Plötzlich dement

Ich bin neu hier und habe eure Beiträge gelesen und mir geht es ähnlich. Es fing im August diesen Jahres an. Selbst kann ich nur sagen, daß ich rückblickend Veränderungen bemerkt habe aber nicht an Demenz sondern an ein orthopädisches Problem bei den körperlichen Beschwerden und seinem Verhalten auf ein Fremdschauen gedacht habe. Mein Mann ist 61, ich 51. Wir sind kinderlos, betreiben eine kleine Firma. Ich bin die Chefin und mein Mann war immer angestellt in meiner Firma.

Bis Anfang August diesen Jahres hat mein Mann zwar langsamer als vorher gearbeitet und ich habe die Arbeit nicht kontrolliert, weil ich das Vertrauen immer in ihn hatte, daß er das allein macht und mir die wichtigen Sachen sagt. Die Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn und die Kundschaft ist schockiert und hat ebenfalls nichts mitbekommen.

Die Hausärztin hat ihn im August ins Krankenhaus eingewiesen mit Ziffern auf der Überweisung. Vorher habe ich noch nie von einer Wortfindungsstörung gehört und die zweite Ziffer war Diabetes neu einstellen. Im 1. Krankenhaus wurden Stents gesetzt, dann 3 Wochen daheim, da ging er ins Cafe, machte die Betten, ging einkaufen, nahm seine Medikamente, führte Blutdruck und Zucker Tabelle. Dann Ende September lallte er mich vormittags von hinten an und es schrillten die Alarmglocken, daß es ein Schlaganfall sein könnte. Wir fuhren ins Krankenhaus in die Notaufnahme. Er kam sofort auf die Stroke für 3 Tage und 2 Tage Intensiv. Der Arzt hat ihn mit den Worten: 4 Wochen Reha und dann wieder in die Arbeit entlassen. Er war dann 6 Tage daheim und hat zum 1. Mal seinen Schlüssel vergessen. Die Fahrt zur Reha war ganz schlimm. Mein Mann war so nervös und gereizt wie ich es noch nie erlebt habe. Innerhalb von 3 Wochen war mein Mann ein Pflegefall. Körperpflege, Essen, zeitlich und räumlich desorientiert, verbal aggressiv, unselbständig, Geräte nicht mehr bedienbar, Insulin und Medikamenten Gabe erfolgte am Stützpunkt. Nach 3 Wochen holte ich ihn nach Anruf der Reha wegen C-Infektion nach Hause und es war wie auf der Flucht so schnell wollte man ihn loswerden.

Zuhause wusste ich nicht mehr wie es weitergeht. Ich konnte ihn nicht alleine lassen wegen Sturzgefahr, der Überwachung seines Insulin pflichtigen Diabetes, seinem Wunsch an die frische Luft zu kommen. Wir leben im 3. Stock mit Lift und 4 Stufen im Eingangsbereich. Ihm war langweilig und er brauchte Beschäftigung. Wir haben immer viel geredet und plötzlich gab es nichts mehr zum Austausch. Das Zubereiten der Mahlzeiten, Kaffee oder Tee machen, Körperpflege, telefonieren- nichts ging mehr. Jeder Termin ein Aufwand der den halben Tag beanspruchte. Wenigstens kam ich in dieser Zeit nachts zum Schlafen und er hat mich nur zum Pinkeln geweckt. Zwar häufig aber das wäre für mich machbar gewesen.

Ein erneutes MRT, also knapp 6 Wochen nach dem letzten zeigte 3 neue Schlaganfälle und mein Mann blieb 2 Wochen für die Untersuchungen in der Klinik. Er lag nur noch im Bett, konnte sich nicht alleine im Bett aufrichten, nicht sitzen ohne umzufallen. Diagnose: vaskuläre Demenz, subkortikale Demenz, Multiinfarkt Demenz. Es wurde eine weitere Reha eingeleitet und jetzt nach 4 Wochen geht er wieder mit Rolator zur Toilette, bei der Körperpflege bekommt er Hilfe, Essen ist alleine wieder möglich, er bemüht sich bei den Einzel Therapien.

Ich bin mit der Situation so überfordert, verbringe viel Zeit bei ihm, beim Psychologen, versuche ein wenig zu arbeiten, was mir durch Nervosität und Kraftlosigkeit sehr schwer fällt, breche auf Nachfrage der Kundschaft in Tränen aus, habe 10 Kilo auf 55 Kilo abgenommen, bringe es nicht fertig die Wohnung in Ordnung zu halten und mir Mahlzeiten zuzubereiten. Termine wahrnehmen um die weiteren Schritte einzuleiten ist nur mit Hilfe meiner Schwester möglich, weil ich das Gesagte nur halb wahrnehme und nicht mehr einordnen kann wer was gesagt hat und wann und wer aktiv werden muss. Mich macht mein eigenes Verhalten verrückt, ich bin nicht mehr die, die ich war. Hilflos diesem Drama gegenüber zu stehen, sein selbstbestimmtes Leben, die Träume aufzugeben. Zusehen wie die Fähigkeiten des Menschen verschwinden mit dem man glücklich war. Das Gefühl den Partner im Stich zu lassen, zu verraten, einen Schuldigen zu suchen und vor allem nichts mitbekommen zu haben ist unerträglich. Er und ich können nichts dafür. Die wenigsten verstehen, daß es ein großer Unterschied ist ob man für den Partner oder die Eltern die Verantwortung und Entscheidungen übernehmen muss.

Ich habe jetzt einen Pflegeplatz für nach Reha zugesagt. Suche aber verzweifelt nach einem Ausweg oder einer Alternative für die Betreuung um auch noch eine Aussicht auf Zweisamkeit zu haben und noch einen Teil unseres alten Lebens zu leben. Ich würde mich über einen Austausch sehr freuen wie ihr es geregelt habt.

Kommentare

  • Liebe Freiheit, ich glaube am wichtigsten wäre auch für dich mal eine Auszeit um zu Dir zu finden,Dich neu zu strukturieren,Kraft und Energie zu tanken ,wenn es Dir irgendwie möglich ist

    Ich kann nur sagen,ich habe mich nach der Disgnose krank schreiben lassen müssen und bin es auch noch , da ich so tief gefallen bin,dass es nicht funktionierte,weiterhin zu funktionieren, ich war nicht in der Lage weiter zu machen,wie bisher,wir müssen,auch wenn es unheimlich schwer ist , unmöglich scheint,für uns sorgen und acht geben und vor allen Dingen alles an Gefühlen zulassen und sie verarbeiten,damit es besser werden kann um alles was kommt durchzustehen

    mit wurde von der Krankenkasse eine pflegebetreuerin zur Seite gestellt ,dafür bin ich sehr dankbar ihre Tipps sind sehr hilfreich und ich bin dabei Kontakte in meinem Ort zu suchen,die sich in ähnlicher Situation befinden um sich austauschen zu können

    wäre denn nicht erstmal ein Tagespflegeplatz eine Alternative für euch?

    ich wünsche du wirst schnell einen Weg finden um wieder zu Kraft und Energie zu gelangen und dein Mann macht weiterhin Fortschritte

    liebe Grüße Simone

  • Hallo ,wie Simone schreibt ist bei uns die Tagespflege eine Alternative. Ein Heim vermeide ich so lange wie möglich,weil dann fast alle Ersparnisse weg sind. Das alte Leben gibt es aber nicht zurück,wenn der Partner zu Hause ist. Ich schaffe mir manchmal für Stunden oder Tage die Illusion. Mein Mann läuft momentan ständig mit zu hohem Zucker rum. Er findet immer was zu naschen. ... Aber im Heim würde der BZ gar nicht so oft kontrolliert werden. Außerdem nervt mich,dass ich jetzt jedes Mal betteln muss,damit er spritzt. Zweisamkeit heißt: Abends Sofa und Film . :-)

  • Hallo in die Runde

    Nach langer Zeit hab ich mal wieder im forum gelesen- konnte einfach diese Schilderungen nicht mehr gut ertragen -zu Hause ist es schon schlimm genug. Austausch ist gut u richtig aber manchmal kann ich dieses thema nicht mehr hören...geht es euch auch so? Bei uns ist es natürlich auch schlimmer geworden, keine Nacht mehr als 3 -4 Stunden Schlaf am Stück. Alle sagen ich brauche eine Auszeit- haha. Das weiss ich aber das mit der tagespflege ist ein echtes Problem. Die können sich mittlerweile die Leute aussuchen die sie aufnehmen. Mein Mann will oft alle 20 min aufs klo- bildet sich ein er müsse doch endlich mal gross machen obwohl das schon längst erledigt ist. Das Theater macht keine tagespflege mit. Er kann sich auch alleine den po nicht mehr abwischen - auch das ist ein Hindernis. Dazu fehlen einfach die leute - ist ja schon fast eine 1:1 Betreuung. Eine Windel lehnt er kategorisch ab- da kann ich gut zureden oder heulen- kommt nicht bei ihm an. Diese Krankheit hat ihn zum Egoisten gemacht, es muss sich alles um ihn drehen. Null Empathie. Also mache ich weiter wie bisher u steuere auf einen zusammenbrach zu. Eine Freundin hat mir jetzt angeboten, ihn 2 x im Monat im Zuge der verhinderungspflege für einige Stunden zu betreuen ,damit ich mal in ruhe duschen kann oder mal auf einen Kaffee zur Nachbarin . Ohne Angst dass er sich aussperrt oder das Klo vollgeschmiert ist. Wie lange das so weitergehen kann- ich weiss es nicht.

  • Liebe Lilykatze,

    es ist schön, mal wieder von dir zu lesen. Für mich ist Austausch wichtig. Den Egoisten habe ich auch. Zum Glück erinnere ich mich oft daran, dass Humor hilfreich ist. Aber der Partner ist weg !!! Bei uns hat sich übrigens einiges in der Tagespflege erst mal stabilisiert. Er geht nicht mehr einfach weg. Er muss nicht mehr so oft auf Toilette. Zugenommen hat die Abwehr beim Insulin spritzen und das Hin - Herlaufen. Emphatie für mich : oft heißt es "Böse, böse Frau" oder "Du sollst mich nicht bevormunden." Wenn ich gut drauf bin, gibts dafür einen Kuss und manchmal hilft das.

    Liebe Freiheit, wenn du das liest, du findest hier andere Menschen, denen es so geht wie dir :-)

  • Oh Gott,wenn ich all das lese erkenne ich mich so sehr darin wieder!! Jetzt,da mein Mann im Heim ist( es ging nicht mehr anders,denn ich hätte die Pflege Zuhause selbst mit Hilfe nicht mehr geschafft) merke ich erst wie sehr kaputt und fertig ich schon so lange Zeit war!! Und ich kann mir nicht vorstellen daß ich das jemals wieder schaffen könnte was ich jahrelang geschafft habe,es hängt ja auch so viel organisatorisches dran,alles ist durchgeplant,jeder Tag!! Ich komme jetzt schon bißl zur Ruhe alleine nach dem Umzug in eine barrierefreie Wohnung,aber es bleibt eine tiefe tiefe Traurigkeit die ich erstmal langsam verarbeiten muß,denn mein Mann und ich haben unser gemeinsames Leben verloren,nach 36 gemeinsam gelebten Jahren. Das ist schwer.Habe immer versucht unser "normales" Leben so lange wie möglich aufrecht zu halten,aber wenn ich ehrlich bin- was war das noch für ein Leben,für ihn und mich( wir beide können ja nichts dafür) nur ein Abmühen und Plagen,um halbwegs durchzukommen.All das was mein Mann gerne gelebt hat,seine Hobbies,sein Joggen,seine Modelleisenbahn,schwimmen,all das konnte er ja nicht mehr! Nur noch Plage. Es ist sehr traurig,und mein Mann ist ja auch erst 66!!

  • Wie vertraut mir das alles ist. Auch das Gefühl, es einfach nicht mehr zu schaffen. All die guten Ratschläge sind für mich zur Zeit nur eine Belastung mehr ... Sicher wäre Tagespflege eine große Entlastung. Aber wie soll ich meinen Mann dahin schaffen, wenn er sich gegen alles wehrt? Er ist auf "Nein" gebürstet und da helfen keine noch so gut gemeinten Tricks. Ich habe tatsächlich schon mit dem Gedanken gespielt, einfach wegzugehen. Natürlich würde ich das nie tun, aber wenigstens mit dem Gedanken spielen, mal frei zu sein, tut ein kleines bisschen gut. Manchmal spreche ich insgeheim ganz vertraut mit meinem Mann, mit dem Mann, der er einmal war. Der Mann, der heute mit mir lebt, ist durch seine Krankheit ein anderer, der weder sprechen kann noch mitfühlen. Euch allen wünsche ich ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen!

  • Liebe Constanze, den auf Krawalll gebürsteten Typ habe ich hier auch. Ich habe es schon geschrieben, die ersten Wochen in der Tagespflege waren schwierig. Er stand morgens mit Widerstand vor dem Bus. Er ist dort ständig raus gegangen. (Wir haben ihm einen Zettel in das Portemonaie gesteckt, wie er heißt und wo er hin muss.) Ich habe damit gelebt, dass vielleicht was passiert und dann ist es so. Die Tagespflege hat für alle Fälle eine Bescheinigung von mir bekommen, dass sie nicht für alles verantwortlich sein kann. So nach und nach haben wir die Tagespflege von 2 auf 4 auf 5 Tage erhöht. Nach einem halben Jahr war es Routine. Jetzt fahren wir langsam zurück, indem ich ihn an 1-2 Tagen nach dem Mittagessen abhole, weil er dort keine Mittagsruhe macht und viel umher läuft.

  • Liebe Andrea, ich habe lange dem Verlorenen hinterher getrauert. Aber jetzt kann ich 38 gemeinsame Jahre als gut sehen. Na ja, gut waren die nicht immer, aber sie waren das, was unser gemeinsames Leben war.

  • Hallo Ihr Lieben- ich trauere nichts mehr nach- ich wünschte mir nur,dass ich aus diesem Leben raus könnte und noch etwas , von dem ich mir für mein rentnerleben vorgenommen hatte , durchziehen könnte.... ich kann mich ja noch nicht mal um meine enkel kümmern weil mein Mann all meine Aufmerksamkeit auf sich zieht . Die enkel entfernen sich immer mehr von mir u ich werde langsam neidisch auf die andere Oma. Die hatxalke Zeit der welt- da kann ich nicht mithalten u das tut weh.

  • Gibt es denn keine Betreuungskräfte, die dir helfen könnten? Ich versuche einfach alles Geld was die Kasse zahlt in Kurzzeitpflege zu investieren. Ich habe anfangs nicht gefragt, ob mein Mann das will oder nicht. Und ja, mein Mann ist letztens auch von der Kurzzeitpflege aus 10 Stunden in der Nacht weg gewesen (und das in Groß-Berlin) . Aber hin und wieder muss ich allein raus. Aber das mit den Enkeln kenne ich auch (es gibt nur einen). Wie oft würde ich einfach gern losfahren und ihn besuchen, Bildtelefon hilft, aber nicht immer.

  • Eine Bekannte hat sich bereit erklärt , 2 x im Monat im Rahmen der verhinderungspflege auf meinen Mann aufzupassen. Noch kann er sich nicht daran gewöhnen dass ich dann ganz weg bin u er mit ihr allein ist. Er hat wahnsinnige Angst dass er gerade dann Stuhlgang hat u will auf keinen Fall dass sie ihm jemand fremdes den po abwischt. Also belassen wir es vorerst bei einigen Stunden- das reicht gerade mal für s Zeitung lesen oder einen Spaziergang oder mal in ruhe duschen u die Buchhaltung machen. Ist alsonicht wirklich eine echte Entlastung- aber immerhin etwas. Wir werden natürlich versuchen es auszuweiten.

  • Manchmal wünschte ich mir dass er mich nicht mehr erkennt- dann könnte ich rigoroser sein. Aber er ist manchmal ein solches häuflein elend- ich bringe es nicht übers herz ihn " abzuschieben". So empfindet er es eben, er ist noch ziemlich klar in dieser Beziehung. Unsere pflegeberaterin meinte auch, höchstwahrscheinlich würde es schlimmer werden mit ihm wenn ich ihn wo abgebe. Das kann ich nicht gebrauchen, ist ja schon so äußerst anstrengend.

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