erhöhter Pflegebedarf eines bisher alleine wohnenden Menschen

Guten Tag,

bis vor kurzem wohnte mein 91-jähriger Schwiegervater alleine im eigenen Haus mit Garten, auf 2 Etagen - mit Treppe zwischen Wohn- und Schlafzimmer. Mit ein wenig Unterstützung im Haushalt und Garten, einsortierten Medikamenten sowie mit seinem Papierkram lief es auch einigermaßen.

In kurzer Zeit/über wenige Wochen mussten wir dann feststellen, dass die Medikamenteneinnahme sehr unregelmäßig erfolgt und dass er einige Dinge durcheinanderwirft, und alle paar Tage kippt er um und ist manchmal voller blauer Flecken. Dies verheimlicht er dann, und wenn er ins Krankenhaus kommt entlässt er sich auf eigene Gefahr vorzeitig. Ein Gespräch mit dem von ihm sehr geschätzten, aber generell relativ unkommunikativen Hausarzt, das mein Mann (hat eine Generalvollmacht) und ich gesucht hatten, um zu sehen, wie wir den Schwiegervater am besten versorgen ohne ihn ungebührlich zu bevormunden, ergab: etwas mehr Versorgung, z.B. durch Pflegedienst oder auch mal Tagespflege.

Bevor wir dies umsetzen konnten, bekamen wir einen Anruf vom Pflegedienst (kamen 2xWoche zum duschen, mehr wollte der Schwiegervater nicht) wegen einer entzündeten Beule am Gesäß. Der Pflegedienst berichtete ebenfalls von der Verschlechterung des Zustands seit Mitte Dezember und riet uns, den Hausarzt um Überweisung in ein Krankenhaus zu bitten, um Krankheiten auszuschließen/die Beule ggfls. behandeln zu lassen, und mit Kurzzeitpflege zu ergänzen, um ihn aufzupäppeln.

Mein Mann und ich wohnen nicht vor Ort, Fahrtzeit hin- und zurück ist ca. 2.5 Stunden, d.h. im Durchschnitt ist einmal die Woche machbar, aber nicht häufiger.

Im Krankenhaus stellte man einen handtellergroßen Abszess fest, es gab eine OP noch in der Nacht und in den folgenden 10 Tagen weitere OPs zum Wechsel der Drainagen. Nur mit Not konnten wir den Schwiegervater im Krankenhaus festhalten - er hätte sich am liebsten alle Drainagen einfach rausgerissen und wäre nach Hause gegangen. Es ist uns gelungen, ihn im Anschluss zur Kurzzeitpflege zu überreden und haben sehr großes Glück gehabt, dafür einen Platz in einem Heim zu finden, das nicht nur lediglich 10 Minuten von uns entfernt ist, sondern eine schöne Atmosphäre hat, freundliche Pfleger, sehr gutes Essen, und fröhlich wirkende Senioren.

In der Kurzzeitpflege haben wir den Schwiegervater fast täglich besucht, teils zum Mittagessen und um ihn zu Aktivitäten zu begleiten/zu motivieren. Dabei haben wir festgestellt, dass die Wahrnehmung über die eigenen Möglichkeiten alles andere als klar sind und dass viele Dinge durcheinandergeworfen werden. Mal mehr, mal weniger. Auch haben wir im Haus ein wenig bei den Lebensmitteln aufgeräumt (sehr viel Schoki, Plätzchen und ein paar Konserven, Wurstscheiben offen im Kühlschrank liegend, und ganz vieles, was bereits vor Jahren abgelaufen war).

Die Einschätzung des Pflegedienstes: er braucht eine 24-Stunden-Pflege oder einen Heimplatz; der Arzt ist weniger festgelegt, ist aber gegen Pflegeheim eingestellt (dies würde aber auch den möglichen Verlust eines Privatpatienten bedeuten, den man wöchentlich auf der Heimfahrt besucht und dem man reichlich hohe Rechnungen schreibt).
Wir denken ebenso, dass intensive Unterstützung erforderlich ist, weil wir nicht möchten, dass der Schwiegervater sich selbst weiter vernachlässigt und dadurch sich schädigt. Er selbst ist positiv demgegenüber - aber nun beginnt unser Problem:

Schwiegervater wohnt alleine in einem Haus; aufgrund der Lage und unserer Arbeit können wir ihn dort nicht oft besuchen. Er möchte aber gerne dort bleiben, obwohl er fast alle Freunde und Verwandten dort überlebt hat und jeder Anruf beginnt mit 'was willste machen, bin halt den ganzen Tag alleine'. Er nimmt die Defizite in der eigenen Versorgung nicht wahr und sieht auch kein Problem darin, abwechselnd Plätzchen, Kuchen und Tomatensuppe aus Pulver oder aus Dosen zu essen. Ebensowenig sieht er ein Problem in der Treppe. Er denkt, bessere Betreuung wäre gut, weil er dann nicht so alleine ist, sieht es aber mehr wie eine Bedienung, die er dann herumkommandiert.

Der Arzt weiß, dass wir seine Medikamente einsortieren, weil die Einnahme sonst gar nicht klappt; wir bestellen die Medikamente nach und bekommen die Rezepte direkt zu uns geschickt. ABER: wenn so was ist wie mit dem Abszeß, schreibt der Arzt ein Rezept und gibt es dem Schwiegervater, ohne dass wir irgendetwas davon wissen = uns nicht darum kümmern können, dass er das Medikament hat und es auch nimmt. Daher wurde das Antibiotikum nicht einmal beschafft ...
Also sehr schlechte Kommunikation, aber eben der Arzt des Vertrauens meines Schwiegervaters.

Wir haben nun das Problem: geht so was wie 24-Stunden-Pflege in dieser Situation? Reicht es dazu aus, wenn wir so selten da sind? Kriegen wir das mit der fehlenden Kommunikation zum Arzt, mit der Organisation um Haus und Garten, einer gesunden Ernährung (Plätzchen als Nachtisch wären ja ok :-) ) hin, oder ist 24-Stunden-Pflege mehr für jemanden im selben Haus oder zumindest in der Nähe?

Kosten von 24-Stunden-Pflege plus Haushalt/selbstgenutztes Haus sind sicher nicht sehr viel günstiger als ein Heim, und das Heim wo er aktuell in Kurzzeitpflege ist, haben mein Mann und ich als Segen wahrgenommen. Häufige schnelle Besuche, guter Kontakt, Information über Arzttermine und Therapie, das Heim besorgt was benötigt wird.

Gleichzeitig zögern wir aber, weil der Schwiegervater gerne nach Hause möchte. Was tun? Hat jemand von euch Erfahrung mit solchen Situationen? Vorerst werden wir die Kurzzeitpflege bis Ende März verlängern, damit wir ein wenig mehr Zeit haben für die Entscheidung, aber vor allem auch, damit wir eine mögliche Alternative zum Heim organisieren können.

Kommentare

  • Hallo Mariw,
    meine Situation war ähnlich, allerdings war meine Mutter an einer Demenz erkrankt. Bei Ihrem Schwiegervater gibt es ja eine solche Diagnose noch nicht (oder nur Hinweise?)
    Meine Erfahrung ist, dass bei einer Demenz eine 24h-Hilfe endlich ist, vor allem, wenn man selbst nicht vor Ort sein kann. Ich habe regulär eine solche Hilfe engagiert und das kostete mich unter dem Strich mehr als ein gutes Pflegeheim (2700€ gegen 2400€). Und es blieb sehr viel Entscheidung und Fahrerei (noch weiter als bei Ihnen).
    Am Ende habe ich meine Mutter in ein Pflegeheim bei mir um die Ecke geholt. Am Ende ihres Lebens will ich sie wenigstens täglich kurz sehen können. Das Heim regelt alles gut und entlastet mich wirklich.
    Versuchen Sie folgendes:
    1. klären, ob eine Demenz vorliegt, die sich ggf schnell verschlechtert (wohl eher nicht über den merkwürdigen Hausarzt, vielleicht ein Konzil jetzt im Krankenhaus?)
    2. lässt Ihr SchwiVa Hilfe zu durch eine fremde Person? Bei meiner Mutter war das nämlich nicht so. Falls ja, dann könnte das noch eine Weile tragen (wenn sie jemand finden, der passt. Es kommt immer ein Mensch. Bei mir kam einmal eine Alkoholikerin).

    Ich habe immer gehofft, dass meine Mutter noch daheim sterben könnte. Leider war ihr das nicht vergönnt.
    Alles Gute für Sie und Ihre Familie!
  • Hallo Jutta,

    danke für Deine schnelle Antwort.

    Was die Demenz angeht, hoffe ich, dass die Untersuchungen zur Einstufung in die Pflegeklasse hier weiterhilft sowie die Ärztin im Pflegeheim und die Pfleger. Notfalls müssen wir noch einen weiteren Arzt hinzuziehen.

    Leider lese ich aus Deiner Mail eine Bestätigung meiner Vermutung heraus, dass 24-Stunden-Pflege nicht unbedingt die Entlastung bedeutet, die ein Heim geben kann. Auch wenn es vielleicht "nur" altersbedingte Probleme bei der Bewältigung des Alltags wären und keine Demenz: es klappt schon jetzt vieles gar nicht mehr ohne Hilfe (wie die Unterscheidung eines wichtigen Briefes von Werbung). Ein Problem bei der 24-Stunden-Hilfe könnte sein, dass er sich als Chef fühlt, was heikel ist, weil das Urteilsvermögen nicht mehr so toll ist, und er die Pflegeperson nicht mehr akzeptiert, sobald sie nicht nach seiner Pfeife tanzt.

    Auch können wir uns nicht mehr auf Schwiegervaters Urteil verlassen, ob etwas gut funktioniert oder nicht. Momentan ist "gut" alles, was er schafft und wo er mit seinem Willen durchkommt und "schlecht" oder "kaputt" alles, was ihm widerspricht oder mit dem er nicht zurechtkommt. Z.B. er kommt mit seinem Telefon nicht klar = es ist kaputt, er kauft ein neues => er kommt auch mit dem neuen nicht klar = "da habe ich mich schlecht beraten lassen, das taugt nicht" => er kauft ein neues. Mit dem Seniorenmobiltelefon kommt er nicht klar => er kauft ein Smartphone (!). Natürlich kommt er damit nicht zurecht, jetzt will er eine andere Marke Smartphone.

    In der Vergangenheit hatte er immer jemanden, der ihm den Garten macht und mit ihm zu Besorgungen fährt, der sollte ihm dann immer die neuen Geräte programmieren, erklären - gegen großzügige Bezahlung, natürlich. Eine dieser Personen war vernünftig genug, ihm die ständigen neuen Geräte auszureden, aber dann geht er selbst ins Geschäft und kauft sich das. Lediglich einen Fernseher kann er bedienen - bringt aber regelmäßig die Fernbedienung durcheinander, so dass es wieder jemand neu einrichten muss ...

    Eine 24-Stunden-Pflege müsste auch alle diese Auswüchse - natürlich mit Rückendeckung durch uns - im Griff haben. Andernfalls müssten wir ständig wieder Feuer löschen - eine Situation, von der ich befürchte, dass sie unsere Kapazitäten langfristig übersteigt.

    Die aktuelle Situation hat schon zu extremem Bluthochdruck, einer längeren Krankmeldung und schließlich einer Gürtelrose bei mir geführt ... also ist etwas mehr Schonen angesagt.

    Auf jeden Fall danke für Deinen Beitrag!

    Viele Grüße

    Mariw
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