Tochter (27) von jung erkranktem Vater (64)

Hallo an alle hier,

ich bin ganz neu hier im Forum und suche Hilfe.
Ich bin 27 Jahre alt und mein Vater (64) hat schon einige Jahre lang (etwa ab 58 ) geistig stark abgebaut.
Leider hat sich bisher kein Arzt gefunden, der eine eindeutige Diagnose gestellt hat, aber jeder der ihn kennenlernt und auch die Ärzte und Krankenschwestern bei seinem letzten Krankenhausaufenthalt (wegen eines Unfalls) erkennen und benennen, dass es sich um eine Demenz handeln muss. Er erkennt zwar alle Menschen aus seinem direkten Umfeld wieder, ist aber räumlich stark orientierungslos, wiederholt oft die selbe Frage mehrmals pro Minute und zeigt einige der anderen, für eine (frühe bis mittlere?) Demenz typischen Symptome.

Er lebt zusammen mit meiner Mutter, die nun immer mehr die Pflegerolle übernommen hat.
Das Hauptproblem dabei ist seine immer weiter zunehmende Aggressivität und das Fehlen jeglicher Krankheitseinsicht. In seinen Augen ist nur meine Mutter schuld (die ihn seiner Meinung nach "systematisch runtermacht" und ihn "absichtlich aufregt" ). Er behauptet, ohne sie wäre es ganz normal, er sei nicht krank und wolle die Scheidung. Gleichzeitig klammert er sich im Alltag stark an sie und lässt sie kaum einen Moment aus den Augen, sodass sie praktisch kein eigenes Leben mehr führen kann.
Vor kurzem hatte er zu Hause einen Unfall, war einige Zeit bewusstlos und hatte eine nicht unerhebliche Gehirnerschütterung. Dabei ist seine Verwirrung sprunghaft angestiegen und seitdem kaum mehr zurückgegangen. Er erinnert sich aber an nichts und streitet nach wie vor jede Beeinträchtigung ab.
Er hat starke Stimmungsschwankungen, rastet aber fast täglich - auch gerne in der Öffentlichkeit - komplett aus, beschimpft meine Mutter und droht mit Scheidung. Er glaubt, er könne dann ja alleine viel besser leben.

Meine Mutter ist natürlich mittlerweile komplett am Ende. Im Zusammenhang mit dem Unfall war ich einige Zeit bei meinen Eltern, aber ich habe vor 2 Wochen einen neuen Job angefangen, der mich zeitlich sehr fordert und räumlich deutlich entfernt ist, und kann mich daher nicht voll und ganz um die Probleme in meinem Elternhaus kümmern. Ich habe noch eine ältere Schwester, die aber zwei kleine Kinder hat und daher kaum Zeit aufbringen kann. Leider ist sie auch sonst emotional eher distanziert bei dem Thema.

Ich habe nun wirklich große Angst vor der Zukunft, und gleichzeitig auch ein schlechtes Gewissen, weil ich mein Leben nicht komplett aufgeben möchte, um mich um meine Familie zu kümmern.
Ich stehe (frisch nach dem Studium) ganz am Anfang meines Berufslebens, wünsche mir für die Zukunft Kinder und ein eigenes Leben. Ich habe aber Angst, dass die nächsten Jahrzehnte sehr stark unter dem Einfluss dieser Situation stehen werden. Ich bin die einzige Vertraute meiner Mutter, sie ruft oft täglich mehrere Stunden bei mir an, weil sie es eben auch nicht mehr aushält, und erzählt mir detailliert alles, was zu Hause wieder los war.
Das nimmt mich sehr mit, vor allem, weil ich ihr nicht helfen kann. Sie ist selber auch kein einfacher Mensch, und früher war mein Verhältnis zu meinen Eltern, besonders zu meiner Mutter, eher belastet.
Daher bin ich selbst seit Jahren wegen Depressionen in Behandlung.
Natürlich belastet mich, gerade bei dem frühen Beginn der Krankheit bei meinem Vater, auch die Frage, ob ich sie geerbt haben könnte (obwohl seine Eltern (ca. 90 J) und Geschwister bisher nicht betroffen zu sein scheinen).

Ich weiß, dass niemand hier mein Problem für mich lösen kann, aber ich hoffe, es gibt vielleicht noch jemanden, der so eine Situation, gerade vielleicht auch in (für ein Kind eines Erkrankten) noch relativ jungen Jahren erlebt hat und mir vielleicht ein wenig Mut machen kann.
Wenn jemand weiß, was ich meiner Mutter raten soll, weil er immer so aggressiv zu ihr wird, würde mir das auch helfen. Sie sagt inzwischen, dass sie manchmal Angst vor ihm hat, obwohl er in ihrem ganzen Leben noch nie körperliche Gewalt gegen sie (oder sonst jemanden, soweit ich weiß) gezeigt hat.
Die Frage, wie lange sie beide noch in dem Haus (an dem meine Mutter sehr hängt) zusammenleben können, steht seit dem Unfall deutlich im Raum. Mit Alternativen, die für ein Alter und sein Krankheitsbild in Frage kommen, kennen wir uns aber leider bisher nicht aus, und fachkundingen ärztlichen Rat konnten wir bislang ebenfalls nicht bekommen.

Vielen Dank an alle, die hier Anteil nehmen.

Vanessa

Kommentare

  • Hallo Vanessa,

    ich bin zwar erst 14 aber mein Vater (45 bald 46) hat Alzheimer und das wissen wir seit ich 11 oder 12 war.
    Ich versuche es mir schön zu reden aber irgendwann ist da ein Knackpunkt( z.b. Schübe der Krankheit),
    wo es einfach nicht mehr geht.Meine Mutter und mein Vater sind geschieden sind denn noch gute Freunde,aber was dein Vater hat ist wirklich schlimm.Da dein Vater noch jung ist, kannst du dich über betreute Wohnheime informieren für seine Krankheit.Man muss nur auf die Altersgruppe achten sonst baut er noch mehr ab und das willst du ja natürlich verhindern.
    mein Vater gibt sich schon auf und wir haben den fehler gemacht bzw. da wo wir Wohnen gibt es so gut keine entprechenden Wohnheime mit seinem Alter dadurch er noch mehr abgebaut hat leider .
    mein älterer Bruder (19) kommt mit der Krankheit auch nicht zurecht aber wir versuchen daraus das bestes zu machen.
    Ich hoffe ich konnte dir ein wenig helfen und lass dich nicht unterkriegen ;)

    deine Jenny
  • Hallo,

    ich bin auch neu hier. Ich bin 26 Jahre alt und meine Mama hat frontotemporale Demenz. Diese ist vor ca 3 Jahren festgestellt worden. Sie ist jetzt 55jahre alt. Und ist in zwischen in einem fortgeschrittenem Stadium. Das was du erklärst war bei meiner Mama anfangs genau so. Wir würden auch von einem Arzt/ Psychologen zum nächsten geschickt. Bis wir auf die Uniklinik in Frankfurt am Main aufmerksam gemacht wurden, dort war meine Mama zu Untersuchungen und dort haben wir erfahren das meine Mama diese Demenzart hat. Ich kann die Ärzte dort sehr empfehlen.

    Was ich dir noch dazu sagen kann, stell dich auf eine harte Zukunft ein. Es ist nicht leicht einen geliebten Menschen, so verfallen zu sehen. Bei meiner Mama ging es sehr schnell. Inzwischen kann sie kaum noch laufen und spricht fast nicht mehr. Sie ist innerhalb 1 1/2 Jahre zu einem schweren pflegebedürftigen Menschen geworden.

    Und noch was für euch als Entlastung eine Tagespflegeklinik ist eine gute Entlastung und eine gute Ablenkung für deinen Papa. Es gibt bei uns in der Nähe eine Einrichtung, diese sich Aug demenzkranke spezialisiert hat. Informiere dich einfach mal in deiner Nähe. So etwas wird immer mehr angeboten.

    Ich wünsche dir und deiner Mutter viel Kraft für die Zukunft. Wenn du noch mehr Fragen hast kannst du mich gerne kontaktieren.

    LG cindy
  • Hallo Vanessa,
    es gibt einige Möglichkeiten deine Mutter zu entlasten. Beim Landratsamt gibt es die Möglichkeit sich von einer Pflegeberaterin Tipps zu holen. Viele Altersheime bieten Tagesbetreuungen an, bei einigen Einrichtungen gibt es Demenz Gruppen für einige Stunden. Sie könnte sich auch einen ambulanten Dienst bestellen, damit sie wenigstens immer mal wieder einige Stunden für sich hat. Die Pflegekassen bieten auch Beratungen an.

    Manchmal hilft Angehörigen auch eine Selbsthilfegruppe, es tut schon gut zu hören, dass man alles richtig macht.

    Am wichtigsten ist mal eine gesicherte Diagnose. Wir waren mit meiner Mutter beim Hausarzt und beim Neurologe. Danach noch einige Tage im Krankenhaus. Könntest du mal gemeinsam mit deiner Mutter zu dem zuständigen Hausarzt?

    Ich bin 26 Jahre alt und hab meine 65 Jährige Mutter Ende letztens Jahres an die Krankheit Demenz verloren. Egal wie schlimm es war, man funktioniert.

    Ich wünsch euch viel Kraft für die bevorstehende Zeit - es wird nicht einfach. Aber trotz all dem Kummer sollte man an sich denken und leben.

    Alles Gute
    Lisa
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