Reaktion der Freunde / Zweifel an der Krankheit

Ich muss mir einfach mal den Frust von der Seele schreiben und vielleicht hat ja jemand ähnliche Erfahrungen gemacht, und weiss einen guten Rat. Meine Mutter(70) musste im November 2005 ( Diagnose Alzheimer war 2003 ) in ein Pflegeheim, da mein Vater(73) mit ihrer Betreuung als Alzheimer- und Aphasiepatientin überfordert war. Wir Töchter konnten ihn leider durch beruflich bedingte Abwesenheit bzw familiäre Situation ( 2 Kleinkinder ) nur tageweise unterstützen. So erging damals ein Aufschrei durch den Freundeskreis meiner Eltern, als mein Vater sie "abgeschoben" hatte. Nach einem Brief meinerseits an die engsten Freunde, indem ich einfach mal schonungslos 24h mit meiner Mutter geschildert habe, beruhigte sich die Situation ein bisschen. Seit einem halben Jahr hat mein Vater nun eine neue Partnerin, die von unsere Familie herzlich aufgenommen wurde. Mein Vater ist weiterhin mindestens 2 mal die Woche bei meiner Mutter und natürlich, so weiss es auch seine Freundin, wird sie immer an Nr. 1 stehen. Meine Schwester und ich sind auch jeweils mindestens 1 mal pro Woche da, um sie zu betreuen. Meine Mutter redet seit ca. 1 Jahr gar nicht mehr, ist voll inkontinent, kann auch keinen Reisseverschluus mehr schliessen oder den Lippenstift benutzen ( vor zwei Jaren hat sie sich wohlgemekrt noch nahezu perfekt geschminkt. Es war schon vor Jahren so, dass keiner im Bekannantenkreis mitbekommen hat, wie meine Mutter sich verändert, da sie immer nett gelächelt hat. Das muss sie ungeheuer angestrengt haben. Nun kommen immer wieder Kommentare von den besten Freunden meiner Eltern, dass meine Mutter ja noch viel mehr mitbekommt, als wir glauben. Und sie hätten genau erkannt, dass sie verstehen würde, was man sagt usw usw.
Ich kann es einfach nicht mehr hören und fühle mich so angegriffen... meine Eltern haben am 31.8. goldenen Hochzeit und mein Vater fährt vorher schon mit seiner Partnerin in den Urlaub, weil er es einfach nicht ertragen könnte, den Tag mit meiner Mutter zu verbringen. Meine Schwester und ich haben dafür meine Verständnis, meine Mutter kann den Tag eh nicht einorden und ich werde mit ihr einen schönen Spaziergang machen. Aber diese indirketen Vorwürfe und Kommentare zermürben einen... Manchmal möchte ich richtig meine Meinung sagen. Und mein Vater, der unter der ganzen Situation doch am meisten leidet und schlisslich seine Ehefrau verloren hat, muss sich dann, ja eigentlich von Freundesseite immer noch anhören, ob man nicht doch vielleicht falsch diagnostiziert hat oder nicht doch zu Hause pflegen könne.... Manchmal denke ich, mein Vater hätte in seinem Umfeld nicht die Probleme, wenn meine Mutter an einer Krankheit wie Krebs verstorben wäre...

Kommentare

  • Hallo lilian0110,

    habe gerade Deinen Eintrag gelsen. So schlimm es ist, aber Dein letzter Satz ist genau so wie Du es geschrieben hast. Deine Vater hätte es sicher leichter, wenn Deine Mutter eine andere Krankheit gehabt hätte, evtl. sogar daran verstorben wäre . Leider ist das so.
    Auch ist es sehr traurig, dass sich nicht einmal jemand von den Bekannten/Verwandten fragt, ob er/sie denn selber Tag für Tag so eine Pflege leisten/aushalten könnten... man fordert es dafür aber von anderen. Mag schon sein, man kann nicht beweisen, was Deine Mutter noch tatsächlich mitbekommt... Nur geht es hier nicht nur um Deine Mutter, sondern auch um Deinen Vater und letztlich auch um Euch als Kinder. Dein Vater darf ja auch nicht an so einer Situation zerbrechen. Er muss, und wie Du schreibst hat er ja schon einen Lebensstil gefunden, der ihm einen "Schutzmantel" bietet. Denn schließlich weiss man nicht, wie viele Jahre da noch durchzustehen sind.
    Ich weiss, es ist schwer, aber wehrt Euch, wo Ihr könnt, vor irgendwelchem Gerede und schützt so gut es geht Euren Vater. Macht evtl. den Leuten auch deutlich, dass Ihr das ganze Gerede lieblos findet und es für Euch so schon schwer genug ist, damit umzugehen. Wenn sie das nicht verstehen, könnt Ihr Euch als Selbstschutz nur von Ihnen fernhalten.

    Wünsche Dir viele gute Entscheidungen und ein "starkes Rückrat" dazu.

    Mit freundlichen Grüßen
    Christine
  • Hallo lilian0110 und Christine,

    das ist wirklich mal so richtig aus dem Leben eines Angehörigen eines Alzheimer/Demenz Kranken.

    Aber ich denke, das jeder von uns diese Schwierigkeiten mit den ach so sehr mitfühlenden Verwandten, Freunden und Bekannten, die alles besser wissen und könnten, kennt. Nur sie tuen nichts weiter als uns noch ein schlechtes Gewissen einzureden, sollen die noch nur mal 1 Tag versuchen mit der Krankheit umzugehen.

    Ich finde es super, das Ihr Töchter den Vater und seine neue Partnerin unterstützt. Macht weiter so und viel Kraft uns allen.
    Anke
  • Hallo lilian0110, hallo Christine, hallo Anke!

    Ich kann Euch nur beipflichten. Wer mit einem Alzheimerkranken leben muß, bekommt immer nur gute Ratschläge oder wird Verurteilt, wenn man sich anderweitig Hilfe sucht.
    Meine Mutter hat auch bereits seit 2003 Alzheimer. Im letzten Jahr, nach dem Tod meines Vaters, ist es besonders schlecht geworden. Alle Freunde und Verwandte meiden meine Mutter. Manchmal könnte man denken, sie hat die Pest. Keiner läßt sich mehr blicken. Ich bin aber kein Mensch, der alles einfach so hinnimmt. Mein Motto ist Gegenwehr und Konfrontation. Wir hatten ein großes Fest auf unserem kleinen Dorf. Da sich keiner der "Sangesbrüder und Schwestern" mehr bei meiner Mutter blicken läßt, habe ich dieses Fest mit meiner Mutter an 2 Tagen (jeweils ca. 3 Stunden) besucht, so dass alle "ehemaligen Freunde und Bekannte" gezwungen waren, ein paar Worte mit meiner Mutter zu wechseln. Den einen oder anderen hat sie zumindest am Gesicht oder an der Stimme erkannt. Meiner Mutter hat es gefallen und ich glaube, sie hat diese Atmosphäre und die "eigentlich doch bekannten Gesichter" sehr genossen, denn alle bekannten Lieder hat sie im Zelt mitgesungen. Ich habe sie lange nicht mehr so aktiv erlebt.
    Aber jetzt hat jeder gesehen wie es meiner Mutter zur Zeit geht und keiner konnte sich dieser Situation entziehen. Meistens bekam ich natürlich gute Ratschläge aus ihren früheren Pflegeerfahrungen oder ich wurde bedauert. Aber ich weiß, dass jeder geschockt war, sie in diesem Zustand zu sehen. Fast alle haben gesagt, dass sie ja nicht wußten, dass es so schlimm ist. Ich habe mir nie die Bemerkung ersparen können zu sagen: "Ja, wenn Du Mutti so lange nicht gesehen hast, ist das sicherlich ein Schock für Dich, aber das ganze geht eigentlich schleichend voran. Wenn man sie regelmäßig sieht, dann ist der Verlauf dieser Krankheit ganz normal." Ja, ich war da sehr bissig, aber ich bin diese ewigen Ausreden, warum, wieso, weshalb und..... man meine Mutter nicht besuchen konnte so leid und diese Gelegenheit war soooooo günstig, zumal es ja sehr positiv für meine Mutter war.

    Lieben Gruß an alle geplagten und haltet durch.
    Katharina
  • Hallo, Christine, Anke und Katharina, es tut so gut, beipflichtende Worte zu hören bzw. zu lesen, euch vielen Dank dafür. Und Katharina, schön, dass du diese Erfahrung mit deiner Mutter beim Dorffest gemacht hast. Meine Mutter nimmt leider gar keinen Anteil mehr an ihrer Umwelt, was natürlich noch das Gerede der "Freunde", die sie besuchen, verstärkt, da sie ja bestimmt dort falsch aufgehoben ist.. ob man nicht doch lieber ein Einzelzimmer hätte nehmen sollen ( haben wir versucht, mit katastrophalen Folgen ),... ob die Medikation richtig ist... Ich habe schon versucht, mit den Freunden zu reden, möchte schon, aber will eben nicht um meines Vaters Willen zu heftig mit ihnen ins Gericht gehen. Letztendlich hoffe ich, dass sie das natürlich nur meiner Mutter zuliebe so sagen... Trotzdem fühlt man sich immer, als müsste man sich rechtfertigen... So, nun ist der Frust wieder von der Seele geschrieben. Viel Kraft für alle, Eure Lilian0110
  • Hallo Ihr Alle,
    den Frust kennen wir wohl alle. Leider habe ich selbst bei meinen Geschwistern keine Hilfe oder Verständnis erhalten. Sie kommen ca. 1 x in der Woche für 1 - 2 Std. und sind danach völlig fertig. Ich dagegen bin an 3 Tagen nach der Arbeit und dann auch die Nächte bei meiner Mutter um die Plfegerin etwas zu entlasten. Aber dann kommt auch noch dazu, das meine Geschwister, wenn Behördengänge oder der Arzt kommt ins Haus, es müssen Medikamte geholt werden, meine lieben Angehörigen mir sagen, ich wüßte ja besser Bescheid, da ich mehr mit Mutti umgehe und ich könne das doch besser erledigen.

    Nun habe ich den Entschluß gefaßt und meiner Mutter einen Heimplatz in meiner Nähe gesucht. Sie hat körperlich so sehr abgebaut, das ich denke, das sie bei geschultem Personal doch besser aufgehoben ist. Obwohl ich auch wegen des Umzugs Angst habe, ob ihr das nicht noch mehr schadet.

    Früher hat sie überallhin Wasser gelassen und jetzt geht sie ganz selten auf Toilette. Der Arzt meinte nur, ich solle nicht so pingelig sein. Tolle Antwort, oder !

    Ich aber habe Angst, das ihre Nieren vielleicht nicht mehr richtig arbeiten. Ach, es ist alles so schrecklich einen geliebten Menschen so verfallen zu sehen.

    ganz liebe Grüße
    Anke
  • Ja, wer solche Freunde hat, braucht eigentlich keine Feinde.
    Zum Glück ergeht es meinem Vater nicht ganz so schlimm. Er hat nur einfach keine Freunde mehr. Ach vielleicht waren das ja alle die Freunde meiner Mutter? Nö kann auch nicht sein. Meine Mutter bekommt ja überhaupt keinen Besuch mehr.

    Das finde ich sehr schlimm. Keiner kümmert scih mehr um meine Eltern. Weder um meinen Vater noch um meine Mutter im Heim.

    Grüße
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