Hilflos und machtlos

Hallo zusammen,

ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich hier richtig bin und wie ich überhaupt anfangen soll. Mein Bruder und ich fühlen uns z. Zt. ziemlich hilflos. Unsere Mutter ist seit ca. 2,5 Jahren an Alzheimer erkrankt und zu den Lebensumständen sei gesagt, dass sie mit unserem Vater seit fast 50 Jahren im Ausland lebt. Die nähere Verwandtschaft (auch mein Bruder und ich) lebt in Deutschland - aus diesem Grund pendeln unsere Eltern schon seit Jahren zwischen zwei Kontinenten. Unserer Mutter war es schon immer wichtig in der Nähe ihrer Familie zu sein, unser Vater fühlt sich in Deutschland wiederum sehr fremd und kann sich auch überhaupt nicht vorstellen, jemals ganz hier her zu ziehen, obwohl er genau weiß, dass unsere Mutter hier aus gesundheitlichen Gründen bedeutend besser versorgt bzw. aufgehoben wäre.


Solange unsere Eltern in Deutschland sind kümmert sich unser Vater um unsere Mutter. Allerdings hat er eine sehr schroffe Art mit ihr umzugehen, er wird oft laut und meckert ständig mit ihr herum, was meinem Bruder und mir sehr missfällt. Ich muss dazu sagen, dass unser Vater schon immer ein aufbrausender Mensch, der sich ungern wiederholte. Daher kann er mit dieser "neuen" Situation überhaupt nicht umgehen. Hinzu kommt, dass er sich bisher noch gar nicht mit der Krankheit auseinandergesetzt hat. Er informiert sich nicht und möchte auch gar nichts von anderen darüber hören. Seiner Meinung nach wisse er genug, weil er sich tagtäglich mit unserer Mutter auseinandersetzen müsse.

Während des letzten Aufenthaltes in Deutschland, der 7 Monate andauerte, ist unser Vater zweimal in "seine Heimat" zurückgeflogen und hat meinem Bruder und mir komplett die Betreuungsfrage überlassen. Es hat ihn nicht sonderlich interessiert, wie unsere Mutter in seiner Abwesenheit versorgt wird. Im September war es so, dass wir uns mit zwei Tagen Vorlauf zwei Betreuerinnen über die Alzheimer Gesellschaft organisiert haben und trotz des ganzen Stresses waren wir einfach nur froh, dass unsere Mutter sehr gut versorgt war. Sie blühte förmlich auf und genoss sehr die Gesellschaft der beiden Damen. Dies erzählten wir auch unserem Vater, in der Hoffnung, dass er nun bereit wäre längerfristig an Betreuung für unsere Mutter zu denken. War aber leider nicht der Fall.

Nun kommt erschwerend für unseren Vater hinzu, dass unsere Mutter eigentlich gern ganz in Deutschland bleiben würde bzw. geblieben wäre. Diesen Wunsch äußerte sie bereits im September gegenüber ihren Betreuerinnen, guten Freunden, meinem Bruder und mir. Dies teilten wir auch des öfteren unserem Vater mit, doch leider war er auf dem Ohr taub. Er wollte/konnte es einfach nicht wahrhaben. Daraufhin beschlossen mein Bruder und ich im Hintergrund bei den beiden Betreuerinnen, die wir bereits kannten, anzufragen, ob sie unsere Mutter an 7 Tagen die Woche versorgen würden. Wir mussten das tun, weil wir auch diesmal wieder damit rechnen mussten, dass unser Vater unsere Mutter einfach in Deutschland lässt, wenn sie nicht bereit ist mitzukommen.

Ich informierte unseren Vater ein paar Tage vor seiner Abreise, dass die Betreuung theoretisch gesichert wäre, es wäre aber letztendlich seine Entscheidung, da mein Bruder und ich, das nicht über seinen Kopf hinweg machen dürften. Auch das interessierte ihn nicht sonderlich, er meinte unsere Mutter habe ihm gegenüber den Wunsch in Deutschland zu bleiben nie geäußert. Damit war die Sache für ihn erledigt.

Das Ende vom Lied ist nun, dass unser Vater unsere Mutter gegen ihren Willen mitgenommen hat. Bitte nicht falsch verstehen: Er musste sie nicht ins Taxi schleppen oder ähnliches, allerdings hat sie ständig zu uns Kindern gesagt, dass sie nicht mitmöchte. Auf der anderen Seite ist sie von ihm abhängig, weil sie merkt, dass sie alleine nicht zurecht kommt. Seit dem Abflug unserer Eltern hat unsere Mutter sich des öfteren gemeldet (nach jeder Zwischenlandung) und gesagt, wir sollen alles daran setzen, unseren Vater davon zu überzeugen, dass sie nach Deutschland möchte. Sie möchte unbedingt schon Weihnachten mit ihrer Familie zusammen sein. Unseren Vater interessiert das leider gar nicht.

Wie ihr seht, haben wir eigentlich mehr mit unserem Vater zu tun als mit unserer kranken Mutter. Wir fühlen uns so hilflos, weil wir mit ansehen müssen wie er mit ihr umgeht und wir auch nicht einfach eine Betreuung für sie organisieren dürfen. Wir möchten jetzt alles daran setzen, dass sie so schnell wie möglich wieder nach Deutschland kommt, da sie so ungern dort ist, wo sie jetzt ist. Unser Vater ist den halben Tag lang und meistens auch noch an den Wochenenden außer Haus. Unter der Woche ist lediglich die Reinmachefrau im Haus am Wochenende ist unsere Mutter allein! Die Reinmachefrau ist zwar sehr nett , allerdings hat unsere Mutter eine regelrechte Aversion gegen sie entwickelt. Sie nimmt von ihr keine Hilfe an, sie isst nichts von dem was diese Frau für sie kocht, sie gibt sich ungern mit ihr ab etc. Unsere Mutter merkt, dass unser Vater eher die Reinmachefrau in alltäglich Dinge einbindet als sie, weil es ihm zu anstrengend ist sich mit ihr auseinander zu setzen. Sie sagt dann immer: "Ihr glaubt doch ich bin bekloppt - ständig macht ihr etwas hinter meinem Rücken." Man muss dazu sagen, dass unsere Mutter mit entsprechender Hilfe und sehr viel Geduld noch einiges kann.

Ich hoffe jemand hat einen Rat für uns. Es ist so schwer tatenlos mit anzusehen, dass unsere Mutter nicht gut versorgt ist und nicht dort sein kann, wo sie gern sein möchte.
Wie können wir es hinbekommen, dass unser Vater sich helfen lässt?

Vielen Dank schon mal für Eure Rückmeldungen.

Kommentare

  • Hallo Casanya,

    es ist vielleicht eine blöde Frage, aber warum bleibt deine Mutter nicht einfach dort, wo sie sein möchte? Sie braucht dafür doch nicht das Einverständnis von ihrem Mann. Und wenn sie sich das alleine nicht zutraut, es aber trotzdem ihr Wunsch ist, warum könnt ihr sie dann nicht einfach bei euch behalten?

    Wie weit ist denn die Krankheit bei deiner Mutter schon fortgeschritten? Eventuell könntet ihr auch beim Vormundschaftsgericht eine gesetzliche Betreuung beantragen und versuchen, dass du oder dein Bruder die Betreuung übertragen bekommt. Dann könnt ihr für sie entscheiden. Das geht aber natürlich nur, wenn deine Mutter derartige Entscheidungen nicht mehr selbst treffen kann.

    Gruß,
    Pit
  • Hallo Pit, es ist absolut keine blöde Frage. Leider ist es so, dass unsere Mutter solche Entscheidungen gar nicht mehr selbst treffen kann. Auf der einen Seite möchte sie natürlich in Deutschland leben, am besten mit Betreuung in der Wohnung die sie schon seit Jahren von ihren etlichen monatelangen Besuchen kennt. An die gute Erfahrung mit den beiden Betreuerinnen kann sie sich nämlich trotz Alzheimer erinnern. Auf der anderen Seite ist es so, dass sie sehr von unserem Vater abhängt. Sie weicht ungern von seiner Seite (wenn er da ist), wenn sie z. B. bei uns zu Besuch sind und unser Vater nur mal eben den Raum verlässt packt sie ihre Sachen zusammen, weil sie angst hat, er würde ohne sie gehen. Ein anderer Grund ist, dass sie auch angst davor hat, ihm selbst zu sagen, dass sie gern in Deutschland leben möchte. Sie weiß, dass er immer sehr ungehalten reagiert, laut wird und ihre Entscheidung auch nicht respektiert. Sie hat es zuletzt 1 oder zweimal versucht - dabei wurde sie ziemlich von ihm angefahren. Er setzt sich damit gar nicht erst auseinander.
    Den Krankheitszustand meiner Mutter sieht z. Zt. wie folgt aus: Sie kann darf nicht mehr allein bleiben,da sie sich überhaupt nicht mehr selbst versorgen kann. Auch wenn der Kühlschrank voll ist und sie Hunger verspürt, weiß sie nicht mehr was sie tun muss, um satt zu werden, d.h sie braucht immer einen Denkanstoß von außen. Es muss immer jemand darauf achten, dass sie genug trinkt und isst. Die Körperpflege kann sie zwar noch selbst erledigen, allerdings passiert es schon häufiger, dass sie beispielsweise vergisst, ob sie bereits geduscht hat oder nicht. Sie kann noch selbstständig auf Toilette gehen und weiß auch noch auf die Zeichen ihres Körpers zu reagieren, allerdings vergisst sie auf dem Weg zur Toilette was sie eigentlich gerade vorhatte.
    Dieses Jahr wurde ein Gutachten vom behandelnden Arzt erstellt, aus dem hervorging, dass ein Vormund für gesundheitliche und finanzielle Entscheidungen dringend empfohlen wird.
    Mein Bruder und ich haben auch schon überlegt, die Vormundschaft zu beantragen. Allerdings tun wir uns schwer mit dieser Entscheidung, da es dann zu einem ziemlichen Familienstreit kommen würde. Mein Bruder und ich möchten aber auch nicht, dass sich die Familie komplett entzweit aufgrund dieser Probleme. Wir würden gern einen Weg finden, wie wir unseren Vater deutlich machen können, dass er sich helfen lassen darf - dass das kein Zeichen von Schwäche ist. Zusätzlich würden wir ihm gern verständlich machen, dass es in erster Linie um unsere Mutter geht. Außerdem würde es ihm ja auch besser gehen, wenn sie gut aufgehoben und in guten Händen ist. Ich denke, es ist ihm alles gar nicht so egal, wie er immer tut. Er möchte zwar gern im Ausland bleiben, unsere Mutter möchte aber zurück zu ihren Wurzeln nach Deutschland, und er hat sich sein Leben mit ihr (gerade jetzt im Ruhestand) anders vorgestellt. Ich glaube damit hat er ganz schön zu kämpfen, nur müsste er unserer Meinung nach etwas weniger an sich und etwas mehr an unsere Mutter denken.
    Mein Bruder und ich hatten uns übrigens darüber informiert, ob wir nicht die Betreuung unserer Mutter einfach hätten organisieren können, als sie den Wunsch äußerte hier zu bleiben. Die Betreuerinnen sagten uns, dass wir als Kinder diesen Auftrag nicht einfach erteilen dürften. Dies dürfte nur unser Vater.
    Ich würde mich über jeden Rat und weitere Meinungen sehr freuen.
    Herzlichst Eure Anja
  • Hallob casanya,

    so wie Du die Lage schilderst, sehe ich kaum einen "Spielraum", wo man als Tochter handeln kann!
    Es stimmt, ohne Deinen Vater läuft da wenig und wenn Deine Mutter (sicher auch nicht nur negativ) so an Deinen Vater gebunden ist, würde sie letztendlich auch todunglücklich sein, wenn sie hier in Deutschland ohne Deinen Vater wäre auf Dauer. Damit hättest Du ein Problem zwar beseitigt, aber gleichzeitig mindestens 1 oder mehrere Probleme geschaffen!
    Auch wirst Du natürlich einen älteren Herrn, der über die Jahre sein Wesen so entwickelt hat, auch nicht ändern in kurzer oder längerer Zeit.

    Leider sehe ich da momentan nicht viel Handlungsspielraum für Dich auf diesem Gebiet, was sich natürlich auch sicher mal ändern kann...

    Eine Möglichkeit wäre vielleicht höchstens noch die, dass ein Arzt Deinem Vater die Lage genau schildert und nötige Konsequenzen aufzeigt.

    Trotzdem viel Kraft und Geduld
    wünscht Christine
  • Hallo Christine, vielen Dank für deine ehrlichen Worte. Auch wenn sie meine Befürchtungen bestätigen, geben sie mir das Gefühl, dass es nicht verkehrt ist, die Dinge erst einmal so zu lassen wie sie sind. Mein Bruder und ich werden zwar auch auf die Entfernung immer darauf achten, dass es unserer Mutter den Umständen entsprechend gut geht, aber wie du schon schreibst, viel machen können wir nicht. Wir versuchen es dennoch positiv zu betrachten und sind der Meinung, dass der Familienfrieden ein sehr wertvolles Gut ist, welches wir uns unbedingt erhalten möchten. Vielleicht sieht unser Vater auch irgend wann (hoffentlich bald), dass wir ihn in dieser Situation nur unterstützen möchten. Deinen Vorschlag mit ihm zum behandelnden Arzt zu gehen finde ich übrigens gut. Dieser hatte unserem Vater zu Beginn der Behandlung gesagt, dass er der Meinung sei, unsere Mutter sei irgendwann besser in Deutschland aufgehoben. Vielleicht können wir da anknüpfen. Leider wird so ein Gespräch erst in ein paar Monaten stattfinden können, da der Arzt hier in Deutschland ist und meine Eltern jetzt schon wieder im Ausland sind.
    Vielen lieben Dank nochmal für deinen Rat.
    Herzliche Grüße - Anja
  • Hallo Anja,

    was in eurer Situation das Beste ist, müsst natürlich ihr entscheiden. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass bei einer Demenz eigentlich jeder aus dem Umfeld des Erkrankten einen Antrag auf Betreuung beim Vormundschaftsgericht stellen kann, z.B. auch Nachbarn. Das geht ganz formlos. Das Gericht muss dann prüfen, ob und in welchem Umfang eine Betreuung erforderlich ist. (Ich rede hier immer von der gesetzlichen Betreuung, nicht von der Betreuung durch Pflegepersonal.) Das gibt dir und deinem Bruder zwar mehr Möglichkeiten, in die Situation einzugreifen, macht die Entscheidung für euch aber nicht einfacher.

    Gruß,
    Pit
  • Hallo,
    wir hatten das sehr ähnlich erlebt. Irgendwann mussten wir uns um einen Platz im Heim kümmern. Was uns in der Zeit wirklich eine gute Unterstützung war (nicht zu glauben): Der Wohnungsauflöser. Der hatte für Alles Verständnis und hat uns wirklich das Gefühl gegeben: Kümmert Euch um Euch - Wir machen den Rest. Wir fühlten uns supergut aufgehoben und betreut. Der hat uns Sachen in der Wohnung gefunden, die wir nach Wochenlangen Suchen nicht fanden. Nicht nur Wertvolles, das wir verwerten konnten, sondern auch alte Dokumente, Fotos und Briefe. Das haben die alles fotografiert und uns als CD gegeben. Wir brauchten wirklich überhaupt gar nichts zu tun für die Wohnungsauflösung und fühlten uns richtig geborgen. Und supergünstig war es auch noch. Ich will Euch den ans Herz legen: https://www.ruempelheld24.de. Die Machen nicht nur einfache Haushaltsauflösung, sondern auch umfangreiche Entrümpelung. Stichwort Messiewohnung. Das kennen ja viele von uns. Wenn der Rümpelheld24 nicht in der Nähe arbeitet, dann besorgt er Euch ein Partnerunternehmen, das nach seinen Richtlinien arbeitet. Viel Glück.
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