Bewegungsblockaden

Hallo,
meine Frau ist an Alzheimer-Demenz erkrankt. Ihre Mobilität ist inzwischen eingeschränkt und sie ist für längere Strecken auf den Rollstuhl und beim gelegentlichen Gehen immer auf Hilfen (Haltegriffe, Führung an der Hand, Rollator) angewiesen.
In bestimmten Situationen beobachtete ich bei meiner Frau trotz Hilfen und Unterstützung beim Gehen z.B. vor Türrahmen, vor Stufen und auch gelegentlich sogar vor Farbänderungen des Bodenbelages ein "Erstarren" der Bewegung, die sich dann erst relativ langsam wieder "normalisiert".
Diese Bewegungsblockade ist bei ihr besonders stark und lange ausgeprägt sobald sich zusätzlich Stress- oder Angstsituationen einstellen.

Wer macht vergleichbare Erfahrungen?

Kommentare

  • Vergleichbare Erfahrungen mache ich mit meiner Mutter.
    Bei ihrem letzten Aufenthalt in der Gerontopsychiatrie habe ich einen Mann kennengelernt, bei dem diese Unsicheit in einer "unpraktischen" Weise weiterentwickelt war: er ging über mehrer Meter zügig, dann wurden die Schritte immer schneller und kürzer. Zuletzt trippelte er auf der Stelle und fiel dann regelmäßig und vorhersehbar um. Seinen Rollator hat er dafür natürlich vorher irgendwo stehen lassen. Man hat es dann mit einer Maxi-Version eines "Baby-Gehwagens" versucht.
    Da ist mir die "übertriebene Vorsicht" meiner Mutter allemal lieber. Trepp-auf und trepp-ab setzt sie immer den rechten Fuß auf die nächste Stufe und zieht den linken nach. Manchmal muss sie auch dabei überlegen, welcher Fuß nun der rechte ist. Dafür hat sie sich beim Herumlaufen aber noch nie verletzt.
    Mich fasziniert auch immer wieder, dass man sie lediglich locker an der Hand halten muss, damit sie sicher geht. Mit körperlicher Unterstützung hat das nichts zu tun. Meiner Mutter muss man, wenn sie "blockiert", einfach Zeit lassen. Viel mehr Schwierigkeiten habe ich mit meinem Vater. Der bringt die notwendige Gedult fast nie auf und kann sich auch in solchen Situationen nicht damit abfinden, dass meine Mutter nun mal so krank ist, wie sie ist.
  • Ich kenne dieses Problem bei meinem Mann (bis jetzt jedenfalls) nicht, aber wahrscheinlich ist das Gehirn einfach überlastet, vergleichbar mit einem alten PC, der ein neues Programm anwenden soll, welches großen Arbeitsspeicher braucht. Und wenn mehrere Anwendungen offen sind (Stress, Angst) dauert es noch länger.
    Aber das Problem mit der fehlenden Geduld kenne ich auch bei mir, manchmal gelingt es, manchmal nicht...
  • Hallo an alle,
    das Problem mit dem "Erstarren" vor Schwellen, Stufen, Zebrastreifen usw. hat bei Demenzkranken häufig mit einer veränderten optischen Wahrnehmung zu tun. Ein dunkler Boden kann beispielsweise als Abgrund wahrgenommen werden, die Tiefe von Stufen lässt sich nicht mehr abschätzen usw. Das führt natürlich zu vorsichtigem und ängstlichem Verhalten. Ein Mensch an der Seite, der die Hand hält und Sicherheit gibt, kann für die Betroffenen eine große Erleichterung sein.

    Viele Grüße,
    Susanna Saxl
    Aministratorin
  • Ich mache exakt die gleichen Erfahrungen mit meinem Mann (64 Jahre alt - Diagnose vor 6 Jahren). Er kann nur noch schlecht gehen, ich habe jetzt einen Rollstuhl beantragt. Er bleibt ebenfalls vor jeder Türschwelle stehen (erstarrt), Teppiche irritieren ihn, anderer Bodenbelag ebenso. Ich muss ihn dann mit sanfter Gewalt weiterschieben. Ganz schlimm sind Treppenstufen. Er ist nur sehr schwer dazu zu bewegen, eine Treppe hinunter oder hinauf zu gehen, obwohl er - je nach Tagesform - noch dazu in der Lage wäre. Meine Vermutung: die Fähigkeit des dreidimensionalen Sehens ist weitgehend verloren gegangen. Mein Mann hat z. B. auch Probleme, einen Joghurtbecher vollständig zu leeren und greift beim Essen oft daneben. Auch erkennt er nicht, dass Stickereien auf Deckchen ein Teil derselben sind und nicht aufgehoben werden können. Aber mich würde auch interessieren, ob andere Angehörige ähnliche Beobachtungen gemacht haben. Gibt es Tipps, wie man mit dem Problem der Treppenstufen umgehen kann? Nur Hand halten hilft bei meinem Mann leider nicht. Er hat einfach panische Angst.
  • Bei meinem Papa war das auch so: Zoegern vor Veraenderungen im Bodenbelag, Treppen, Ritzen im Buergersteig, Bordsteinkante usw. Wir haben saemtliche "Laeufer" (diese laenglichen Teppiche)entfernt, alles was visuell irgendeine Veraenderung der Oberflaeche war. Keine Bettvorleger, keine Kloumrandung (die ja ohnehin eher ekelig ist) etc. Wenn wir nach draussen gegangen sind, habe ich oft knallrote Schuhe (hatte ich extra dafuer gekauft) angezogen und ich bin vorausgegangen. Dann haben wir uns an den Haenden gehalten haben und ich habe ihm gesagt habe, er soll dahin treten, wo meine Fuesse sind. Das hat bei uns das ganz gut geklappt (und ziemlich bloede ausgesehen). Ich glaube auch, das es mit der visuellen Wahrnehmung (vielleicht auch mit alten Brillen, die gar nicht mehr stimmen) zusammenhaengt. Wir hatten Glueck und haben noch eine neue Brille gekauft, als er ihm noch moeglich war. Ich stelle mir das sehr furchterregend vor, wenn man nicht mehr genau erkennen, wohin man eigentlich hintreten soll. Da braucht man schon einen Menschen an seiner Seite, dem man sozusagen blind vertraut. Mittlerweile kann er nicht mehr laufen, aber ich habe immer noch die roten Schuhe und "zeige" ihm, wo wir hingehen. Manchmal denke ich, man sollte das alles selber mal ausprobieren. Bei diesem Thema buchstaeblich mit Vaseline auf der Brille. Dann versteht man es ein bisschen besser und vor allem, wie es sich anfuehlt! Ich hab mich mal in unseren Rollstuhl gesetzt: Grosse Guete, ruecklings die Bordsteinkante runter oder ueberhaupt rueckwaerts fahren... Da kann ich auch verstehen, dass man vor lauter Angst sauer wird.

    Ich finde, zoegern bei Unsicherheit, Angst haben und vorsichtig sein, das sind doch alles gesunde Impulse. Wuerden wir auch so machen, wenn die Welt schwer erkennbar ist, aus was fuer Gruenden auch immer, oder?

    Ich hab mit meinem Papa jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass alles! alles! verstaendlich und nachvollziehbar ist, wenn ich mich in seine Welt begebe.

    Aber wir haben auch frueh genug Hilfe geholt, weil es aufgrund der Tatsache, dass ich eigentlich sehr sehr wit weit wegwohne nicht anders ging.
    Hilfe in Anspruch nehmen ist kein Makel!

    Von Herzen alles alles Gute

    Nena
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