose abzugeben. Die Symptome, die Sie beschreiben, könnten durchaus auf eine Demenz/FTD hinweisen. Aber eine medizinische Abklärung wäre auf jeden Fall gut. Und wenn er bereit ist mitzugehen, ist das schon mal sehr positiv.

    Die Angst vor dem Ergebnis verstehe ich gut, aber die meisten Angehörigen sagen, dass es am Ende doch hilfreich ist, die Diagnose zu kennen, um mit der Krankheit umzugehen.


    Alles Gute

    Susanna Saxl-Reisen, Foren-Admin

  • Ja da stimme ich zu. Es war für alle trotz des Schocks eine Art Befreiung. Leider kann meine Tochter ganz schlecht damit umgehen dass ihr Papa dement ist. Dadurch muss ich alles alleine stemmen. Noch kommen Freunde uns besuchen aber intellektuell ist mit meinem Mann nicht mehr viel los. Die Unterhaltungen werden immer oberflächlicher. Auch fallen ihm die Enkelkinder nach kurzer Zeit auf die Nerven. Als Angehöriger wird man zwar bemitleidet, aber richtig nachvollziehen können das alles nur Betroffene. Man bleibt iwann unweigerlich auf sich allein gestellt. Pflegegeld schön u gut- aber in unserem Landkreis gibt es wenig Pflegedienste u noch weniger Haushaltshilfen...

  • Hallo Manou,

    Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Seit deinem Eintrag ist schon einexweile vergangen- ward ihr denn inzwischen beim Arzt? Ich würde nämlich sagen so fängt es an....einige Tätigkeiten kann mein mann auch noch relativ gut, aber Zusammenhänge erkennen, Logik u mitdenken sind futsch. Aggressiv wird er zum Glück-noch- nicht.. Es fällt mir sehr schwer, man ist zu zweit u doch oft allein.

  • Guten morgen Lilykatze,

    dann kennst du das ja auch in der Form, wie es bei meinem Mann ist. Intellektuell wirds auch bei ihm oberflächlich, Besuch strengt ihn an, er möchte keinen mehr. Wir haben mittlerweile kaum noch reale soziale Kontakte. Logik und mitdenken sind auch futsch, du beschreibst es sehr gut, mir fehlen viel zu oft die richtigen Worte. Mein Kopf möchte sie auch garnicht immer finden, ich sollte anfangen mich der Realität zu stellen, aber es fällt mir so schwer.

    Zur Zeit ist mein Mann so sehr unruhig im Haus, immer wieder Treppe rauf und runter, hin- und herlaufen, wenn er spricht dann jetzt oft nur noch in Halbsätzen. Er hört einfach mitten im Satz auf zu sprechen. Ich weiß nicht so richtig wohin und wo ich Unterstützung bekommen kann. Er geht nicht zum Arzt, nach seiner Auffassung hat er nichts, ich gehe für mich um Unterstützung zu bekommen, werde aber alleine gelassen mit Fleyern von Selbsthilfegruppen und guten Ratschlägen. Das hilft mir nicht weiter.

    Einen lieben Dank für deine Antwort und alles Gute und viel Kraft wünsche ich dir.

    LG Manou

  • Hallo Manou54, vll möchtest du dich mit mir direkt austauschen, meine mailadresse ist rim1709@t-online.de würde mich freuen!

    Man kann hier anscheinend auch Nachrichten schreiben ohne es öffentlich zu posten, ich hab aber noch nicht herausgefunden, wie...;)

    LG lilykatze

  • Hallo Lilykatze, ich habe mir deine Mailadresse gespeichert und werde dir bald mal schreiben.

    Für mich ist der Austausch mit anderen angstbesetzt, mein kranker Mann unterbindet mir alle soziale Kontakte, er wird ungehalten wenn er es mitbekommt. Aber ich lerne langsam, trotzdem Kontakte aufrecht zu halten.

    LG Manou

  • Liebe Manou, das ist gut u wichtig! Finde Zeitfenster wo du mal ungestört bist- wird zwar nur kurz sein aber das brauchst du. Trau dich u schreib mir- würde mich freuen

    Ganz liebe Grüße u halte durch!

    Lilykatze

  • bearbeitet Oktober 2023

    Hallo,

    nun waren wir gestern beim Arzt und haben die Verdachtsdiagnose auf dementielles Syndrom bekommen. Ende des Monats geht mein Mann dann zur Labordiagnostik und zu einem Test wieder zum Hausarzt.

    Ich hatte gerade ein Déjà-vu. Wir saßen am Frühstückstisch und mein Mann hat Äpfel für uns geschält. Ich hab ihn angschaut für einen kurzen Moment war mir, als säße seine Mutter am Tisch. Genauso haben mein Mann und ich sie gesehen, als wir sie vor 20 Jahren besucht haben, was so alle 2 Wochen auf dem Plan stand. Spitze Nase, schmale Lippen, kleine starre Augen und völlig abgeschirmt vom Außenleben. Damals haben wir uns darüber unterhalten, was den mit der Mutter ist, sie wird mit einem Mal so komisch. Das ist so geblieben, später kamen kleine Miniinfarkte dazu und sie ist gelegentlich in der Wohnung hingefallen, aber es ist nichts weiter passiert. Das hat sich so über Jahre so hingezogen. Dann hat sich sich beim Fallen verletzt, war völlig desorientiert und ist ins Krankenhaus gekommen. Sie konnte danach nicht wieder in ihre Wohnung und ist vom Krankenhaus ins Altenheim gekommen.

    Mein Schwager hatte um den elterlichen Hof zu bekommen für Hege und Pflege unterschrieben und kümmerte sich mehr oder weniger. Wir haben die Mutter noch ein paarmal im Heim besucht, dann hat mein Mann sich geweigert sie zu sehen. Ich hab das damals nicht verstanden, aber heute verstehe ich es. Es ist schwer, wohl gerade auch für Söhne, die eigene Mutter in so einem Zustand zu sehen.

    Kennt ihr das auch, dass in solch einer Situation Freunde, Bekannte oder auch Angehörige Probleme haben, den Kontakt aufrecht zu halten?

    Nun wiederholt sich das komische Verhalten bei meinem Mann, aber ist es seltsam, mir gibt das nach der Rückerinnerung gerade eine große innere Ruhe.

  • Hallo, nun sind wir wieder ein Stück weitergekommen. Die Verdachtsdiagnose vom Hausarzt war ja auf Demenz, eine Alzheimererkrankung wurde nach dem Test Ende Oktober aber als eher unwahrscheinlich angesehen. Die Labordiagnostik wies dann auf eine Schilddrüsenerkrankung. Mein Mann war mittlerweile in der Schilddrüsensprechstunde, bei der anschließenden Untersuchung wurde eine Unterfunktion der Schilddrüse festgestellt und er wird jetzt auf Schilddrüsenhormone eingestellt.

    Die jahrelange Beschwerdesymptomatik meines Mannes ist sehr wahrscheinlich von der Schilddrüse verursacht. Zur Untersuchung auf Demenz beim Neurologen im Januar wird er aber trotzdem gehen.

    So scheint es für uns gut auszugehen und eine Demenz wird voraussichtlich nicht unseren Alltag bestimmen.

    Liebe Grüße und viel Kraft allen Betroffenen hier im Forum und auch euren Angehörigen.

    Manou

  • Liebe Manou,

    es tut mir sehr Leid für dich was du jeden Tag erleben musst und wünsche dir viel Kraft. Was du beschreibst erlebe auch mit meinem Ehemann.

    Meine Frage man dich was für eine Labordiagnostik wurde gemacht, wurde eine Liquoruntersuchung durchgeführt.

    Bei meinem Mann wurde diese erst in einer Uniklinik gemacht und dort wurden dann eindeutige Biomarker für degeregenerative Erkrankung festgestellt.

    Danach einen Termin in der Genetik, dass Ergebnis steht noch aus.

    Sogar unser behandelnder Neurologe hatte keine Ahnung.

    Mein Ratschlag dran bleiben und einen Termin in einer Uniklinik vereinbaren.

    Alles gute

  • Liebe Peterslie,

    mein Mann hat sich mit den erneuten Laborergebnissen vom Hausarzt in der Schilddrüsensprechstunde einer radiologischen Klinik vorgestellt. Die Schilddrüsenunterfunktion stand zu diesem Zeitpunkt schon fest.

    In der Klinik wurde meinem Mann radioaktives Jod gespritzt für eine Ultraschalluntersuchung. Das Ergebnis war dann eine Autoimmunerkrankung, die die Schilddrüse angreift.

    Dir auch alles gute und viel Kraft

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