Wie geht ihr mit dem ewig schlechten Gewissen um?

Liebe Forum-Mitglieder,

Wie so viele hier habe ich eine Mutter (71) mit einer mittelschweren Demenz. Mein Vater (75) pflegt sie – eigentlich liegt ihm das garnicht, aber er hat sich in dieses Schicksal sozusagen „reingekaempft“. Er kann nicht gut ueber Gefuehle reden und sich dementsprechend nur schwer in andere hineinversetzen, geschweige denn, sich das Innenleben einer Demenzerkrankten vorstellen. Das macht viele Situationen im Alltag schwierig. Dazu muss ich sagen, dass meine Mutter koerperlich relativ fit ist. Sie kann zwar nicht gut laufen, moechte aber gerne unter Leute gehen, etwas unternehmen, fuer andere da sein, gebraucht werden (sehr wichtig). Sie braucht viel Hilfe im Alltag, kann auch nicht mehr richtig kommunizieren, aber wir haben den Eindruck, dass sie geistig noch fit ist bzw. fitter als die meisten in der Tagespflege, wo sie 1 mal in der Woche hingeht. Und sich irgendwie auch nicht am richtigen Platz fuehlt.

Aber meinem Vater ist es leider nicht moeglich, sie so zu nehmen, wie sie jetzt eben nun ist und die verbleibende Zeit mit ihr zu geniessen – denn das kann man mit ihr sehr gut, kleine Dinge unternehmen und ihr Freude machen. Saetze wie „das weiss sie gleich doch sowieso nicht mehr“, „das kann sie doch alles nicht mehr“ sind normaler Umgangston meines Vaters und schmerzen uns Kinder sehr. V.a. wenn meine Mutter danebensteht. Dabei kuemmert er sich wirklich sehr, manchmal zu sehr: er hat sich den ganzen Haushalt „angeeignet“ und laesst meine Mutter absolut nichts mehr machen, weil: „das kann sie ja sowieso nicht“ oder weil es ihm zu lange dauert oder die Sachen nicht am richtigen Platz stehen etc etc. Er kann erst entspannen, wenn alles seine Ordnung hat – leider steht dann meine Mutter da und will Beschaeftigung -klar, sie hat ja auch nichts zu tun. Aber dann fehlt meinem Vater dann natuerlich die Kraft.
Es ist trotz allen guten Zuredens und vieler ruhiger Gespraeche nicht moeglich, meinen Vater davon zu ueberzeugen, dass er sie „machen lassen soll“, weil das nicht nur fuer sie gut ist, sondern auch ihm Momente der Entspannung schafft. Er sagt dann immer nur „ja, ich weiss, ich muss an mir arbeiten, ich weiss, dass ich viel falsch mache…“ und das in einer resignierten mutlosen Art, dass es zum Heulen ist. Ich habe Sorge, dass er in eine Depression faellt. Er hat stark abgenommen und oft nur ganz wenig Antriebskraft, aus dem Haus zu gehen.

Bitte versteht mich nicht falsch: Ich weiss oder sagen wir mal ich habe eine Vorstellung davon, dass es eine sehr grosse Belastung ist, 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche mit einem dementen Partner zu leben. Ich hatte meine Mutter letzten Monat 1 Woche bei mir. Es war eine wunderbare Zeit, aber eben auch sehr sehr anstrengend. Weil man immer immer immer praesent sein muss. Wie bei ganz kleinen Kindern – nur dass meine Mutter natuerlich eine Erwachsene ist, was ja die Sache noch viel schwerer macht, wie ihr alle wisst. Und weil nicht die Selbstaendigkeit das angestrebte Ziel ist, wo man drauf hinarbeitet, sondern das Gegenteil. Das ist so schrecklich, dass ich darueber garnicht weiter nachdenken mag. Aber mein Vater denkt genau darueber eigentlich nur noch nach, wie die naechsten Jahre aussehen und was auf ihn zukommt (wie sich meine Mutter dabei fuehlt und wie furchtbar es fuer sie sein muss, hat er nicht so im Blick)

Wir Kinder versuchen, meinen Vater so oft es nur irgend geht zu entlasten. Meine Schwester wohnt am gleichen Ort und holt meine Mutter so oft es geht, obwohl sie voll berufstaetig ist und selbst in einer nicht ganz einfachen Familiensituation lebt. Ich selbst lebe zur Zeit im Ausland.

Nun meine Frage: Meine Mutter geht wie gesagt 1 mal in der Woche in die Tagespflege, nicht allzu gern, obwohl es aber auch gute Tage gibt. Wir wuerden sie gerne davon ueberzeugen, einen 2. Tag zu gehen, um meinen Vater zu entlasten, der am Rande seiner Moeglichkeiten angekommen scheint.
Und das genau faellt mir/meinem Vater/meiner Schwester sehr schwer: Es ist uns allen klar, dass meine Mutter eine Demenz hat und im Moment verschlechtert ihr Zustand sich zusehends, sie kann nicht mehr gut kommunizieren und ist zunehmend verwirrt, erinnert sich nicht an Namen Orte Personen, vergisst, wo die Kueche ist und so weiter. Aber ansonsten sieht sie ueberhaupt nicht aus, als waere sie dement (ich weiss nicht, wie ich es anders ausdruecken soll). Es faellt uns sehr schwer, uns vorzustellen, dass sie schon in dem Stadium ist, wo sie „eben in die Tagespflege geht“, als ob das ganz normal waere. Es sieht fuer uns nicht normal aus und meiner Mutter ist das voellig klar. Auch fuer sie ist es nicht normal, dorthin zu gehen und sie will auch nicht, auf garkeinen Fall einen 2. Tag. Wir fuehlen uns ganz schlecht damit, dass wir sie ueberzeugen wollen von etwas, von dem wir eigentlich selbst nicht so ganz ueberzeugt sind und meine Mutter schon garnicht. Aber irgendetwas muss passieren, weil mein Vater sonst demnaechst zusammenklappt.
Koennt ihr mir vielleicht sagen, wie ihr mit diesen Situationen umgeht, mit diesem schlechten Gewissen?

Viele Gruesse von Billie

Kommentare

  • Liebe Billie,
    ich kann das alles gut nachvollziehen. Auch ich werde von meinen Kindern gedrängt, meinen Mann wenigstens einmal in die Tagespflege zu geben. Ich bin gerade dabei, mir verschiedene Einrichtungen anzusehen. Schon dabei habe ich ein schlechtes Gewissen, denn ich spüre, dass es ihm zu Hause sehr viel besser geht. Andrerseits bin ich auch oft am Ende meiner Kräfte. Es ist die Quadratur des Kreises!!!
    Aber ich werde es wohl mal probieren.

    Es ist sehr schwierig, wenn der Pflegende - euer Vater - sich nicht mit den Erscheinungen dieser Krankheit auseinandersetzt. ich bin auch immer am Lernen, aber in meinem eigenen Interesse versuche ich, meinen Mann in seiner Welt zu verstehen und v.a. zu akzepieren und zu lieben.

    uschiborg
  • Liebe Uschi,

    vielen Dank fuer Deine Zeilen! Ich glaube, meinem Vater ist es einfach nicht moeglich, sich intellektuell mit dem Thema auseinanderzusetzen, er hat seine Grenzen. Das klingt schlimm, aber ich meine das garnicht negativ oder so, er kann ja nichts dafuer und macht es nicht mit Absicht.

    Aber bzgl der Tagespflege kann ich Dir nur dringend raten, es wenigstens 1 Tag zu versuchen: Obwohl wir (wie beschrieben) alle ein schlechtes Gewissen haben, ist uns klar, dass es sein muss. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Vater depressiv werden wuerde, das waere furchtbar - alles wuerde wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

    Ich hatte eben eine schwierige Situation mit meiner Mutter: Ich lebe in einem anderen Land, aber wir telefonieren taeglich. Normalerweise ist mein Vater in der Naehe und wenn irgendetwas nicht klappt, dann hilft er ihr (meine Mutter kommt mit technischen Dingen wie TV, Telefon, etc nicht mehr klar). Aber an einem Morgen in der Woche hat sie "frei", d.h. mein Vater ist unterwegs und sie ist alleine zuhause. Das hat sie sich so gewuenscht, es ist ihr sehr wichtig. Meine Mutter war frueher eine unheimlich selbstaendige, unabhaengige Frau, die alles alleine in die Hand genommen und geregelt hat. Das Gefuehl moechte sie wenigstens einmal in der Woche retten.
    Bisher ging das auch gut, mein Vater hat ihr das Fruehstueck vorbereitet und ihr beim Anziehen geholfen und dann ist er losgezogen. Ich telefoniere an solchen Morgenden dann immer laenger mit ihr und wir sprechen ueber Dinge, die sie im Beisein meines Vaters nicht so gut ansprechen kann, Aengste, Aergernisse etc. Aber wir sprechen auch ueber schoene Sachen, immer oefter ueber frueher, weil es sie (meistens) gluecklich macht, wir lachen auch viel: das versuche ich immer - sie wenigstens 1 mal pro Gespraech zum Lachen zu bringen. Das geht :)
    Seit einigen Wochen aber wird das Miteinander Sprechen immer schwieriger, weil meine Mutter sich immer weniger mit Worten ausdruecken kann. Und wenn nun Pannen passieren (mit dem Telefon bspw), dann geraet meine Mutter in Panik, sie weiss sich nicht zu helfen und kann auch nicht ausddruecken, wo gerade das Problem liegt. Ziemlich schlimm, weil ich dann so weit weg bin. Wir haben es eben gemeinsam irgendwie wieder in den Griff bekommen, weil meine Eltern 2 Telefone haben, aber ich sehe schon, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sie nicht mehr alleine zuhause bleiben kann, obwohl sie das so liebt.

    Das bedeutet fuer meinen Vater natuerlich auch, dass er eine weitere Entlastungsmoeglichkeit verliert, weil er dann immer in der Naehe meiner Mutter sein muss, ausser, wenn meine Mutter in die Tagespflege geht. Deshalb MUESSEN wir es hinbekommen, dass sie einen zweiten Tag geht, egal, wie schlecht das Gewissen ist.

    Ich hoffe, Du findest schnell einen Platz, der Dir gefaellt und wo Du sicher sein kannst, dass es Deinem Mann gut geht. Denn Du brauchst Zeit fuer Dich, so oft es nur geht - Du MUSST Energie tanken koennen!

    Liebe Gruesse von Billie
  • Hallo Billie,
    ich weiß noch, wie ich meinen Mann das erste Mal zur Tagespflege gebracht habe - schlimmer kann es für eine Mutter auch nicht sein, wenn sie ihr Kind das erste Mal in den Kindergarten bringt und "fremden Leuten anvertraut".... Bei ihm ging es aber gut, er hat sich dort wohl gefühlt, einen 2. Tag wollte er allerdings auch nicht. Gäbe es die Möglichkeit, den 2. Tag in einer anderen Einrichtung zu verbringen? Das würde sie vielleicht besser akzeptieren. Oder nur einen halben Tag, z. B. Demenzcafe o. ä., möglichst an ihrem "freien Tag", dann wäre sie da auch nicht so lange alleine. Erkundigt euch doch mal, welche Angebote es in eurer Nähe gibt.
    Ansonsten sind ja auch auch i. d. R. die Gäste der Tagespflege immer nur an bestimmten Tagen da, an einem anderen Tag also andere Menschen, vielleicht würde deiner Mutter eine andere Gruppe sehr gut gefallen. Versuch doch mal, sie damit zu locken, dass sie sich mal andere Gruppen anschaut.
    Eine andere Alternative wäre noch stundenweise ehrenamtliche Betreuung zu Hause. also gemeinsam spielen, lesen, handarbeiten, spazierengehen, Besuche im Cafe, o. ä.. Für meinen Mann hatte ich auch einen "Spaziergänger" gefunden, ich habe lange überlegt, wie ich ihm erklären soll, dass er nicht mehr alleine mit den Hunden raus darf, sondern nur noch in Begleitung, war aber dann irgendwie gar nicht schwierig, ich hab gesagt "das ist Herr X, der geht jetzt mit dir", hat er akzeptiert. Wenn deine Mutter "gebraucht" werden möchte, kann sie ja jemand Gesellschaft leisten, der sonst zu alleine ist.... :-)
    Ich drücke dir die Daumen, dass ihr noch eine Entlastungsmöglichkeit für deinen Vater findet.

    Viele Grüße
    Christel
  • Liebe Christel,

    vielen Dank fuer Deine Zeilen :)

    Meine Mutter ist nun einverstanden, einen 2. Tag in die Tagespflege zu gehen. Wir haben lange gesprochen (das kann ich noch ganz gut mit ihr) und sie hat selbst gesagt, dass sie findet, es wird manchmal zuviel fuer sie beide, also fuer sie und meinen Vater. An ihr geht die Belastungssituation und deren Nebenwirkungen ja auch nicht spurlos vorbei....

    Nun macht sie sich selbst Mut und geht einen 2. Tag und hat sich vorgenommen, fuer die noch "schwaecheren" da zu sein: Dort gibt es eine kleine Frau, die fast die ganze Zeit weint, nur wenn man ihr die Hand haelt hoert sie auf, das macht meine Mutter gerne. Ausserdem ist das tatsaechlich eine andere Gruppe mit anderen Teilnehmern an dem 2. Tag, das ist vielleicht gut so, Du hast recht, Christel. Und an dem Tag wird auch "Sport" gemacht, dass tut meiner Mutter auf jeden Fall gut :)

    Fuer den Morgen, an dem sie alleine ist/sein moechte, muessen wir uns etwas ueberlegen, das stimmt. Es ist nicht so leicht, ehrenamtliche zu bekommen in dem kleinen Staedtchen, in dem meine Eltern leben.

    Trotzdem - ich muss mich sehr konzentrieren, um nicht daran zu denken, wie selbstaendig meine Mutter immer war und dass sie Entscheidungen immer alleine getroffen hat. Und nun "schicken" wir sie in die Tagespflege, das tut schon weh :(

    LG von Billie
  • Hallo Billie
    Dein Text hat mich sehr berührt. Weniger die Problematik der Tagesbetreuung, als vielmehr, die Art, wie dein Vater mit der Mutter umgeht und wie sehr dich das belastet. Ich kenne das sehr gut von mir selbst. Ich glaube, es ist bis zu einem gewissen Grad ganz normal, dass dein Vater alle Arbeiten an sich reisst, der Mutter nichts mehr zutraut. Das geht mir oft auch so.
    Eine Frau aus unserer Gesprächsgruppe, die selber in einem Altersheim arbeitet hat einmal gesagt, sie verstehe einfach nicht, weshalb sie bei der Arbeit so viel Geduld mit den alten Leuten/Demenzkranken habe und wieso sie beim eigenen Ehemann diese Geduld nicht habe. Das hat mit der emotionalen Bindung zu tun! Bei mir selber habe ich gemerkt, dass ich zwar im Kopf die Krankheit meines Mannes sehr schnell akzeptiert hatte, doch das Herz/Gefühl macht da oft noch nicht mit. Das heisst, dass ich zwar weiss, dass er etwas nicht kann, oder viel langsamer ist, aber ich ärgere mich darüber, obwohl ich weiss, dass das falsch ist. Der Kopf versteht zwar, aber das Herz will es einfach nicht wahrhaben. Man wehrt sich gegen die Krankheit, auch wenn man es mit dem Verstand längst akzeptiert hat. Es ist auch viel einfacher, nun viele Arbeiten des Partners zu übernehmen, als zusehen zu müssen, wie er/sie Mühe hat damit, weil dann wird einem schmerzlich vorgezeigt, wie schlecht es dem Partner geht. Auch merke ich, dass es mir gut tut, wenn ich mich aktiv an der "Bewältigung" der Krankheit beteiligen kann. Das heisst, ich will anpacken. So habe ich sehr vieles übernommen, was früher mein Mann gemacht hat. Einerseits sicher richtig, aber es gibt wohl einiges, das ich ihm hätte überlassen sollen.
    Mir hilft es, wenn ich darüber reden kann. Da habe ich eine Psychologin. Auch habe ich schon mit der Demenzfachfrau gesprochen. Ich versuche auch immer wieder mein Verhalten zu überdenken. Allerdings versucht mich auch meine Psychologin immer wieder zu beruhigen und meint, das sei wirklich ein sehr schwieriges Thema, ich solle mich nicht Hintersinnen, und es brauche wohl auch einfach Zeit. Tatsächlich kann ich unterdessen viel besser geduldig sein und ihn mal machen lassen als früher. Was mir auch hilft: die Ergotherapeutin kommt nun zu uns nach Hause. Da erlebe ich, wie geduldig sie etwas mit ihm anpackt und wie geduldig und liebevoll sie mit ihm umgeht. Das kann ich dann jeweils als Vorbild gebrauchen - tatsächlich habe ich dann jeweils wieder mehr Geduld. Sie ermutigt mich auch immer wieder, ihn etwas machen zu lassen, auch wenn er es nicht so macht, wie ich es mir vorstelle.
    Es hilft wohl auch, wenn man nicht mehr ganz rund um die Uhr mit dem Partner zusammen ist. Mein Mann arbeitet unterdessen in einer Behindertenwerkstatt und ist so tagsüber viel weg.

    Ich wünsche euch viel Kraft, um den Vater zu unterstützen und viel Verständnis für ihn.
    Liebe Grüsse
    Prunella
  • Liebe Prunella!

    Vielen vielen Dank fuer Deine Zeilen - Du hilfst mir sehr damit. Auch wenn wir Kinder versuchen zu verstehen, unter welch einer grossen Belastung mein Vater lebt, koennen wir das nur "mit dem kopf". Wir versuchen zwar, immer wieder Entlastung fuer ihn zu schaffen (indem wir meine Mutter zu uns holen, mit ihr etwas unternehmen etc etc), aber trotzdem ist es natuerlich mein Vater, der 24/7 fuer sie da sein muss. Ihm geht es sehr sehr schlecht. Und ich verzweifel daran - weil er alle Ratschlaege nicht berherzigen kann, aus dem gleichen Grund, den Du beschreibst: Er ist als Partner emotional einfach zu nah dran.

    Ich verzweifel daran: Denn ihm wuerde es doch helfen, wenn er sie beherzigen wuerde:

    Ich habe ihm z.B. so oft gesagt (ganz lieb!!), dass er bestimmte Worte oder Themen vermeiden muss, wenn er nicht moechte, dass meine Mutter in Panik geraet und ausrastet und weint. Aber es passiert immer wieder. Und ich weiss dann nicht mehr weiter, weil ich so weit weg bin und meine Schwester gerade auch nicht kann.....

    Das ist alles so furchtbar. Und es wird immer schlimmer :(

    Traurige Gruesse von Billie
  • Hallo Billie,
    würde dein Vater vielleicht eher Tipps von Fremden annehmen? Wir waren 2012 zur Kur im Alzheimer Therapiezentrum der Schön-Klinik in Bad Aibling. Die Kur muss für den Alzheimer Patienten beantragt und genehmigt werden, aber der Partner muss auf jeden Fall mitkommen. Tagsüber gibt es Betreuung und Förderung für die Patienten, aber auch Infos, Tipps und Austausch mit anderen Angehörigen für die Partner/Pflegepersonen.

    Die Mahlzeiten werden immer zusammen eingenommen, abends und nachts sind die Ehepartner auch zusammen, aber tagsüber gibt es für die Pflegeperson Auszeiten und Anregungen.

    Heilen können die Therapeuten dort leider auch nicht, aber helfen, mit der Krankheit besser umzugehen. Mir hat es sehr geholfen, ich war überrascht, wie gut es meinem Mann damals in den Gruppen gefallen hat und ich habe es erst danach zugelassen, dass sich auch mal jemand anders um meinen Mann kümmert. Und ich habe Kontakte zu Mitbetroffenen, die wir immer noch pflegen, das hilft mir auch sehr. Google doch mal, vielleicht wäre das ja auch was für deine Eltern.

    LG, Christel
  • Hallo Billie
    ja, ich verstehe dass das unglaublich schwierig ist für dich. Ich denke manchmal, dass es für nahe Angehörige, die aber nicht mit dem Patienten zusammen wohnen in einer gewissen Weise fast noch schlimmer ist: man muss zuschauen das tut weh. Der Partner kann/muss handeln, man hat so viel zu tun, dass man fast vergisst, wie schlimm es ist. Aber "nur" zuschauen und nicht helfen können ist bestimmt auch sehr schwierig.
  • Hallo Billie
    ja, ich verstehe dass das unglaublich schwierig ist für dich. Ich denke manchmal, dass es für nahe Angehörige, die aber nicht mit dem Patienten zusammen wohnen in einer gewissen Weise fast noch schlimmer ist: man muss zuschauen, das tut weh. Der Partner kann/muss handeln, man hat so viel zu tun, dass man fast vergisst, wie schlimm es ist. Aber "nur" zuschauen und nicht helfen können ist bestimmt auch sehr schwierig.
    Ich selber bin auch froh, wenn ich Hilfe bekomme. Allerdings habe ich manchmal das Gefühl, dass man gar nicht so viel konkret helfen kann, ausser natürlich, den Patienten mal betreuen. Ich empfinde aber auch den guten Kontakt und viele gute Gespräche schon als Hilfe. Wenn ich mich verstanden fühle, wenn ich merke, dass meine Familie/Freunde wissen, wie es uns geht, wenn ich auch mal das Herz ausschütten kann, ist das für mich eine grosse Hilfe. So hilfst du vielleicht mehr als du selber denkst?
  • Liebe Billie, liebe Forum-Mitglieder,

    Deine Situation erinnert mich sehr an meine eigene. Zwar lebe ich nicht in einem anderen Land, sondern gleich nebenan bei meinen Eltern; trotzdem ist für mich die Situation mit meinem Vater fast schwerer als mit meiner Mama (war aber auch schon immer so...). Er kann einfach nicht akzeptieren, dass meine Mama nicht mehr die ist, die sie einmal war, und dass sie das auch nie wieder werden wird. Er setzt sich nicht wirklich mit der Krankheit auseinander und macht ihr oft Vorwürfe, wenn sie - in seinen Augen ganz einfache Dinge - nicht mehr kann. Wenn ich dann zu ihnen rübergehe, fängt das immer so an: "Jetzt muss ich erstmal erzählen, was Mama sicher heute wieder geleistet hat..." Und meine Mama sitzt daneben und lacht. Sie lacht in letzter Zeit über alles, was meinen Vater wahnsinnig macht, weil er sich mit seinen ganzen Sorgen, Ängsten nicht wahrgenommen fühlt, aber ich habe immer das Gefühl, dass dieses Lachen meiner Mama kein Lachen ist, sondern soviel Scham, auch Angst, dass es mir immer ganz weh tut.

    Wenn ich ihm sage, dass ich in Mamas Anwesenheit nicht so über sie reden will, dann nickt er zwar, macht aber gleich weiter. Und ich fühle mich gleich wieder als das Kind (das ich ja eben auch noch immer bin, obwohl sich ja vieles in unserem Verhältnis längst gedreht hat) und es gelingt mir einfach nicht, ihm da Grenzen zu setzen. Er tut mir ja auch leid und ich weiß, wie schwer die Situation für ihn ist, aber wenn ich schon dieses vorwurfsvollen Ton von ihm höre, geht es mir durch Mark und Bein. Und gleichzeitig fühle ich mich immer ganz schuldig, dass ich nicht alles für die beiden so organisieren kann, dass sie einigermaßen klar kommen.

    Wir wollen jetzt für meine Mama auch organisieren, dass sie einmal wöchentlich in die Tagespflege geht. Ich war auch mit meiner Mama schon einmal da zum Gucken, und meine Mama meinte auch gleich, dass sei nichts für sie. Trotzdem hoffe ich, dass ich sie überreden kann, das auszuprobieren, mit dem Argument, dass es für meinen Vater entlastend sei. Aber natürlich deprimiert mich die Vorstellung auch sehr, sie dort "hinzuschicken".

    Meiner Mama ist es sehr bewusst, dass sie dement ist. Sie spürt, dass sie sich verändert und nichts dagegen tun kann. Es strengt sie sehr an, sich zu unterhalten. Am liebsten, sagt sie, sitzt sie vor dem Fernseher; ich denke, weil der nichts von ihr will. Ich bin immer hin- und hergerissen, sie in Ruhe zu lassen oder sie zu fordern. Und oftmals denke ich, dass es ganz gleich ist, was wir tun, bei dem Tempo, in dem sie sich verändert...

    Schlechtes Gewissen, das habe ich einerseits permanent. Andererseits versuche ich mir zu sagen, dass diese Krankheit so gnadenlos ist, dass - selbst wenn ich Berge versetzen könnte - ich machtlos dagegen wäre. Ich kann nur versuchen, mein Bestes zu geben, auch wenn ich gleichzeitig immer weiß, dass es nicht ausreichen wird...

    Liebe Grüße
    Katrin
  • Ihr lieben Menschen im Forum!

    Erst einmal moechte ich sagen, dass ich mich so RIESIG freue, dass ich mich mit euch austauschen kann. Es ist eine solche Erleichterung, dass ich nicht alleine dastehe mit meinem schlechten Gewissen und der Hilflosigkeit, der Ohnmacht vor dieser Krankheit! Ich wuenschte, mein Vater wuerde auch so einen Erfahrungsaustausch nutzen. Womit wir beim Thema waeren:



    "Hallo Billie,
    würde dein Vater vielleicht eher Tipps von Fremden annehmen? Wir waren 2012 zur Kur im Alzheimer Therapiezentrum der Schön-Klinik in Bad Aibling. .......
    LG, Christel"



    Vielen Dank fuer den Tip, Christel - tatsaechlich waren meine Eltern zusammen letzten Herbst in so einer Kur, im Sauerland. Es hat beiden sehr sehr gut getan, meine Mutter ist unglaublich optimistisch zurueckgekommen. Und mein Vater auch. Er hat gemerkt, wie gut es ihm tat, mit anderen pflegenden Angehoerigen zusammen zu sein.

    Leider hat sich nicht viel davon gehalten - der Alltag hat vieles von dem Positiven aufgefressen. Naja, das stimmt nicht ganz: ein biss-chen haben die beiden schon noch immer davon, daran sollte ich oefter denken. Aber Tatsache ist, dass sich der Zustand meiner Mutter rapide verschlechtert und mein Vater hat dem wenig entgegenzusetzen, er hat nur ganz wenig Energie uebrig. Er bricht jedes Mal zusammen vor lauter Panik, wenn meine Mutter sagt, sie will nicht mehr zur Tagespflege. Er reagiert dann grundsaetzlich falsch und versucht, mit ihr zu diskutieren - aus lauter Angst, dass sie nicht geht und er keine Zeit ohne sie hat. Dann wird meine Mutter laut und faengt auch an, zu weinen - und das macht ihm natuerlich ein schlechtes Gewissen.
    Ich arbeite (sehr vorsichtig und wirklich liebevoll) daran, dass er in solchen Situationen ruhig bleibt und sich nicht auf Diskussionen einlaesst. Darauf besteht, dass er nicht ueber das "morgen" sprechen wird, sondern sie jetzt erstmal "heute" haben und gerade dieses oder jenes geplant haben (Abendbrot, Blumen giessen etc etc - irgendetwas, um meine Mutter vom Thema abzulenken). Das kriegt er einfach noch nicht hin.

    Habt ihr irgendwelche "Tricks", um von solchen Situationen abzulenken? Tricks ist natuerlich ein falsches Wort, mir faellt nur gerade kein anderes ein :(




    Liebe Billie, liebe Forum-Mitglieder,
    .........
    Wenn ich ihm sage, dass ich in Mamas Anwesenheit nicht so über sie reden will, dann nickt er zwar, macht aber gleich weiter. Und ich fühle mich gleich wieder als das Kind (das ich ja eben auch noch immer bin, obwohl sich ja vieles in unserem Verhältnis längst gedreht hat) und es gelingt mir einfach nicht, ihm da Grenzen zu setzen.

    Liebe Grüße
    Katrin"




    Ach, liebe Katrin!

    Das ist das allerschlimmste fuer mich: wenn mein Vater UEBER meine Mutter redet, waehrend sie danebensteht - und dann womoeglich auch noch Sachen, die absolut schlimm fuer sie sind ("das kann sie ja soweiso nicht mehr" und schlimmeres), das tut soooo weh. Und wenn ich mir vorstelle, was in meiner Mutter vorgeht, dann koennte ich gleich losheulen. Sie ist sich naemlich genau wie Deine Mama sehr bewusst, wie sie sich veraendert. Und wie rapide das geht. Es ist furchtbar. Und es ist unheimlich schwer, meinem Vater das klarzumachen - ohne dass ich ihm damit auf die Nerven falle, ihn belaste. Denn er IST belastet, ueberfordert, am Ende seiner Kraefte, das ist klar.

    Deswegen: Gib Dir einen Ruck, bring Deine Mutter zur Tagespflege. Es ist fuer Deinen Vater besser - und damit am Ende auch fuer sie!
    Am Anfang ist es hart, besonders wenn sie nicht will. Aber in lichten Momenten sagt meine Mutter selbst, dass sie gern etwas zur Entlastung der Situation und meines Vaters beitragen will und zur Tagespflege gehen moechte.
    Leider anedert sich das hin und wieder, dann sagt sie genau das Gegenteil - und dann ist Holland in Not (s.o.). Aber es muss sein - ich habe sonst Angst, dass mein Vater wirklich zusammenbricht. Damit ist keinem geholfen (und dass ich das so sagen kann, habe ich dem Austausch in diesem Forum zu verdanken!).

    Mir ist Dein letzter Satz sehr nahe gegangen: "Andererseits versuche ich mir zu sagen, dass diese Krankheit so gnadenlos ist, dass - selbst wenn ich Berge versetzen könnte - ich machtlos dagegen wäre. Ich kann nur versuchen, mein Bestes zu geben, auch wenn ich gleichzeitig immer weiß, dass es nicht ausreichen wird..."
    Es klingt zwar ganz furchtbar, so machtlos zu sein - aber ich habe mir gerade ueberlegt, dass es mir vielleicht auch helfen koennte, diese Machtlosigkeit zu akzeptieren. Vielleicht ist es besser, die Krankheit anzunehmen - und "einfach" das Beste zu geben, das man hat.

    Viel Kraft wuensche ich Dir bzgl der Tagespflege - diskutiere nicht zuviel mit Deiner Mama, sprecht lieber ueber das Positive dort. Meiner Mutter hilft (manchmal) sehr, dass sie dort fuer andere da sein kann, fuer die sehr alten Leute z.B., die nicht mehr sprechen koennen oder viel weinen. Sie nimmt gerne deren Haende und versucht sie zu beruhigen. Oft mit Erfolg. Das tut meiner Mutter gut. Und damit hoere ich immerhin mit etwas positivem auf fuer heute :)

    Ich wuensche euch allen Kraft. Und ein paar schoene Gedanken, schoene Erlebnisse. Die gibt es jeden Tag, manchmal nur Kleinigkeiten, aber egal!

    Ganz liebe Gruesse von Billie
  • Liebe Billie,

    ich bewundere das, wie Du mit Deinem Vater reden kannst (selbst wenn es nicht immer fruchtet...). Ich spüre dann ganz schnell, dass ich irgendwie immer auf der Seite von meiner Mama stehe, und obwohl ich natürlich weiß, wie belastend die Situation für ihn ist, mache ich ihm innerlich Vorwürfe, dass er sich einfach nicht ändern kann. Mit Geduld ist es da bei mir nicht weit her, und wenn er dann noch diesen Tonfall anschlägt. Außerdem nehme ich ihm übel, dass er immer nur in Gegenwart meiner Mutter spricht oder wenn er mich zufällig draußen sieht (was meistens ja heißt, dass ich gerade irgendwo her komme oder hin will...). Es wäre eigentlich ein Leichtes für ihn, zu mir rüber zu kommen (wir wohnen ja nebeneinander), aber ich bin es fast immer, die zu meinen Eltern geht und dann ist halt meine Mama dabei (und ich will sie ja auch nicht wegschicken, um mit meinem Vater zu sprechen). Ich habe ihm das auch schon mehrmals gesagt, dass er doch rüber kommen soll, aber er macht es einfach nicht.

    Aber ich habe heute einen Termin mit dem Pflegestützpunkt gemacht, um mich wegen der Tagespflege zu informieren. Leider ist da die Finanzierung auch ein Problem, da meine Eltern nur eine ziemlich kleine Rente haben. Meine Mama hat zwar Pflegestufe 0 und kann noch die zusätzlichen Betreuungsleistungen für 100 Euro beanspruchen, aber damit kommt man ja nicht wirklich weit. Aber wahrscheinlich werden wir eh bald die Pflegestufe neu beantragen müssen, bei dem Tempo, wie die Krankheit fortschreitet.

    Ich glaube, es ist für unsere Väter einfach so wahnsinnig schwer, sich darauf einzustellen, dass sie eben keine Partnerin mehr an der Seite haben, wie sie es gewohnt waren (und die die Dinge immer in die Hand genommen haben), sondern jemanden, mit dem man eben ganz anders umgehen muss. Sie haben fünfzig Jahre miteinander diskutiert, und jetzt sollen sie sich halt ganz anders verhalten. Das ist ja für uns schon so schwer, aber in ihrem Alter sicher noch tausendmal schwerer... Ich hoffe ja immer darauf, dass mein Vater dadurch lernt, dass er ja ständig erleben muss, dass es anders nicht mehr geht, aber ich weiß nicht, ob das jemals funktioniert.

    Ich wünsche Dir und Euch allen viel Kraft - um für die Familie da zu sein, aber auch für sich selbst...

    Ganz liebe Grüße
    Katrin
  • Liebe Katrin,

    auf die Schnelle, ich habe gerade viel mit Packen zu tun (es geht mal wieder nach Deutschland - auf dem Rueckweg nehme ich meine Mutter fuer 1 Woche mit hierhin, ich freu mich schon :)

    Beantrage moeglichst schnell die Pflegestufe 1 - es wird kein Problem sein, so wie Du den Zustand Deiner Mutter beschreibst. Das reicht fuer mind. 1 Tag in der Tagespflege, dazu gibt es ja noch die zusaetzlichen Betreuungsleistungen fuer andere Sachen (wir geben dieses Jahr viel aus fuer eine Woche im Demenz-Hotel in Winterberg, ueber das Verhinderungspflegegeld koennen wir sogar einen Teil fuer die Unterkunft meines Vaters als Pflegender erstattet bekommen).

    Meine Mutter geht mit Pflegestufe 1 sogar 2 Tage pro Woche in die Tagespflege - da hin und wieder 1 Tag aus verschiedensten Gruenden ausfaellt, kommt das dann ueber den Monat hin. Ich weiss, das Geld ist immer knapp, bei uns auch - aber wenn man alle Moegichkeiten ausschoepft, dann bringt das schon eine Entlastung.

    Ich melde mich wieder, wenn ich aus Deutschland zurueck bin (Mitte Juli).

    Bis dahin liebe Gruesse - und vergesst nicht, den schoenen Sommer wenigstens manchmal zu geniessen!!!!!

    Billie
  • Liebe Billie,

    bist Du schon zurück mit Deiner Mutter? Wie klappt das denn bei ihr mit dem Ortswechsel? Ist das nicht schwierig? Meine Eltern waren ja im April zur Kur (allerdings nicht in einer Demenz-Klinik, sondern in wegen meines Vaters in einer onkologischen Klinik), und das war sehr schwierig. Wir hatten überlegt, dass ich im Herbst mit meinen Eltern für ein oder zwei Wochen wegfahre (in den Urlaubsort, wo sie früher immer hingefahren sind), aber im Moment trauen wir uns das nicht...

    Ich versuche jetzt, jedes Wochenende mit meiner Mama einen Plan für die nächste Woche zu machen, also groß und deutlich die Termine aufzuschreiben und was sonst noch so anliegt (auch solche Sachen wie Duschen, Haare waschen etc.). Letzte Woche hat das ganz gut geklappt, auch wenn man natürlich darauf achten muss, dass sie es dann auch macht. Außerdem haben wir Montag in einer Woche den Probetag in der Tagespflege - auch wenn sie nach wie vor sehr negativ dazu eingestellt ist. Und mein Vater will morgen zur Angehörigengruppe gehen; ich hoffe sehr, dass er es auch tut!

    Das sind die positiven Entwicklungen. Andererseits haben meine Eltern sich entschieden, dass die Nachbarschaftshelferin nicht mehr kommen soll. Irgendwie stimmte da die Chemie wohl nicht; ich glaube auch, dass die Dame irgendwie nicht selbstbewusst genug war. Wenn meine Mama gesagt hat, es gäbe nichts mehr zu tun, dann ist sie halt gegangen. Wahrscheinlich fehlte ihr auch die Erfahrung im Umgang mit Demenz. Nun müssen wir mal sehen, wie es auf der Baustelle weitergeht, denn ohne Hilfe im Haushalt funktioniert es meiner Meinung nach nicht... Irgendwie habe ich immer das Gefühl, mich mit ihnen im Kreis zu drehen. Kaum habe ich etwas organisiert, ist es nicht das richtige, und ich fange von vorne an...

    Ich freue mich von Dir zu hören und wünsche Dir eine schöne Zeit mit Deiner Mama!

    Liebe Grüße
    Katrin
  • Liebe Billie,

    die Tagespflege war tatsächlich ein voller Erfolg! Es hat meiner Mama gut getan (und gefallen!) und mein Vater hat sich sogar gefreut, als sie dann nachmittags wiederkam. Jetzt wird sie ab dem 25. August montags regelmäßig gehen, und ich hoffe, es bleibt so!

    Vielen Dank, dass Du mich so lieb ermunterst hast, die Tagespflege auszuprobieren!

    Liebe Grüße
    Katrin
  • Liebes Forum, ich bin zurueck :)

    Kanya, ich habe mich RIESIG gefreut, zu lesen, dass die Tagespflege ein solcher Erfolg ist - fuer Vater UND Mutter. Und damit auch fuer Dich!!!

    Ich habe einige anstrengende, aber auch schoene Wochen hinter mir. Habe viel Zeit mit meiner Mutter verbracht. Erst in meinem Heimatort, wo meine Eltern und Geschwister leben. Ich war von morgens bis abends mit meiner Mutter zusammen, das war manchmal ganz schoen anstrengend. Ich habe einen Nachmittag bei meiner Mutter in der Tagespflege verbracht, wir hatten vorher Kuchen gebacken und dann habe ich alle anderen beim gemeinsamen Kaffeetrinken kennengelernt. Das war sehr schoen und fuer meine Mutter unheimlich wichtig. Besonders gefreut hat sie sich, als ich sie mit meinen 3 Toechtern dort abgeholt habe - sie hatte Traenen in den Augen, als sie voller Stolz ihre Enkel jedem einzelnen vorstellen konnte - ich glaube, solche Sachen machen fuer sie das Leben lebenswert.

    Ein paar Tage spaeter habe ich sie mit nach England genommen. Das habe ich im Mai schonmal gemacht, damals ging das sehr gut: Den Ortswechsel hat meine Mutter gut verkraftet und wir haben schoene, nicht zu anstrengende Dinge gemacht.

    Diesmal ging es nicht ganz so gut: Die Demenz ist leider einfach ein Stueck weiter fortgeschritten und obwohl meine Mutter gluecklich war, bei mir zu sein, hat sie doch meinen Vater und ihre gewonte Umgebung sehr vermisst und alles war ziemlich anstrengend. Allerdings hatten wir auch sehr heisse drueckende Tage, da fehlten uns allen die noetige Energie. Mein Vater aber hat seine Zeit alleine so sehr genossen, das war die ganze Anstrengung wert!

    Nun ist sie wieder zuhause. Und es gibt wieder gute und schlechte Tage. Wie immer. Wir haben jetzt die Pflegestufe 2 beantragt. Ueber kurz oder lang wird meine Mutter einen 3. Tag in die Tagespflege gehen muessen, sonst bricht mein Vater zusammen.
    Und ich ueberlege auch, ob wir probeweise mal einen Pflegedienst kommen lassen, der meinem Vater vielleicht mal abends oder morgens hilft: Denn ich habe am eigenen Leib erfahren, wie koerperlich anstrengend es ist, meine Mutter zu unterstuetzen. Anziehen, Ausziehen, Toilette, Duschen - meine Guete. Ich spuere immer noch meinen eh schon schwaechelnden Ruecken.

    Insgesamt also war es eine schoene Zeit. Und ich (und damit auch meine Geschwister) habe gelernt, dass wir v.a. meinen Vater noch viel mehr unterstuetzen muessen.

    Ich hoffe, euch geht es auch allen soweit so gut - vielleicht geniesst ihr den schoenen Sommer?

    Ganz liebe Gruesse von Billie

    PS: Kanya, ich wollte Dich noch fragen, wie es Deinem Vater in der Angehoerigengruppe gefaellt?
  • Liebe Billie,

    oh, das kann ich mir vorstellen, wie anstrengend das war... Aber ich finde das toll, dass Du Dich so intensiv um Deine Mutter kümmerst und die Zeit trotz der Anstrengung auch genießen kannst. Und auch toll, dass Deine Mama das trotz ihrer Einschränkungen genießen kann und an den kleinen Momenten ihre Freude hat!

    Ich bin zurzeit gerade mal wieder ziemlich deprimiert. Mein Vater treibt mich mit seiner Art zum Wahnsinn. Da sitzen wir zu dritt im Café, weil meine Eltern Hochzeitstag haben, und er fängt an, über ihre Inkontinenzvorlagen zu reden. So unsensibel kann man doch gar nicht sein... Und später am Tag kommt meine Mama zu mir und sagt: Ich muss mit dir reden, weil ich mich mit Papa nicht mehr unterhalten kann. Ich frage ein bisschen nach und kriege raus, dass mein Vater sie zu mir geschickt hat. Und ich blöde Kuh finde einfach nicht die richtigen Worte, um ihm Einhalt zu bieten. Ich muss da unbedingt an mir arbeiten...

    Wie es ihm in der Angehörigengruppe ging, kann ich irgendwie schlecht abschätzen. Einerseits war der Austausch sicher gut, andererseits war bei vielen die Erkrankung noch viel weiter fortgeschritten, und da er ja ohnehin so ein Grübler ist, macht er sich dann natürlich gleich ganz viele Gedanken über das, was kommen wird.

    Im Herbst werde ich versuchen, Pflegestufe 1 zu beantragen. Dafür würde ich gern mit meinem Vater zusammen ein Pflegetagebuch zu führen. Ich zweifle halt, dass wir wirklich auf die erforderlichen Zeiten kommen, weil meine Mama eben noch das meiste selbst macht - nur eben nicht von alleine. Aber man hört ja immer, dass es bei der Einstufung vor allem auf die körperlichen Pflegezeiten ankommt. Ich werde auf jeden Fall noch mal mit der Neurologin sprechen, ob die vielleicht mit einem entsprechenden Gutachten helfen kann. Wie ist das bei Euch? Wenn ich Dich richtig verstehe, braucht Deine Mutter schon viel Unterstützung bei der körperlichen Pflege, oder geht es da auch mehr um Anleitung oder Motivation, etwas zu tun? Vielleicht würde meine Mama auch schon viel mehr Unterstützung brauchen? Aber wie merkt man das? Ging das bei Euch von Deinem Vater aus?

    Ich hoffe, Ihr habt in England auch so schönes Sommerwetter wie wir :-)

    Liebe Grüße
    Katrin
  • Liebe Katrin,

    und ich finde es noch viel beeindruckender, dass Du ueberlegst, mit Deinen Eltern zusammen in den Urlaub zu fahren. So wie Du die Situation zwischen euch 3 beschreibst, stelle ich mir das noch viel anstrengender vor, als 1 Woche meine Mutter bei mir zu haben. Ich glaube, ich wuerde mir das nicht zutrauen und habe einige Gruende dafuer - und auch einige Alternativen. Vielleicht magst Du die hoeren? Ich will mich aber nicht einmischen, Du kannst ruhig ehrlich sein, wenn ich meine Klappe halten soll :)

    wenn Deine Mutter schon die Pflegestufe 0 hat (seit wann?), dann ist der Schritt zur Stufe 1 eigentlich rel. unkompliziert. Ich kann Dir aber nur raten, das schnell anzugehen, denn bis der med. Dienst Zeit hat fuer einen Termin, vergehen ja schon immer ein paar Wochen.
    Mach Dir nicht so viele Gedanken um das Pflegetagebuch: Es ist zwar einserseits wichtig, aber andererseits muss man auch ehrlich sagen, dass viele pflegende Angehoerige oft nicht die Zeit und v.a. Kraft haben, tagelang akribisch ein Pflegetagebuch zu fuehren. Schau Dir den Bogen mal an und fuell aus dem Kopf so einen "normalen Tag" mit Deiner Mutter aus, vielleicht zusammen mit Deinem Vater. Du musst aber wirklich an alles denken und eintragen, selbst Dinge, die man "mal eben so nebenher" macht - das laeppert sich naemlich. Wenn Du magst, schreibe ich Dir mal in einer PN, was man alles eintragen kann. Meine Mutter hat noch viel mehr alleine gemacht, als wir Stufe 1 beantragt haben - aber eben auch nur mit Anleitung. Und entsprechender Kontrolle, ob auch alles ordentlich gemacht wurde. Und ganz ehrlich: Wenn Deine Mutter inkontinent ist, dann laeppert sich auch da so einiges an Zeit, die fuer den Umgang damit notwendig ist.

    Gutachten von der Neurologin ist immer gut - ich finde, eine Demenz kann man nur aus ganz vielen Blickwinkeln gut beurteilen, Deine, die Deines Vaters, Hausarzt und natuerlich auch die Neurologin. Bekommt Deine Mutter auch Rivastigmin (z.B. Exolon Pflaster)?

    Ich habe meine Mutter immer mal 1 Woche Tag und Nacht bei mir zu Besuch gehabt - so konnte ich gut beurteilen, wie es nun wirklich mit ihr ist. Denn mein Vater ist kein grosser Redner vor dem Herrn - er konnte das nicht so gut darstellen, wieviel Zeit er mit der Pflege meiner Mutter verbringt. Ich wuerde Dir auch hierzu gerne eine private Nachricht schreiben, wenn Du magst. Allerdings erst in ein paar Tagen, denn ab morgen muss ich nochmal weg.

    Ja, bei uns ist herrlichstes Sommerwetter - bin schon ganz braun, nur vom Radeln zum Supermarkt und Garten und so :) Morgen fahren wir in den Norden, an Schottlands noerdlichsten Punkt - mal sehen, wie dieser wundervolle Sommer sich dort oben darstellt ;)

    Ganz liebe Gruesse an Dich und alle!!!

    Billie
  • Liebe Billie,

    nach einem völlig verregneten Schottland-Urlaub habe ich mir geschworen, dort erst wieder hinzufahren, wenn Schottland überdacht worden ist ;-) Jetzt steht ja mehr eine mögliche Unabhängigkeit Schottlands im Fokus, von daher ist ein Schottland-Urlaub für mich wohl noch immer in weiter Ferne :-) Aber ich hoffe natürlich ganz, ganz doll, dass Ihr mehr Glück hattet als wir damals. Landschaftlich ist es wirklich toll!

    Meine Mutter bekommt zurzeit Donepezil. Im September haben wir wieder einen Termin bei der Neurologin, mal sehen, wie es bis dahin ist. Leider gestaltet sich gerade die Suche nach einer Nachbarschaftshelferin, die meine Mutter im Haushalt unterstützen soll, sehr schwierig. Ich fürchte, wir werden das auch anderweitig organisieren (und auch bezahlen) müssen, daher werde ich mich nach meinem Urlaub auf jeden Fall um die Pflegestufe kümmern müssen. Wenn Du mir noch ein paar Tipps geben könntest, wäre das toll - ich werde mal versuchen, ob ich das mit der PN hinbekomme. Da kann ich Dir ja auch mal meine Mail-Adresse reinschreiben :-)

    Die Idee mit dem Urlaub haben wir erstmal weit beiseite geschoben. Ab Ende August geht meine Mama ja zur Tagespflege, und dann wollen wir da erstmal eine Regelmäßigkeit reinbekommen. Vielleicht schlage ich meinen Eltern auch mal eine Reise bei einem spezialisierten Anbieter vor - da könnte man Vater sich dann auch noch mit anderen Betroffenen austauschen. Ich weiß aber nicht so recht, wie sie darauf reagieren...

    Liebe Grüße und weiterhin schöne Sommertage für alle!
    Katrin
  • Liebe Kathrin und auch alle anderen, die hier mal mitgelesen haben!

    Habe mich lange nicht gemeldet, weil das letzte halbe Jahr mich absolut gefordert hat. So viel ist passiert. Am interessantesten für euch ist vielleicht, dass meine Mutter seit letztem Montag in einem Heim ist. Es ging zuhause einfach nicht mehr.

    Mein Vater ist seitdem wie ausgewechselt: Er hat zwar echte Angstattacken, dass meine Mutter doch wieder zurückkommen könnte, weil es im Heim nicht klappt. Aber ansonsten blüht er richtig auf und klingt ganz frei und glücklich. Er ist ganz aufgeregt über sein neues Leben und die Möglichkeiten, die er nun wieder hat. Das schreibe ich so deutlich, weil man das echt nicht vergessen darf: Wie sehr die Pflegenden unter der Anstrengung, mit einem dementen Menschen zusammenzuleben leiden, auch wenn man die demente Person sehr liebt.

    Meine Mutter glaubt, sie ist zu einer Kur bei den Nonnen (es ist ein sehr nettes katholisches Heim). Es ging ganz gut los in den ersten Tagen, aber seit 3 Tagen wird es schwieriger: Sie weint hin und wieder, lässt sich dann schwer beruhigen und wird immer aufgelöster. Das Heim ruft im Moment dann immer sofort an, weil sie meine Mutter ja noch nicht so gut kennen und nicht wissen, wie man am besten mit ihr umgeht. Erst waren wir irritiert und dachten, dass die Schwestern dort ja nicht so viel Ahnung von Demenz haben können, obwohl dort viele demente Menschen leben. Mittlerweile denke ich, es ist normal und wird seine Zeit brauchen, bis alle sich daran gewöhnt haben. Wir sind nun auf der Suche nach einem Modus, der meiner Mutter den Übergang in ihren neuen Alltag erleichert. Ich überlege zur Zeit, ob eventuell jeden Abend einer von der Familie zu meiner Mutter geht, bevor sie ins Bett geht, damit sie sieht, dass sie noch genauso zur Familie gehört. Ich bin auf der Suche nach einem Umgang mit dieser schwierigen Situation...

    Und ich muss leider sagen, dass das schlechte Gewissen bleibt (das war ja das Thema meines Threads hier). Wahrscheinlich bleibt es für immer. Aber ich würde mich freuen, wenn ihr eure Erfahrungen teilen würdet, wie es bei euch war, als die Eltern oder Angehörigen ins Heim gingen. Habt ihr Tips, wie es für alle erträglicher wird? Oder bleibt immer ein schrecklich Gefühl dabei??

    Liebe Grüße von Ginger
  • Hallo,

    ich (59) habe die Ausführungen mit großem Interesse gelesen und melde mich seit langem wieder einmal zu Wort. Mein Mann (67) hat mindestens seit 8 Jahren FTD bzw. seit dieser Zeit fallen mir im Nachhinein große Persönlichkeitsveränderungen ein, die ich der FTD zuschreibe. Entgültig durch eine SPECT belegt wurde es 2013.

    Während diesen langen Jahren haben mein Mann und ich wahnsinnige Tiefen erlebt. Eine meinem Mann behandelnde Psychologin hat gesagt, dass bei dieser Art von Demenz nach und nach der Erkrankte relativ 'leicht' lebt, da er ja seine Emotionen, sein Einfühlungsvermögen eben alles was mit Empathie zusammen hängt verliert. Das kann ich bestätigen.

    Ja, meinem Mann geht es den Umständen entsprechend sehr gut. Wir haben ihm einen Rahmen geschaffen, der ihm ein angenehmes Leben ermöglicht. Er kann tun und lassen, was er will, in einem an meine Wohnung angrenzenden kleinem eigenen Appartement unter meiner Betreuung und durch Hilfe einer netten Dame von der Diakonie. Jeder schaut, dass es ihm gut geht. Er hat mittlerweile Pflegestufe 0. Er darf ungestraft 'frech', 'verleumderisch' und 'unverschämt' sein, egoistischst nur an sich selbst denken usw., denn er ist ja der arme Kranke. ..und das seit Jahren.

    In dem Informationsblatt zu FTD steht ganz klar, dass die Angehörigen am meisten leiden. In weiteren Fachinformationsblättern steht, dass sich 80 % der Angehörigen aus Überforderung lebenslang zerstreiten.

    Dem an FTD erkrankten ist ab einem gewissen Stadium der Erkrankung das alles egal. Soll doch die Familie zerbrechen, das bißchen mühsam Erschaffene den Bach runter gehen. Wie der Partner und die Kinder leben, was geht ihn das an?? Durch seine 'Geschichten', die er erzählt, bringt er zusätzlich noch sein Umfeld durcheinander. Ja man kann sagen, spielt den einen gegen den anderen zu seinem Vorteil aus. ...und das ist in vielen Symptombeschreibungen erwähnt, das man der Wahrnehmung und den Aussagen des Erkrankten keinen Glauben schenken darf. Man tut alles für den Kranken und er erzählt Lügenmärchen und sagt, dass man ihn schlecht behandelt. Dankbarkeit??? Weit gefehlt.

    Das sind die wahren Schwierigkeiten der Angehörigen.

    Es heißt in der Bibel: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

    Also, darf es den Angehörigen doch auch ebenso gut gehen, wie dem Kranken oder steht da geschrieben, es soll dem Kranken besser gehen als den Angehörigen? Soll zuerst der Partner 'zerschlissen' werden und dann nach und nach die Kinder? Alle sich zerstreiten, weil z. B. manche Kinder und Angehörige in ihrer Hilflosigkeit und Überforderung nur den Kranken sehen und dem gesunden Partner noch Vorschriften machen, wie er es besser machen muß. Wie muss sich da der gesunde Partner fühlen?

    Für mich als Ehefrau eines FTD-Kranken war es so, als würde mir durch die befremdlichen Aktionen und das lieblose, veränderte Wesen meines Mannes der Boden unter den Füßen weg gezogen. Unsere gesamte Lebensplanung war auf einmal nichts mehr Wert. Unsere gemeinsamen Ziele für den Lebensabend nach 35 Jahren guter Ehe nicht mehr erreichbar. Hilflosigkeit und ein unendliches Aufopfern für den geliebten kranken Mann brachten mich selbst in einen Burn-Out-Zustand und in eine Klinik. Meinen Mann ließ das kalt. Er nahm sich eine Freundin. Hemmungslosigkeit ist bei dieser Krankheit ja auch ein Thema. Es war ihm egal, was die Leute sagten. ...und die Kinder meinten nur: "Er ist ja so krank, wenn es ihm gut tut, wo die 'gesunde' Zeit doch so beschränkt ist." Das alles tut unendlich weh. Man kann es nur ertragen, weil man von der Krankheit weiß. Man verabschiedet sich von seinen eigenen Lebenszielen und muss alles neu regeln und schauen, dass man selbst nicht auf der Strecke bleibt.

    Ich kann nur sagen, kleine Kinder sollte man schützen und auf jeden Fall so gut als möglich ein unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen. Das wir jedes gute Elternteil tun. Aber wenn die Kinder erwachsen sind, wird es schon schwierig. Da weiß ich mir auch keine richtige Antwort. Auf jeden Fall kommt man als pflegender Angehöriger bei aller Liebe ganz schnell an seine eigene Grenzen. Es nützt niemanden, wenn der Partner durch Überforderung ausfällt, denn dann bricht das Chaos ja erst richtig aus.

    Ich für meinen Teil lebe nach Hellinger (Familienstellen) und versuche mein Päckchen so gut als möglich zu tragen. Versuche durch Auszeiten mir schöne Dinge zu ermöglichen, mein Leben lebenswert zu machen. Meine erwachsenen Kinder sollen ruhig ihren Weg gehen und nach vorne schauen. Sie schauen auf ihn, wenn ich nicht da bin. Unendlich dankbar bin ich für schöne Auszeiten in gleicher Aufteilung und Aufmerksamkeit. Das heißt, den einen Tag machen sie einen Ausflug mit dem Kranken und die gleiche Zeit bringen sie für mich auf. So wird der Erholungswert für beide gut und die Wertschätzung für beide ist gleichmäßig verteilt. Das tut allen gut. Den Kindern, weil sie etwas tun können und uns Betroffenen auch. Klingt schön, ist mein Endziel, klappt aber leider nicht immer aber immer öfter. Meistens bleibt es bei schönen Ausflügen mit dem Kranken.

    Ich wünsche mir sehr, dass wir alle , Ihre Familien und meine, zu den 20 % gehören, die trotz dieser furchtbaren Krankheit namens FTD wenigsten unseren Familienzusammenhalt behalten unsere Liebe zueinander, das Vertrauen, Respekt und Achtung.

    Herzlichst

    Annabell
  • Hallo Frau Annabell.
    Gerade habe ich Ihren Beitrag verschlungen. Ich bin neu im Forum weil bei meinem Mann letztes Jahr FTD festgestellt wurde. Man weiß ja irgendwie überhaupt nicht mehr was passiert. Mein Mann ist 55 Jahre ich bin 53.Wir haben nun fast 30 Jahre miteinander eine kleine Firma aufgebaut und müssten schon noch mind. 8 Jahre durchhalten.Das sieht jetzt nicht so aus. Alles in allem ist sehr schwierig. Ich habe mir die Berichte so von den anderen Teilnehmern durch gelesen und stelle immer mehr fest dass es wirklich eine Krankheit ist. Man zweifelt ja immer daran,weil man denkt,er solle halt zu hören dann weiß er was ich sage. Aber so einfach ist es anscheinend alles nicht. Als Frau ist das alles sehr anstrengend.Weil man versucht alles zu kaschieren,damit es in der Arbeit niemand merkt. Aber es geht jetzt eigentlich nicht mehr, Ich muss es jetzt irgendwie mal sagen. Zumal ich ja das ewige Verheimlichen auch nicht mehr aushalten kann. Jetzt bin ich schon 2x beim Arzt fast umgekippt. Normaler weise habe ich immer ganz niederigen Blutdruck und jetzt habe ich ganz oft 180;120 Blutdruck. Ich muss jetzt einen Weg finden dass die Sache erträglich macht.Dies ist mein erster Beitrag im dem Forum
    Viele Grüße
    Sommer
  • Hallo Frau Sommer,

    es gehört Ihnen mein ganzes Mitgefühl. Ich kann mir gut vorstellen, was Sie durchleben. Hier eine Formulierung von einer anderen Betroffenen: Es fühlt sich an, als wäre man in einer erprobten Bergseilschaft, alles sieht aus wie immer, nur daß der andere plötzlich, statt einen zu sichern, mit vollem Elan auf die Klippen zuläuft und man nur überlebt, wenn man sich mich aller Kraft dagegen stemmt.

    Ich sehe das genau so. Sichern Sie alles notariell und schriftlich ab. Gehen Sie zur Bank, wenn möglich an einem guten Tag gemeinsam und schildern Sie die Krankheit. Lassen Sie, wenn möglich Ihren Mann sagen, dass man Ihn vor sich selbst schützen muss. Die Krankheit lässt keinen Weitblick mehr zu, um Geldgeschäfte zu tätigen. Vor allem verwahren Sie die Kreditkarten an einem sicheren, vor Ihm geschützten Ort. Am Anfang seiner Krankheit war mein Mann an guten Tagen noch sehr einsichtig. Der liebe, umsichtige von früher eben. Auch er wollte dann alles geregelt haben und die Krankheitsgeschichten von anderen FTDlern hat ihn erschreckt.

    ...und bei dieser Krankheit ist ja auch die Hemmungslosigkeit ein Thema. Er wäre nicht der erste Demente, der sich durch falsche Liebesbezeugungen von einer jungen, hübschen Frau das Geld aus der Tasche ziehen lässt. Auch die Risikobereitschaft ist enorm. Nicht umsonst gilt die Empfehlung: Raus aus der Verantwortung, die die Kranken nicht mehr tragen können und nicht mehr Auto fahren. Ich habe viel im Internet über diese Krankheit nachgelesen, das war sehr hilfreich. Am Anfang habe ich mir immer gedacht, bei meinem Mann nicht, aber das war ein Trugschluss. Es muß ja nicht alles eintreten, was dort steht, aber besser man hat einmal umsonst Vorsorge getroffen, als wenn man hinterher den Schaden hat.

    Sie müssen jetzt für beide vorausschauend denken und das Bestehende für beide sichern. Ihr Mann wird es nicht mehr können, auch wenn er vorgibt es zu können und zu tun. Sie selbst wissen bestimmt am besten, wie es um seine Wahrnehmung bestellt ist.

    Schauen Sie auch gut auf sich und Ihre Gesundheit. Dass Sie gesund und belastbar sind, ist für Sie beide wichtig und auch für Ihre Firma. Mir hat es geholfen aus der Anonymität herauszutreten. Ich habe viel Mitgefühl erfahren und Sie werden sich wundern, in wie vielen Familien es ein 'Familiengeheimnis' in Form von solchen Dingen gibt.

    Ihnen alles Gute und viele Grüße an Sie und alle Mitleser und schöne Pfingsten

    Annabell
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