Kurzzeitpflege - Richtig oder nicht?

Hallo zusammen,

nach einem plötzlichen Krankenhausaufenthalt meines dementen Vaters habe ich beschlossen, ihn in Kurzzeitpflege zu geben bis das Badezimmer und das Schlafzimmer im Haus seiner Lebensgefährtin so umgebaut sind, dass er weiterhin bei ihr wohnen kann. Ich habe die letzten 2 Wochen an der Seite meines Vaters im Krankenhaus verbracht mit emotionalen Achterbahnfahrten. In den letzten Tagen hatte sich sein Zustand gebessert, er wurde schmerztherapeutisch behandelt und hat mir zugestimmt, dass er in seinem momentanen körperlichen Zustand nicht in der Lage ist, zu seiner Lebensgefährtin zurückzukehren. Auf Anraten des Geriatrikers habe ich Fotos des Pflegeheims gezeigt, immer wieder erklärt, warum. Heute habe ich ihn ins Pflegeheim gebracht, sehr nettes Zimmer, schön gelegen, angenehme Atmosphäre. Mein Eindruck war, dass wir wirklich Glück gehabt haben. Er ist komplett ausgerastet und droht mit Selbstmord, etc etc. Mein Argument, dass es vorübergehend ist, bis die Umbauten gemacht sind, hört er nicht. Gestern wusste er übrigens nicht mehr, dass er seit 15 Jahren mit seiner Lebensgefährtin zusammen ist und hat sie auf Fotos nicht mehr erkannt.

Ich bin emotional total ausgelaugt. War das richtig? Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Alle Ärzte und auch der Sozialdienst der Klinik raten mir, ihn komplett in ein Pflegeheim zu geben. Ich würde ihm aber gerne die Möglichkeit geben so lange wie möglich mit seiner Lebensgefährtin zusammen zu sein.

Vielen Dank für euer Feedback,
Sonja

Kommentare

  • Hallo!

    Mittlerweile sind fast 4 Wochen nach Ihrem Eintrag hier vergangen. Ich habe mich erst heute Nacht, wegen ähnlicher Zustände hier angemeldet. Nur bin ich vielleicht einen halben Schritt weiter, wie Sie.

    Wenn Ihr Vater wegen einer anderen Erkrankung, ausser der Demenz im Krankenhaus war, und danach nicht wieder in seine gewohnte, häusliche Umgebung zurück kehren konnte, dann verstehe ich nicht, warum das KH nicht zunächst einen Aufenthalt in der Geriatrie des Krankenhauses vorgenommen hat. So hätte man 2-3 Wochen kurähnliche Betreuung für ihn erwirken können, ohne dass es für Sie, oder Ihren Vater zu ersten Kosten gekommen wäre. Danach hätte er sich vielleicht körperlich besser gefühlt und eine ambulante Tagespflege (morgens Abholservice, abends Rückbringservice) wäre eine Folgealternative gewesen, die Sie über die Zeit der Badrenovierung hinweg geholfen hätte.(Der Antrag auf Zuschuss zur Badrenovierung bei der Krankenkasse läuft hoffentlich)

    Das Jammern und Kritisieren kenne ich aber auch von meiner Mutter. Als sich herausstellte, dass sie tagsüber keine Minute mehr unbetreut und unbeaufsichtig mehr bleiben konnte und mein Mann schon unendlich viele Minusstunden in der Firma hatte, habe ich beschlossen, sie zumindest vorübergehend, in die ambulante Tagespflege mit Demenzschwerpunkt zu geben.
    Dort hat es ihr nach meinen Beobachtungen und nach Angaben der Einrichtung richtig gut gefallen, hatte sie doch nun wieder ihre "grosse Familie", die wir 3(Mann, Tochter, ich) ihr nicht bieten konnten.
    Wenn mein Mann meine Mutter abends(16:15) abholte, sie wurde nur Morgens von den Maltesern abgeholt, dann war sie immer munter im Gespräch mit anderen Einrichtungspatienten. Sobald meine Mutter meinen Mann sah, ging es los:
    Tränen, Wut, Vorwürfe, Jammern, teilw. im Auto schon aggressives Verhalten und wüste Beschimpfungen.
    Tagsüber in der Einrichtung ging es ihr gut. Es wurde gekegelt, geschminkt, friesiert, gesungen, gebastelt. Sobald wir als Angehörige kamen, besonders wenn sie am Wochenende wieder bei uns war: Theater ohne Ende. "Du willst mich abschieben. Ich geh' da nie wieder hin. Da sind nur Bekloppte. Mit niemandem kann man reden. Ich bekomme gar nichts zu Essen und zu Trinken. Ich kann gar nicht von zu Hause fort, sonst wird alles gestohlen, der Kühlschrank leergeräumt, ausserdem habe ich so viel zu tun: Putzen, Waschen und für euch alle kochen!"(alle = mein 2000 verstorbener Vater, meine 1991 verstobene Oma, ich, der Hund)
    Wir waren geschockt. Ich blieb einen Tag als unaffälliger Beobachter/Praktikantin.
    Meine Mutter amüsierte sich im Rahmen ihrer geistigen Möglichkeiten prächtig. Hatte sofort eine Freundin gefunden und einen frühreren Schulkamaraden wieder gefunden, dazu identifizierte sie einen Pfleger als ihren Bruder(+2007).
    Aber wehe ich tauchte auf! Drama ohne Ende.

    Es ist also normal, dass Ihr Vater so redet. Es ist die Eingewöhnungsphase und die Krankheit an sich.

    Was Sie eher überdenken sollten:
    Demenz verläuft in Schüben. Es kann sein, dass die Badrenovierung noch nicht ganz abgeschlossen ist und Sie erkennen, dass es auch mit dem behindertengerechten Bad in der Wohnung und in der Lebensgemeinschaft, nicht mehr funktioniert. Plötzlich kommt der Moment, bei uns waren es 3,5 Jahre, bis "es" nicht mehr geht.

    Vielleicht sollten Sie schon heute darübber nachdenken, Ihren Vater langsam an ein neues Zuhause zu gewöhnen. Die Tagespflege würde sich anbieten. Tagsüber ausser Haus, nachts in gewohnter Umgebung, dazu am Wochenende, wenn Sie und Ihre Familie mehr Zeit aufbringen können.

    Bei meiner Mutter hat das Klagen und aggressive Drohen nicht aufgehört, obwohl ich weiss, dass es ihr sowohl in den 3 Wochen der Tagespflege und jetzt in einem Pflegeheim für Demenzkranke, sehr gut geht.
    Die Kranken projizieren den Frust über ihre nachlassenden geistigen Kompetenzen oft auf einen sehr nahestehenden Angehörigen, wie uns der Sozialarbeiter erklärte. Im Fall meiner Mutter bin ich das. Ich werde beschimpft, vulgär bedroht, wenn ich nicht aufpasse auch geschlagen.
    Das erscheint ungerecht, weil wir doch alles für unsere Eltern tun. Aber sie können eben nicht mehr anders und nehmen unser Leid auch nicht mehr wahr. Irgendwann geht die "Funktion" der Empathie buchstäblich kaputt.
    Meine Mutter interessiert es heute nicht im Geringsten, ob ich (Schwebehindert/100%Erwebsminderungsrente) mal wieder im Krankenhaus bin, mein Mann eine Zahn-OP hat, oder unsere Tochter Alpträume und nach allem Drama, schlechte Schulnoten hat.

    So bitter wie das klingt. Menschen mit Demenz leben im absoluten Hier&Jetzt. Sie können nur noch die aktuell letzten 1-2 Minuten erfassen. Sie haben in diesen Minuten schöne Momente und schlechte. Aber die schlechten heben sie für uns auf.

    Ich hoffe, Sie finden weiterhin die Kraft, sich zusammen mit allen Beteiligten um Ihren Vater zu kümmern. Zumindest so lange, wie es für Sie möglich ist. Bitte lassen Sie sich nicht verheizen, so wie wir es getan haben.

    LG
  • Wie traurig, liebe Lynnie, was Sie schreiben. Und ich mache ähnliche Erfahrungen. Das allerdings mitzuerleben, fällt meinem Vater und mir sehr schwer. Abgesehen davon ist es das auch. Mir gefällt die Formulierung von Ihnen, im "hier und jetzt" gibt es noch schöne Momente, und die genießen, solange es möglich ist. Denn der weitere Punkt wird irgendwann sein, dass die Kinder vielleicht auch nicht mehr erkannt werden.
    Mir wurde gesagt, dass es noch weiter abwärts gehen wird und noch viele traurige Entscheidungen zu treffen sein werden. Davor habe ich Angst und ich weiß, ich bin die einzige Tochter, dass es mir nicht erspart bleibt. Es sei denn, sie geht von dieser WElt. Und das wird vermutlich noch länger dauern. Bis dahin hoffe ich auf jeden kleinen Moment, der schön ist mit ihr. Denn mit Freunden/Bekannten hat sie das noch. Ist eben auch eine gute SChauspielerin, immer wieder darf ich das feststellen ;-)
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