Ich fühl´ mich zu jung

Hallo!
Meine Mama hat seit ca. einem halben Jahr die Diagnose Alzheimer, sie ist 63 Jahre alt.
Soweit ich hier gesehen habe, ist das nicht besonders ungewöhnlich aber noch relativ jung.
Ich bin aber erst 21 Jahre alt und vor einem Jahr von zu Hause ausgezogen, meine Eltern leben jetzt allein, meine ältere Schwester ist mitte 30 und wohnt schon lange nicht mehr zu Hause.
Wie ist das bei euch so? Ich könnte jeden Tag heulen, weil ich mich noch zu jung fühle um damit umzugehen, manchmal habe ich Angst vor der Zukunft, davor dass meine Mama in einem Heim leben muss weil ich selbst keine Möglichkeit habe, ihr zu helfen (ich stehe gerade am Anfang meines Studiums).
Es wäre schön, von jemandem zu hören, dem es ähnlich geht oder der sich mit meiner Situation indentifizieren und mir einen Tipp geben kann.

Viele Grüße
Luna

Kommentare

  • Liebe Luna

    es ist sehr schlimm für Sie, wie auch für jede Familie die so eine Diagnose bekommt. Ich glaube Sie fühlen sich jetzt verantwortlich für Ihre Mama, natürlich müssen Sie jetzt AUCH für sie da sein, aber was ist mit Ihrem Vater? Bei mir ist es mein Mann der Demenz-Parkinson hat, ich habe von 1,5 Jahren kündigen müssen, weil mein Mann nicht mehr alleine zu Hause bleiben konnte. Mein Mann ist jetzt 62 ich 58, die Krankheit ist schon sehr fortgeschritten, bevor ich diese Seite hier entdeckt habe, hatte ich gedacht wir wären auch viel zu jung für so ein Schicksal. Wir haben 2 Kinder, die uns im Notfall natürlich auch unterstützen, aber ansonsten leben sie ihr Leben. Ich versuche auch einiges von ihnen fernzuhalten. Ihr Vater müsste sich jetzt um Ihre Mama kümmern, natürlich müssen Sie, so gut Sie können, mithelfen, aber ansonsten müssen Sie Ihr Leben leben und nicht alles aufgeben.

    Liebe Grüsse und viel Kraft

    Katharina
  • Liebe Luna,

    habe soeben erst Ihr Schreiben entdeckt. Ich sehe es wie Katharina. In erster Linie sollte sich ihr Vater um die Mutter kümmern. Mittlerweile gibt es auch Demenz-WGs. Vielleicht wäre das eine Alternative? Ich habe selbst erwachsene Kinder und auch ich versuche Ihnen so weit als möglich den Rücken frei zu halten. So ab und zu helfen oder für mich einmal ein paar Tage Urlaub ermöglichen, ist sehr schön und nehme ich dankbar an. Aber keine Dauerpflege. Das möchte ich auch für mich nicht. - Sie stehen erst am Anfang ihres Lebens und für Sie sollte die Welt offen sein. Ein Aufopfern von Kinderseite aus, will keine liebende Mutter.

    Haben Sie schon einmal etwas vom Familienstellen nach Hellinger gehört? Da schaut immer die älterne Generation wohlwollend auf die jüngere, nicht umgekehrt. Zumindestens nicht auf Dauer. Familienstellen habe ich selbst schon gemacht. Das zeigt die Schwachpunkte auf, die Machbarkeiten und befreit ungemein von schlechtem Gewissen. Oftmals übernehmen gerade Kinder Lasten, die garnicht für Sie bestimmt sind und überlasten sich somit gehörig.

    Herzliche Grüße und Sie sind eine sehr verantwortungsbewußte Tochter, wenn Sie sich so sorgen.

    Annabell
  • Hallo Luna,
    meine Mutter bekam die Diagnose 2010, da war ich 26. Meine Geschwister 22 und 30. Ich habe mich damals auch "zu jung" für eine demente Mutter gefühlt. Ich bin jetzt zwar schon 30 aber falls du trotzdem Interesse hast, können wir vielleicht über Frau Saxl Email Adressen oder gerne auch Telefonnummern austauschen.
    Viele liebe Grüße
    Barbara
  • Hallo Luna,
    Du sprichst mir aus der Seele!
    Ich kann sehr gut verstehen, dass Du Dich zu jung fühlst - mir geht es auch so.
    Mein Papa ist seit ca. sieben Jahren an Demenz erkrankt (ich bin jetzt 29 und Papa 67). Da ich eine heilpädagogische Ausbildung haben, konnte ich die ersten Anzeichen deuteten, lange bevor Papa das erste Mal beim Arzt war. Meine Familie besteht noch aus meiner älteren Schwester (35), die selbst schon Mann und Kinder hat und meinem älteren Bruder (39), der ebenfalls schon länger aus dem Haus ist. Hauptsächlich kümmert sich meine Mama um Papa. Sie ist sehr geduldig und versorgt, pflegt und betreut ihn.
    Genau wie Du, war ich gerade ausgezogen, als die Diagnose gestellt wurde. Seit dem ist schon viel passiert. Lange Zeit hat mich die Krankheit gar nicht so sehr in Anspruch genommen, aber mittlerweile versuche ich meine Mama zu entlasten, wenn es möglich ist. Ich hatte die Möglichkeit nach dem BA den Studienort zu wechseln und bin sehr froh jetzt wieder näher bei meinen Eltern zu wohnen. Allerdings nur auf Zeit, da mein nächstes Auslandssemester bevor steht. Ab Januar studiere ich in Schweden, da wo auch mein Freund lebt.
    Manchmal denke ich mit Schrecken daran, dass ich dann so lange nicht zu Hause sein kann. Andererseits, weiß ich, dass ich auch nicht glücklich werden würde, wenn ich die Chance nicht nutzen würde um bei meinem Freund zu wohnen... Ich fühle mich zwischen den beiden Ländern, meiner Verantwortung als Tochter und Familienmitglied und ebenso als Freundin hin und her gerissen. Andererseits unterstützt mich meine Familie hervorragend und befürwortet meine Entscheidung.
    Was mit Papa in der Zukunft passiert, ist sehr ungewiss. Die Krankheit packt ihn immer mehr und gerade hat er eine schwierige Phase, in dem sein Selbstwertgefühl soo klein ist.
    In den ganzen sieben Jahren war es schlimm für mich, dass ich akzeptieren musste, nicht mehr die umsorgte Tochter, sondern die umsorgende Tochter zu sein. Dabei bin ich oft so glücklich über das, was Papa und Mama mir in der Kindheit geschenkt haben, sodass ich jetzt auch bereit bin ein Stück weit mein Leben anzupassen und ihnen unter die Arme zu greifen. Die Demenz ist die Demenz, aber mein Papa bleibt mein Papa, den ich lieb habe.
    Manchmal, wenn ich mich sehr zerrissen fühle, höre ich diese Lied:
    http://www.youtube.com/watch?v=cTN-t0WGia4
    Wir sind Helden "Kaputt"
    Das fasst genau das zusammen, wie es mir geht!
    Vielleicht hilft es Dir auch ein wenig - Du bist nicht allein mit Deinen Sorgen!

    Liebe Grüße,
    Ute

    PS: Vielen Dank auch für Eure Beiträge, Barbara, Katharina und Annabell!
    PPS: Übrigens fühle ich mich immer dann besonders jung, wenn ich jemanden von Papa´s Krankheit berichtet habe und dieser mir danach von der Demenz seines/ihres Opas/Omas erzählt... Das macht mich oft sehr traurig, obwohl ich weiß, dass die nur helfen wollen oder manchmal einfach auch nicht wissen, was sie sagen sollen... Trotzdem ist es für mich nicht leicht mir diese Demenzgeschichten anzuhören...
    Ist Euch das auch schon passiert? Geht es Euch da ähnlich?
  • Liebe Luna, liebe Ute, liebe Barbara,

    mit großem Anteil habe ich eure Beiträge gelesen. Ich recherchiere gerade für einen 37 Grad Film für das ZDF zum Thema „Wenn Kinder sich um ihre Eltern kümmern“. Im Film geht es darum zu erzählen, wie es jungen Menschen geht, wenn sie, selbst noch im Aufbau ihres eigenen Lebens, plötzlich für ein Elternteil verantwortlich sind bzw. sich so fühlen. Der Konflikt, wie viel Recht habe ich auf mein eigenes Leben und wie sehr bin ich meinen Eltern gegenüber in der Pflicht, gar Verantwortung, ist nicht einfach zu lösen. Ich suche - zunächst für die Recherche - junge Menschen, die genau diese Fragen für sich beantworten mussten und müssen. Möchte sich jemand von euch über seine Geschichte austauschen? Ich würde mich sehr über eine Rückmeldung freuen.

    Herzliche Grüße

    Linda Vogt
    Redaktion

    CONTEXT FILM
    doc|edu|web

    Magnus Froböse Medienproduktion
    Ringseisstraße 3 Rgb.
    D-80337 München / Germany

    T: +49 89 89 08 337 - 14
    F: +49 89 89 08 337 - 33
  • Liebe Luna, liebe Barbara, liebe Ute,

    ich schließe mich Linda an: Auch ich habe in den vergangenen Tagen viel Zeit in diesem Forum verbracht und viele Geschichten gelesen, die mich wirklich berührt haben. Vor allem die Schilderungen von jungen Erwachsenen wie euch, die sich um einen Angehörigen kümmern, weil dieser an Demenz erkrankt ist, haben mich sehr bewegt.
    Tatsächlich beschäftige ich mich gerade intensiv mit dem Thema "Junge Erwachsene als pflegende Angehörige". Ich bin ebenfalls Journalistin und arbeite aktuell für das Magazin NEON. Für eine unsere nächsten Ausgaben würde ich sehr gerne eine Geschichte über dieses Thema schreiben - also über junge Erwachsene, die ein Elternteil pflegen. Ich bin überzeugt, dass dieses Thema an Relevanz gewinnt, und dass sich gerade die NEON-Leser (ca. 18- bis 35-Jährige) damit auseinandersetzen sollten, eben weil Demenz auch schon bei der Generation ihrer (oder unserer - ich gehöre auch noch zu dieser Altersgruppe) Eltern auftreten kann. Eine Tatsache, die vielen so glaube ich nicht bewusst ist.

    Für meine Geschichte suche ich nun nach jungen Erwachsenen, die bereit sind, mir ihre Geschichte und Erfahrungen zu schildern. Daraus würde ich dann gerne eine sogenannte Protokollgeschichte schreiben. D.h. ich nehme die Aussagen und Erzählungen auf und schreibe den Text dann auf Basis dieser wörtlichen Zitate. Vor Abdruck wird alles noch einmal zur Autorisierung rausgegeben.

    Mir ist durchaus bewusst, dass es wahrscheinlich schwer fällt, über dieses Thema zu sprechen. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass man mehr über junge pflegende Angehörige sprechen und schreiben sollte!

    Deshalb würde ich mich wirklich freuen, wenn jemand von euch mir seine/ihre Geschichte erzählen möchte.
    Ihr könnt auch gerne mehr Fragen zu dem Artikel stellen - entweder hier im Forum oder per E-Mail oder Telefon (siehe unten).

    Herzliche Grüße,

    Sophia Schirmer
    Textredaktion

    Stern Medien GmbH
    NEON Redaktion
    Am Baumwall 11
    20459 Hamburg

    Telefon +49 (0) 40 / 3703 – 6573
    Telefax +49 (0) 40 / 3703 - 5679
    E-Mail text-2neonde
    http://www.NEON.de
Anmelden oder Registrieren, um zu kommentieren.