Klammern und Jammern

Hallo, ich bin neu hier und ich erschrak, als ich dieses Forum betrat, wenn ich dazu noch Statistiken anschaue, kann ich mir fast ausrechnen, ob ich (weibl. 52 J, selbst in den vergangenen 15 Jahren physisch und psychisch sehr geschädigt), nicht auch an Demenz erkranke. Tolle Altersaussichten. Mein Problem: mein Vater, 84 J, bekam erst im Mai d.J. die ersten Anzeichen. Ansonsten hat er einen seltenen Krebs im Arm und diverse andere Alterserscheinungen. Im Mai fiel er plötzhin hin, weil er vergaß zu laufen. Seitdem geht es Woche für Woche weiter. Außer nachts ist er fast nie allein, meine Cousine hilft mir bei der Körperpflege und im Haushalt. Abends bekommt er Trimipramin 100 und Haloperidol, sein Hausarzt ist nicht sehr kooperativ. Außerdem bekommt er 2 Trinkflaschen (die er vor Wut ins Bett kippt, wie er sie allerdings aufbekommt, ist mir ein Rätsel) ans Bett, die Gitter werden hoch gemacht, er trägt Pampers. Das abendliche Ritual: Vater, du kannst ruhig schlafen, wir gehen auch schlafen, du musst nicht klingeln (Hausklingel, die ich allerdings nachts deaktiviere, weil er sie wegen irgendeinem Peanuts "mißbrauchte" und mich so 4-5 mal aus dem Bett klingelte), alles ist in Ordnung! Kommt man morgens (meist 7.30 h)ins Zimmer, ist er schon geladen, weil wir ihn noch nicht aus dem Bett geholt haben. So geht das bis abends weiter, nur Vorwürfe, Weinen, Meckern und Klammern. Wenn er früher, vor seiner Erkrankung, Mitagsschläfchen hielt, sitzt er heute im Sessel auf Lauerstellung, dass man ja nicht das Zimmer verläßt. Was natürlich nicht geht, wer hält diesen Stress schon 12 Stunden aus? Wenn es mir zu viel wird, schimpfe ich - aller Literatur zum Trotz, aber man ist ja auch nur ein Mensch - mit ihm, dann ist mal für eine Zigarettenpause o.k., bei nächster Gelegenheit geht alles wieder von vorne los, wie schlecht er behandelt würde und er ginge ins Altenheim, was natürlich Kokolores ist, aber ich denke, damit will er mir eine "tunken" und anderen Menschen zeigen, wie schlecht es ihm geht. Wenn ihn allerdings jemand besucht, meckert er auch, das ist ihm zuviel, er meint zum Besuch, es seien Schwätzmaschinen. Alles in allem erzeugt er in mir ständig ein schlechtes Gewissen. Um dies zu ändern habe ich Kontakt mit dem DRK aufgenommen, die auf Demenz ausgebildete Betreuer einsetzen, die Kosten werden bei Pflegestufen von der Krankenkasse übernommen. Für eine Tagesstätte ist er nicht mobil genug. Gibt es in diesem Forum jemand, der diese doch so lange Geschichte liest, Gleiches erlebt und mir Tips geben kann? Ich würde mich sehr freuen, Djinni

Kommentare

  • Liebe Djinni,

    dies alles kenne ich auch von meinem Vater und ich habe auch von anderen über diese Probleme gelesen. Alle sind sich einig, dass es auf keinen Fall etwas bringt, den Dementen überzeugen zu wollen, dass das, was er sagt, Unsinn ist. Mein Vater hat auch geschimpft, dass sich die Balken bogen und zwar mehrere Stunden hintereinander ohne aufzuhören. Meine Mutter hat zuerst immer versucht, ihm klar zu machen, dass das, was er sagt, nicht stimmt. Besonders, wenn mein Vater sie angriff und behauptete, sie würde sich nicht um ihn kümmern, hat sie oft geweint und hat ihm aufgezählt, was sie doch alles für ihn macht. Umsonst! Er hat es nicht geglaubt und weiter geschimpft. Wir haben dann gelernt, dass man den Dementen beruhigen oder ablenken muss, ist oft nicht einfach und dauert eine Weile. D.h. man sollte versuchen, das Thema zu wechseln, irgendetwas unternehmen, jemanden anrufen lassen, etwas essen, etwas tuen. Das Schimpfen hört übrigens nach meiner Erfahrung irgendwann auf, in der nächsten Phase halt, in der der Demente aber dann auch noch weitere Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung verliert und eher traurig ruhig ist. Das Schimpfen ist schwer zu ertragen, aber die Dementen meinen es nicht persönlich und sie können nichts dafür. Es sollte an einem Ohr rein und am anderen raus gehen. Man sollte aber immer zeigen, dass man den Dementen ernst nimmt (auch wenn man es nicht tut). Was übrigens bei meinem Vater sehr geholfen hat und auch noch hilft, ist Musik und in den Arm nehmen oder am Arm anfassen oder die Hand nehmen und ihm auch sagen, dass man ihn lieb hat. Die Dementen müssen sich doch völlig verloren vorkommen, wenn sie merken, dass sie ihre Fähigkeiten und ihre Selbstbstimmung verlieren. Da muss man ihnen Trost geben, auch wenn sie schimpfen und gerade garnicht zum Liebhaben sind. Das kostet Überwindung, fällt aber leichter, wenn man sich vor Augen führt, dass sie nicht Herr ihrer selbst sind, sondern die Krankheit das Schimpfen verursacht.
    Alles Gute und viel Kraft
    Silvi
  • Hallo Silvi, danke für die tröstenden Worte. In der kurzen Zeit, in der mein Vater an Demenz erkrankt ist, stelle ich fest, Demenz macht einsamer als Mundgeruch. Auch wenn mein Vater eine wunderbare Betreuung hat, da ich selbst 2 Hüftprothesen habe, fühle ich mich wahnsinnig alleine gelassen. Da ich Frührentnerin bin und im Hause meines Vaters wohne, ist es für mich selbstverständlich, meinen Vater nicht ins Heim zu geben. Außerdem hat er sich zu klaren Zeiten geweigert, mir das Haus zu schenken, weil er Angst hatte, mein geldgieriger Exmann würde irgendwelche Tricks anwenden um ihn auf die Straße zu setzten. Auch wenn ich wollte, könnte ich ihn nicht in ein Heim geben, weil ich dann mein zu Hause verlöre, wegen der zu hohen Heimunterbrinngungskosten. Auch von meiner Einstellung her würde es mir wiederstreben.
    Nun ist die liebevolle Pflege keine 16 Stunden am Stück hier, sie braucht auch mal Zeit zum aufatmen. So ist für meinen Vater besonders der Samstag und Sonntag Stress hoch 4. Ich kann noch nicht mal ein Päuschen machen, ohne daß er ruft. So stand der gestern auf obwohl er nicht mehr laufen kann und fiel auf seinen Arm, der vom Krebs befallen ist. Ich rief einen Nachbarn und meine Perle zur Hilfe. Nach einigen Tests stellten wir fest, daß er nichts gebrochen hat. Durch eine Reform in unserem Ort gibt es keinen örtlichen Notdienst mehr, man muß eine Zentrale anrufe, Die wollten ihn abholen zum Röntgen, was ich wegen des zu großen Stresses für meinen Vater ablehnte in der Hoffnung, daß heute, Montag, der Hausarzt kommt. Pustekuchen, die Ärzte streiken wegen der Gesundheitsreform - zu Recht -. Nun überdenke ich die Sache mit der Fixierung, was mir aber total gegen den Strich geht - sonst bleibt das kein Einzelfall. wie die Gechichte meines Onkels - gleiche Situation wie mein Vater - zeigt, er brach sich die Schulter. Mit der medikamentösen Behandlung bei Demenz sind die Hausärzte, wie ich nun feststellen muß, absolut überfordert Ich kann meinen Vater wegen des hohen Sreßfaktors jedoch nicht zum Neurologen bringen und die machen in den seltesten Fällen Hausbesuche.
    Was mich selbst auch für mich furchtbar traurig macht, ist das Gefühl, daß das nicht mehr mein Vater ist, der dort sitzt und mich mit leeren Augen ansieht. Der Glaube an Gott gab mir bis jetzt immer Trost, aber im Moment glaube ich wieder mal, daß der meine Telefonate nicht beantwortet.
    Danke noch mal Silvi
    Djinni
  • Hallo Djinni!

    Ich bin relativ neu hier und lese mich an vielen Abenden so durch die verschiedenen Beiträge. Ich muß mich um meine Mutter kümmern (Alzheimer Stadium II). Sie ist allerdings ganz anders als Dein Vater, sehr ruhig und lieb und nur manchmal ein wenig unzufrieden, wenn sie nicht beschäftigt wird, denn dann ist ihr langweilig.
    Ich wollte Dir bzgl. des Neurologen einen Tipp geben. Wende Dich doch mit Deinem Arztproblem an die Alzheimergesellschaft. Meine Mutter wird von einem Gerontologen der Alzheimergesellschaft betreut, die auch eine Tagesklinikaufnahme anbieten, um Problemfälle medikamentös einzustellen. Meine Mutter war auch 4 Wochen in dieser Einrichtung und ist sehr gut eingestellt worden. Dieser Gerontologe macht auch Hausbesuche, so dass Dein Problem gelöst wäre und Dein Vater gut versorgt werden würde.

    Ich wünsche Dir Glück.

    Viele Grüße

    Katharina
  • Hallo Katharina,
    mein Vater ist im Februar gestorben, in den letzten Tagen hat er sehr gelitten und die Ärzte haben uns im Stich gelassen. Ich hoffe für mich persönlich, dass ich das nie erleben muß. Mein Vater wurde von mir unterstützt, so weit wie möglich setzte ich mich auch bei seinem Hausarzt durch. Für mich wird das niemand mehr tun, ich habe Angst vor der Zukunft.
    VG Djinni
  • Hallo Djinni,

    ich hoffe Du gestattest, dass ich Dir mein Beileid heute noch ausspreche. Ich weiß wie es ist, seinen Vater zu verlieren. Ich habe meinen am 02.02.06 auch auf ganz tragische Art und mit vielen Qualen und Schmerzen verloren. Es tut verdammt weh, auch heute noch.
    Für Dich persönlich tut es mir sehr leid, dass Du Deinen Vater so schnell verloren hast. Ich meine da grundsätzlich die Bezugsperson Vater (Eltern). Für die belastende Seite (Pflege) ist es gut, dass diese Krankheit nicht so lange gedauert hat.
    Ich wünsche Dir, dass bald für Dich die Sonne wieder scheint und Du das Leben genießen kannst.

    Alles Liebe und viel Kraft für die Zukunft

    wünscht Dir Katharina
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