Ich weiß nicht weiter...

Hallo,
ich bin neu hier und weiß gar nicht wo ich anfangen soll.

Mein Vater hat Alzheimer, diagnostiziert Ende März... eigentlich war es aber schon seit 2017 klar, dass er dement ist.. er hat sich nur geweigert zum Arzt zu gehen und meine Mutter die mit ihm zusammen lebt, hat ihn zwar Stück für Stück zu kleineren Untersuchungen gekriegt, aber da gab es immer keine Diagnose.

Die Diagnose kam nach 3 katastrophalen Wochen in denen meine Mutter nicht da war und mein Vater von Tag zu Tag weniger zurechtkam.

Mein Vater gehört wohl zu einem von vier Alzheimerpatienten (ich weiß nicht ob die Zahl so wirklich stimmt) der Wahnvorstellungen entwickelt.. bei meinem Vater beziehen sich diese alle auf Sex.. dass ist für mich als Tochter doppelt schwer zu ertragen, wenn mein Vater mir plötzlich erzählt welche Frauen er alle f***** möchte (f***** ist sein neues Lieblingswort) und sauer wird, wenn ich versuche vorsichtig verständlich zu machen, dass das nichts ist was ich mit ihm besprechen möchte. Na gut dafür kann er ja nichts, aber es macht mir sehr zu schaffen...

Nachdem meine Mutter wieder da war, wurde es eine Weile besser, sie sind endlich zu einem Neurologen, es gab nach 6 Wochen auch eine Diagnose und Medikamente..

Seit zwei Wochen sind die Wahnvorstellungen wieder da... von jetzt auf gleich.. meine Mutter die sich mit der Diagnose auch schwer tut und ihren Mann zurück will, hat das alles sehr langsam verfolgt "die Ärztin hat ja gesagt, dass wird jetzt dauern durch die Medikamente und alles auch nur schleichend schlechter".

Dementsprechend gibt es zwar einen Antrag auf einen Termin bzgl Pflegestufe, aber keine Pflegestufe bisher... es zieht sich..! Und nach einem Telefonat mit der Stelle die die Pflegestufe vergibt wird das wohl auch noch dauern.

Seit die Wahnvorstellungen wieder da sind, folgt eine Katastrophe auf die Nächste. Mein Vater der sich splitterfasernackt auszieht.., sich nackt auf den Küchentisch stellt, mit der Intention, dass die Nachbarinnen ihn sehen... mein Vater der zum Polizeirevier nebenan geht und erzählt meine Mutter will ihn vergiften...

Mich überfordern diese Wahnwelten.. mit einem hilfsbedürftigen Papa könnte ich noch umgehen, aber dass alles ist zu viel.

Es ist inzwischen klar, man kann ihn nicht mehr aus den Augen lassen, nicht für 5 Minuten... es geht einfach nicht.

Meine Mutter möchte sich weiter um ihn kümmern... ich weiß klar, ich bin an einem Punkt wo ich es psychisch nicht mehr leisten kann.. ich habe selber zwei kleine Kinder, die durch Corona auch gerade noch Zuhause sind, ich habe einen Job und auch so.. er war neulich zwei Stunden hier, damit meiner Mutter einen Arzttermin wahrnehmen kann.. es ist alles gut gegangen, aber ich konnte meine Kinder nur vor den Fernseher setzen, da meine ganze Aufmerksamkeit für meinen Vater gebraucht wurde...

Meine Mutter hat gestern erfahren, dass sie wieder an Krebs erkrankt ist.. nicht sofort behandlungsbedürftig aber in absehbarer Zeit, meine Oma liegt im Sterben.. der Anruf kam gestern Abend und mein Vater dreht völlig durch.. alle paar Minuten was Neues.

Meine Mutter sagt klar, dass sie sich hilflos fühlt und ihr alles zuviel ist, aber sie will nicht, dass er in eine Einrichtung kommt, sie will das schaffen... meine Mutter ist auch die Person die notariel die Entscheidungsberechtigung hat...

Ich weiß nicht mehr weiter.. ich bin gerade frisch schwanger, mir ist den ganzen Tag schlecht und schwindelig.. und es ist alles viel zu viel zu viel zu viel!!

Ich möchte so gerne, dass wir gemeinsam nach einer Einrichtung suchen, wo mein Vater leben kann... ich denke einfach wir sind an einem Punkt wo es so nicht mehr geht...
Ich denke es würde soviel helfen... vielleicht auch etwas wo sie zusammen wohnen können, ich weiß nicht ob es sowas gibt. Ich verstehe meine Mutter ja, aber es ist zuviel. Sie wird mit meinem Vater nicht Mal auf die Beerdigung ihrer Mutter gehen können (die in einer anderen Stadt stattfinden wird)... ich kann einfach nicht auf ihn aufpassen... ich gehe daran kaputt und bei dem was er kommuniziert und tut habe ich auch das Gefühl meine Kinder schützen zu müssen... es ist einfach keine Option.. ich kann das nicht leisten. Ich liebe meinen Vater und möchte, dass es ihm so gut wie möglich geht, aber ich habe Angst... Angst auch noch meine Mutter zu verlieren, wenn das so weitergeht... und Angst selbst daran zu zerbrechen..!


Ich bin völlig überfordert..


Ich fühle mich gleichzeitig auch schlecht, dass ich möchte, dass meine Mutter sich endlich entscheidet in Ruhe zu gucken was es so gibt an Einrichtungen (jmd Fremden in der Wohnung der mit einzieht und hilft will sie auch nicht), aber sie möchte das nicht... Sie sagt immer irgendwann wird sie das auch, aber nicht jetzt... gleichzeitig sagt sie, sie kann nicht mehr und es ist alles so schrecklich.

Hat jmd Erfahrungen mit so einer Situation... ich möchte einfach erreichen, dass sie sich damit befasst und wir gemeinsam und in Ruhe suchen.. jetzt.. nicht erst, wenn sie einen Nervenzusammenbruch hat und dann sofort eine Lösung her muss.. sowas dauert ja sicher auch :/.

Danke für's Zuhören...

Butterblume

Kommentare

  • Hallo Butterblume,

    solch ausgeprägte und anscheinend auch andauernde Wahnvorstellungen sind für Alzheimer tatsächlich ungewöhnlich. Wie alt ist dein Vater denn? Das klingt für mich eigentlich eher typisch für eine fronto-temporale Demenz … bzw. kommt so ein Wahn bei Alzheimer an sich erst in späten Stadien vor und betrifft auch eher andere inhaltliche Themen. Aber egal, welche Form das nun ist, er muss meines Erachtens besser medikamentös eingestellt werden! Denn ich denke, dass sich das damit abmildern lässt.

    Deine Gedanken und Sorgen finde ich alle absolut nachvollziehbar!! Und ich finde, du hast einen sehr guten und "gesunden" bzw. realistischen Blick auf die Situation. Denn ich halte deine Einschätzung, dass dein Vater in eine spezialisierte Einrichtung muss, für den (leider) einzig richtigen Weg.

    Nach meiner Erfahrung brauchen Angehörige oft eine längere Zeit, um sich das einzugestehen. Und da auch alles sehr viel war für deine Mama in letzter Zeit (und auch das Heim wieder eine neue Situation für sie wäre), denke ich, dass sie wahrscheinlich noch nicht an diesem Punkt der Einsicht ist.

    Vermutlich wird es noch ein paar Gespräche mit dir brauchen (ich hoffe für dich ganz stark, dass es nicht allzu viele sind), bis sie einlenkt. Ich würde ihr an deiner Stelle auch wiederholt ganz klar sagen, dass du dir große Sorgen um sie machst (berechtigt!), denn die Situation ist einfach zu extrem.

    Vielleicht kannst du sie auch fragen, was genau sie von der Heimsuche abhält (was sind ihre Sorgen, Annahmen, Befürchtungen?). Du kannst ihr auch sagen, dass ihr mit deinem Vater wieder "Qualitätszeit" haben könnt, wenn ihr ihn besucht, weil die Situation für alle Entlastung bringt.

    Auch dein Punkt, dass es sicherlich Zeit brauchen wird, ist sehr richtig. Daher könntest du deiner Mama auch sagen, dass ihr euch Einrichtungen erst einmal ganz unverbindlich ansehen könnt, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Auch sich auf die Warteliste schreiben zu lassen, ist zunächst ganz unverbindlich. Vielleicht nehmen ihr diese Punkte ein wenig den innerlichen Druck.

    Ich hoffe, dass sich die Situation für euch bald ein wenig verbessern und entspannen kann!

    Viele Grüße!
  • Hallo,

    so schlimm ist es beim meinem Vater noch nicht. Aber die Einstellung deiner Mutter kommt mir bekannt vor. Meine Mutter ist 78 und lebt allein mit meinem Vater. Er erkennt sie immer öfter nicht. Vor allem abends ist es schlimm.

    Wenn ich mit ihr darüber rede, einen Arzt mit ihm zu besuchen, hat sie lange abgeblockt. Jetzt endlich lässt sie es zu und ich kann nach einem Termin suchen. Bzw. habe einen bekommen. Aber erst für März 2021.

    Ich merke, wie weh ihr das mit Papa tut. Und ich würde gerne helfen, aber wenn er wieder einen "Schub" habt, glaubt er weder ihr noch mir und er vertraut dann keinem.

    Ich habe mich informiert, beraten lassen und viel gelesen. Und all das auch Mama dann weitergegeben/erzählt. Wirklich zuhören tut sie dann nur selten. Sie will sich nicht wirklich damit befassen. Was ich teilweise ja auch verstehe. Wenn gerade Ruhe ist, will sie die Zeit mit Papa lieber genießen. Bis zum nächsten Schub.

    Auch über Pflege oder Heim haben wir bereits gesprochen. Bzw. ich habe es angesprochen, dass es irgendwann notwendig sein wird. Und habe ihr auch mehrfach gesagt, dass sie auch auf sich schauen muss. Denn bei aller Liebe, die sie für Papa hat, bringt es weder ihm noch ihr etwas, wenn sie sich aufarbeitet und selbst daran zerbricht.

    Wirklich wissen will sie von alldem nichts. Für sie gibt es nur eine Lösung: ich soll wieder in ihre Nähe ziehen. Aktuell wohne ich 1 Std und 15 Minuten von ihnen entfernt.

    Wie geht es dir denn inzwischen? Und habt ihr eine Lösung gefunden?

    Fühl dich gedrückt,

    Lilly
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