Das Leben mit Renée - Tagebuch Dezember 2009

Liebe Besucher,
Dies ist das Tagebuch von Dick Borsboom über sein Leben mit seiner Frau Renée auf Quinta Parte, ihrem Traumgrundstück in Alentejo, Portugal. Weitab von allem leben sie dort völlig autark, Strom wird mithilfe von Wind- und Sonnenenergie produzier, Wasser kommt aus dem eigenen Grundwasserbrunnen und das Abwasser wird über einen Tank bakteriell gereinigt und zurück ins Grundwasser abgegeben. Internet und Telefon werden über die Luft geliefert. Dieses Grundstück haben sich die beiden vor vielen Jahren gekauft und sich dort ihr Traumhaus gebaut, mit dem Ziel, ihren Lebensabend dort zu verbringen. Das tun die beiden nun auch. 2009 sind Dick und Renée für immer nach Portugal gezogen.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dieses Tagebuch aus dem Holländischen ins Deutsche zu übersetzen. Das hat einen ganz einfachen Grund – meine Bewunderung für den Umgang zwischen Dick und Renée. Renée leidet an einer bestimmten Krankheit, die nur sehr wenig bekannt ist. Sie hat Fronto Temporale Demenz oder auch FTD genannt. Diese Form von Demenz kommt oft bei jungen Menschen vor. Erste Informationen über FTD bietet folgender Link https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/broschueren/FTD_flyer.pdf

Meine Bewunderung gilt der Tatsache, dass Dick Borsboom seine Frau vollkommen alleine pflegt und versorgt. Er hat sich mit der Krankheit und deren Verlauf über die Jahre auseinander gesetzt, sich jeder Phase neu gestellt und sein ganzes Dasein voll und ganz auf die Bedürfnisse seiner geliebten Frau eingestellt. Trotzdem zeugt sein öffentliches Tagebuch, und wer Dick kennt, weiß dass dieses keine Maske ist, von unglaublicher Positivität und einem enormen Willen. Er schreibt sich nicht nur die täglichen Grenzen von der Seele, sondern will mit seinen Erkenntnissen anderen helfen. Er tut dies über seinen Blog (http://www.meia-ontwerp.nl/quintaparte/html/logboek.html) und über die Niederländische FTD Seite (https://www.ftdlotgenoten.nl/index.php/kunena/profile/4170-dochtervan).

Es ist Dezember 2009
Unser erstes Jahr mit Quinta Parte als festen Wohnsitz. Mitte Februar sind wir aus Dalerveen abgezogen um hier in Portugal „Quartier zu machen“.
* (Zum Thema – das niederländische Konzept Kwartiermaken“ http://www.psychiatrie.de/bibliothek/buecher/gemeindepsychiatrie/kal-gastfreundschaft/)

Erstmal rausfinden, was wir hier alles regeln müssen um uns permanent hier nieder zu lassen. Anfang Mai wieder zurück nach NL um dort alle administrativen und finanziellen Dinge zu regelen. Außerdem mussten wir in Dalerveen noch einen Seefracht-Container mit unserem Hausrat zu beladen und auf die Reise schicken. Ende Juni dann die Fahrt zu unserem geliebten Quinta Parte. Den übervollen Container erwarten wir im September auf Quinta Parte.
Wir reisen „sang- und klanglos“ ab. Noch ein Jahr zuvor dachten wir, ein großartiges Abschiedsfest geben zu müssen. Aber die Zeiten und die Situation sind verändert. Die Diagnose der Krankheit von Renée hat reingehauen. Wir sind nicht soweit, mit jedem und allen darüber zu sprechen. Wir sind oft traurig und zurückgezogen. Ratschläge und gut gemeinte Meinungen können wir nicht ertragen. Wir haben, jeweils einzeln, von den nächsten Nachbarn und Freunden Abschied genommen. Das waren merkwürdige und denkwürdige Zusammenkünfte. Den Geburtstag von Renée feiern wir auf Quinta Parte in strahlender Sonne. Gemeinsam genießen wir.

Wir haben unseren 5. und letzten Lebenszyklus angefangen:
1. Baby / Kleinkind
2. Junger Mensch
3. Junger Erwachsener mit kleinen Kindern
4. Die Zeit nach dem 45. Lebensjahr
5. Die Rentenzeit (pensão)
Bezeichnend, um dann auf Quinta Parte (das fünfte Teil) zu wohnen.

Mitte Oktober kommt endlich unser Container mit dem Hausrat aus den Niederlanden an. Zwei Wochen lang schleppen. Renée ist physisch nicht zu überbieten. Jetzt ist es Mitte Dezember. Wir sind bei Alda und Arturi zu Besuch. Die beiden wohnen etwa 3 Kilometer von uns entfernt und sind unsere nettesten und fast einzigen Nachbarn. Kleinbauern mit 12 Kühen und einem Stier. Sie haben keine Toilette, keine Küche, kein fließendes Wasser, keine Elektrizität, einfach nichts von all dem. Wir sind gute Freunde geworden. Maria, eine andere Nachbarin, die an der anderen Seite wohnt, etwa 4 Kilometer von uns entfernt, hat viele Tiere, größtenteils Schweine. Maria war auch bei Alda zu Besuch. Zwei rapido (schnell), portugiesischen Dialekt sprechende ältere Frauen, davon kann man nichts verstehen. Alda und Arturi hatten wir bereits für das Weihnachtsessen eingeladen, zusammen met Tjarda und Marc. Sie wissen, dass Tjarda, Marc, Zilver und Lux bei uns zu Gast sind.(Tjarda ist die Ältere der beiden Töchter von Dick und Renée). Alda hatte gleich einen Vorschlag. Nach einem unverständlichen Geplapper mit Maria, sagt sie dass sie einen peru (Truthahn) von Maria kaufen wird. Einen großen von wohl 12 Kilo. Wir hatten noch nichts geplant, also schien uns das sehr passend.

Ein paar Tage später kam Maria mit einen lebenden Truthahn auf der Ladefläche ihres kleinen Transportwagens, ein riesen Tier. Mit noch einem Sack Mais, um das Tier noch ein paar Tage das Leben genießen zu lassen. So hatte ich die Lieferung nicht erwartet. Was nun?

Wir wieder zu Alda und Arturi, um die zu fragen, ob sie den peru mit uns und für uns schlachten. Es war ja immerhin auch für ihr Weihnachtsessen. Zilver war völlig aufgeregt über das große lebende Tier. Wir haben den peru im Container eingesperrt, einen Topf Wasser und einen Topf Mais dazu. Am folgenden Morgen haben wir den peru an einem Seil „frei“ laufen lassen. Im Laufe des Vormittags kamen Alda und Arturi. Schnell wurde der Schlachtplatz bestimmt, unter dem Vordach vor unserem Haus. Arturi hat immer ein Taschenmesser bei sich, damit macht er alles. Sein Brot schneiden und schmieren, seine Zähne reinigen und und und. Mit genau diesem Messer hat er dem Truthahn die Kehle durch geschnitten. Glücklicherweise hat er das in der Nähe des Containers gemacht, zusammen mit Alda. In einer großen Plastikwanne schleppten sie den toten Truthahn an. Auf den Tisch eine Wanne mit warmem Wasser, für das Federn. Marc, Alda und Arturi. Zilver auf einem Stuhl mit der Nase mittendrin. Das Federn war eine Heidenarbeit und geschah sorgfältig. Danach das Zerlegen des Tieres. Arturi immer noch mit seinem Taschenmesser. Alle Arbeiten verliefen so natürlich und schienen Arturi einfach von der Hand zu gehen.
Jetzt da ich das so beschreibe, begreife ich es auch. Wir haben inzwischen 3 Hausschlachtungen von Schweinen mit gemacht und wir realisieren uns, dass bei A&A wohl alle zwei Wochen ein Hühnchen in die Pfanne geht.

Der Truthahn war schlussendlich perfekt geschlachtet und sah auch sehr gut und hygienisch aus, nur den Geruch fand ich unangenehm.
Die Arbeiten von A&A waren fertig. Noch einen Schluck und sie gingen wieder zu ihrem Bauernhöfchen, um am späten Abend für die Festmahlzeit zurück zu kehren. Marc und Dick haben den Truthahn gefüllt, mit vielen besonderen Zutaten und dem Fett vom Truthahn. Das letztere hätten wir besser sein lassen. Das Festvieh haben wir zugenäht, es sah aus wie eine medizinische Operation. Gegen 10 Uhr am Abend kamen Alda und Arturi wieder an, jetzt ordentlich und adrett gekleidet. Mitten in der Nacht saßen wir dann an der Weihnachtsmahlzeit, einem 12 Kilo schweren peru, gefüllt, also noch mehr Kilos. Der Geschmack war ein Reinfall. Das Truthahnfett viel zu mächtig und schwer im Geschmack. Nachdem wir alle ein Stück vom Truthahn gegessen hatten lagen noch sicher 10 Kilo Fleisch und Fett auf dem Tisch.
Am nächsten Tag, dem ersten Weihnachtstag haben wir den Rest, 10 Kilo, zu A&A gebraucht. Die haben bestimmt noch eine Woche davon gegessen. Wir haben Endivienstampftopf gegessen (eine Niederländische Herrlichkeit „Stamppot rauwe andijvie“).

Wir, Renée und Dick, haben nie wieder peru gegessen, schon vom Geruch wird uns übel.
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