Wie geht es meinem Vater, wenn er so ausrastet?

Hallo,

ich habe keine Ahnung, ob mir jemand diese Frage beantworten kann. Ich habe so viel über Alzheimer gelesen, wie ich finden konnte, über den Umgang damit und so weiter.

Bei uns ist es jetzt seit ein, zwei Tagen so, dass mein Vater ständig davon spricht, von seinem Pfleger (24-Stunden-Pflege) geschlagen und beklaut und zu Boden gestoßen zu werden, er hätte ein Verhältnis mit der Frau meines Vaters usw. Ich weiß, gehört alles zum Krankheitsbild dazu, und damit habe ich mich irgendwie schmerzlich abgefunden. Also zu ertragen, wenn es solche Dinge behauptet und so ausfällig wird.

Aber, was ich kaum aushalte ist: Wie geht es IHM dabei?

Wenn er das alles wirklich glaubt, wie entsetzlich, schrecklich ist das Leben dann für ihn. Ich hoffe ja immer, dass er es genau so schnell vergisst, wie alles andere, aber genau DAS scheint nicht zu passieren. Dass der Pfleger ein "Verbrecher" ist und so weiter ist jetzt fest in seinem Kopf, obwohl er ihn die ersten sechs Wochen sogar richtig gut fand.

Vielleicht gibt es keine Antwort darauf, aber glaubt ihr, dass mein Vater sich TATSÄCHLICH die ganze Zeit so fühlt, als würde er betrogen, beklaut, geschlagen und eingesperrt. Quasi ununterbrochen?

Kommentare

  • Diese Frage habe ich mir auch gestellt, wenn meine Mutter wieder von wirren Ängsten geplagt wurde, wo denn ihre kleine Tochter ist (ist mittlerweile Oma), wer ihr etwas weggenommen hat, wer sie allein gelassen hat etc. etc.. So, wie ich es sehe, sind die Ängste wohl sehr real. Man merkt dies ja an ihrer Körpersprache und dem, was sie sagt. Mein "Rezept" dagegen: auf die Ängste eingehen und beruhigen! Bei meiner Mutter genügt es oft schon, mehrmals zu sagen: "Es ist alles in Ordnung!" Dann beruhigt sie sich und vergisst ihren Kummer. Viele Stunden lang ist dann wirklich alles in Ordnung, dann gibt es vielleicht wieder Unruhe, weil man irgendeinen Mann gesehen hat, der da im Schlafzimmer war und etwas weggenommen hat. Dann geht es wieder von Neuem los: Darauf eingehen, besänftigen und beruhigen, bis sie wieder vergisst. Anstrengend manchmal, aber bei meiner Mutter hilft es meist. Ihre extreme Vergesslichkeit hilft dabei. Auf diese Weise haben wir meist eine gute Zeit, auch wenn manchmal wieder die "Dämonen" toben.

    Viel Kraft!

    Lisa
  • Liebe Lisa,

    vielen Dank für deine einfühlsame Antwort. Ich habe deinen Tipp ausprobiert und sage ihm immer wieder, dass alles in Ordnung ist, dass ich mich um alles kümmere und so fort. Widerspreche nicht, höre es mir an und versuche abzulenken.

    Nur, und das ist meine Anschlussfrage: Es bringt im Grunde nichts. Er beruhigt sich nicht, er glaubt mir nicht, am Ende ist er beleidigt und macht mir Vorwürfe, dass ich ihm nicht helfe. Ich würde ihn allein lassen, er würde eingehen und mich brauchen und ich würde nichts für ihn tun.

    Da frage ich mich dann schon, vor allem wenn er etwas klarer ist und das trotzdem sagt, ob ich nicht auch mal versuchen sollte, DOCH zu widersprechen. Ihm klarzumachen, dass niemand ihn schlägt und betrügt, sondern im Gegenteil ALLE nur bestrebt sind, ihm das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Gott, und das ist wirklich so, seit Jahren!!!!

    Du siehst, heute bin ich richtig sauer, weil sein Verhalten leider sämtliche Knöpfe bei mir drückt, denn er glaubte immer schon der Mittelpunkt des Universums zu sein und dass alle dazu da sind, es ihm recht zu machen. In dieser Hinsicht hat diese schreckliche Krankheit leider nichts verändert (wäre ja schön, wenn er das mal vergessen würde und nicht alles andere ...)
  • Hallo Liss, hallo Lisa,

    ich stimme Dir, Lisa, vollkommen zu: Die Aengste und Anschuldigungen sind fuer den Betroffenen durchaus sehr real und genau deshalb muessen sie auch ernst genommen werden.

    Du und Deine Mutter, ihr habt grosses Glueck, dass es sie beruhigt, wenn Du ihr versicherst, dass alles in Ordnung ist.

    Liss, ich glaube, dass Dir die Validationsprinzipien von Naomi Feil weiterhelfen koennten. Auch wenn man mit dem theoretischen Hinterbau nicht unbedingt 100% uebereinstimmt, ist ihre Heransgehensweise - zumindest meiner Meinung nach - sehr ueberzeugend.

    Genau die Themen, dass Du sauer wirst, wenn Dein Vater "Deine Knoepfe drueckt" und er nach Deinen Beruhigungsversuchen noch aufgebrachter ist, spricht sie u.a. an.

    Wenn Du nach "Naomi Feil Validation" suchst, finden sich sehr viele Ergebnisse sowohl auf englisch als auch auf deutsch. Ich finde die Videos, in denen man Naomi bei ihrer Arbeit sehen kann, total herzergreifend.

    Hat Dein Vater eine Demenz vom Alzheimer Typ? Gibt es ausser Dir (und dem Pfleger) noch ein Familienmitglied, das Dir hilft, sich um Deinen Vater zu kuemmern?

    Ich hoffe, der Tip hilft Dir ein bisschen weiter.

    Ich wuensch Euch alles Gute!
  • Hallo Nenna,

    ja, nun habe ich ziemlich viele Videos von Naomi Feil gesehen und bin in Tränen aufgelöst. Vielen Dank für diesen Hinweis. Man muss das richtig lernen, das ist mir klar, aber vielleicht kann ich etwas davon umsetzen. Ich schätze, man darf sich gegen all das einfach nicht wehren ...

    Diagnose ist Alzheimer mit unklarer Ausprägung. Mein Vater hat eine Frau, doch leider konnten die beiden sich schon lange vor Ausbruch seiner Krankheit nicht mehr leiden ... Komplizierte Geschichte. So ist er jetzt nicht gerade von Geduld und Zärtlichkeit umgeben.

    Viele Grüße.
  • Nachdem, wie Du bislang geschrieben hast, habe ich vermutet, dass Naomi Feil Dich anspricht!

    Du kannst ganz bestimmt einen Teil davon umsetzen, davon bin ich ueberzeugt! Und hoffentlich wird es Dir selber auch durch das 'Zentrieren' etwas leichter fallen.

    Alles Gute
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