Heinrich-Sengelmann KHS, Bargfeld-Stegen
Ich möchte diese Erfahrung öffentlich machen,um dazu beizutragen,daß sich die Situation für Demenzkranke in Krankenhäusern verbessert:
Da durch das Fortschreiten der Demenz meines Vaters die sichere Unterbringung in einer offenen Einrichtung nicht mehr gewährleistet war (seine nächtlichen Ausflüge zur Arbeit wurden immer häufiger und er reagierte laut Pflegebericht ungehalten,wenn man ihn davon abbringen wollte), wurde vom Pflegepersonal und dem behandelnden Neurologen eine Einweisung auf die geschlossene Gerontopsychiatrische Station des Heinrich-Sengelmann KHS in Bargfeld-Stegen empfohlen.Es sollte eine medikamentöse Neueinstellung erfolgen.Alles ging sehr schnell und wir hatten keine Zeit,diesen Schritt zu überdenken, aber uns wurde mehrfach versichert, daß man dort auf solche Patienten eingestellt wäre und der Personalschlüssel sehr gut wäre.
Bei meinem ersten Besuch,unmittelbar nach der Einweisung,traf ich meinen Vater,aufrecht gehend,in guter Stimmung an. Er sprach in ganzen Sätzen und suchte einen Ausgang.Nach Ansprache setzte er sich zu mir und wir unterhielten uns. Ich ging, in der Annahme,daß er dort gut aufgehoben wäre und fragte täglich telefonisch nach seinem Befinden/ Verhalten.Die Auskünfte waren ebenfalls beruhigend und gleichbleibend; er wäre nachts noch ein wenig "herum gegeistert",hätte dann jedoch geschlafen.
Ich vereinbarte einen Termin mit dem behandelnden Arzt,der fünf Tage nach der Aufnahme lag. Als ich diesen dann, wie verabredet, wahrnahm, schien der Arzt überrascht zu sein und ich nannte ihm den Namen. Er ging , um in die Akte zu schauen, kam wieder und konnte offensichtlich keine Verbindung zu meinem Vater, der neben mir stand, herstellen. Wir führten ein kurzes Gespräch,während dessen der Arzt recht einsilbig war.Es gelang mir, zumindest auf die Frage, was das Ziel der med. Neueinstellung wäre, die Antwort "damit er nachts schläft, wie das sein soll" zu erhalten. Meine Schwester hatte nach zehn Tagen ein weiteres Gespräch mit dem Arzt,bei dem sie auch den Eindruck gewann,er würde meinen Vater nicht kennen und welches ähnlich unergiebig war. Sie erhielt ebenfalls keine Informationen über die neuen Medikamente, die Dosierung, deren Nebenwirkungen und Sinn und Zweck der Behandlung.
Es schien,als wäre bei Einweisung eine Art Automatismus ausgelöst worden, der Beratung, Aufklärung und Aufzeigen weiterer Optionen überflüssig macht.
Da mir der Arzt empfohlen hatte, mit den Pflegern zu sprechen, versuchte ich dies bei meinen Besuchen natürlich, um den Umgang mit meinem Vater zu erleichtern und dadurch den Aufenthalt für ihn möglichst angenehm zu gestalten. Ich bemühte mich relevante Informationen über Lebensgewohnheiten und Persönlichkeit zu vermitteln und bekam als Antwort nur "Wie langweilig". Ich äußerte auch, in der Hoffnung auf qualifizierte Tipps, daß wir uns nach einer möglichst guten,dauerhaften Unterbringung umsehen wollten. Dem Pfleger fiel darauf leider nur "Das wollen sie alle" ein. Des weiteren ließ er mich noch "vertraulich" wissen, daß "diese" Arbeit eh keiner machen will.(Man muß kein Psychologe sein, um zu erkennen, daß er von sich selbst sprach...)
Als ich ging und er mir die Tür aufschloß,hatte er jedoch plötzlich sichtliches Vergnügen daran, mir mitzuteilen, daß mein Vater an einem fremden Schrank war und in den BHs gewühlt hätte und verabschiedete sich, süffisant grinsend, mit den Worten "Da hatten wir schon viel Schlimmere hier" von mir.
Ich frage mich,wie diese, zu einem seltsamen Zeitpunkt gegebene Information,hilfreich sein könnte und komme zu dem Schluß,daß das Konfrontieren der Angehörigen mit dem ungewöhnlichen,krankheitsbedingten Verhalten der ihnen Nahestehenden,diese dazu bringen soll, in den dort herrschenden Tenor "Es hat keinen Sinn, sich mit diesen Patienten auseinanderzusetzen und sich um sie zu bemühen" beschämt und resigniert einzustimmen und niemanden vom Personal mit Gesprächen oder Fragen aufzuhalten.
Ein weiteres Indiz für diese Folgerung ist noch ein Detail aus einem Arztgespräch, in dem mitgeteilt wurde,daß mein Vater jeden morgen volkommen desorientiert, eingekotet und eingenäßt aufwachen würde. Ich frage mich,welchen Zustand der Arzt nach 10-12 stündiger Fixation im Bett (s.u.) erwartet hat. Auch in diesem Zusammenhang erfolgte weiterhin keine Aufklärung über die Nebenwirkungen der verabreichten,hochdosierten Neuroleptika.
An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daß ich bei meinen,insgesamt sieben,Besuchen nicht einmal eine Kontaktaufnahme zwischen Besuchern/Patienten und Personal, beobachten konnte.
Während meiner Besuche in den ersten vierzehn Tagen fragte ich immer wieder verschiedene Pfleger/innen explizit nach aggressivem Verhalten seitens meines Vaters und bekam jedesmal beruhigende Antworten "Ach...nein, da ist nichts Schlimmes" u.ä. Umso überraschter waren wir, als wir einen Anruf erhielten, indem wir aufgefordert wurden, am nächsten Vormittag die Zustimmung zur weiteren geschlossenen Unterbringung und das Einverständnis für freiheitsentziehende Maßnahmen zu geben.
Ich telefonierte mit dem Arzt und fragte nach den Gründen. Er schien auch hiervon wieder sehr überrascht zu sein und sagte nur,das Pflegepersonal müßte vor aggressivem Verhalten geschützt werden. Auf mein genaueres Nachfragen, wann und warum mein Vater aggressiv werden würde,meinte er "bei kleinen Handreichungen der Pfleger" und empfahl mir erneut mit den Pflegern zu sprechen. Das tat ich und erfuhr, daß mein Vater die Getränke der Mitpatienten nahm, eine Frau im Rollstuhl geschoben hatte (er war es seit einigen Jahren gewohnt unserer rollstuhlabhängigen Mutter zu helfen, doch auch diese,von mir gegebene Information wurde gelangweilt mehr oder weniger zur Kenntnis genommen) und weitere, nicht selbstgefährdende, aber Pflegeaufwand verursachende Verhaltensweisen.Leider waren wir komplett überrumpelt und haben unterschrieben,denn auch diesmal wurden wir beruhigt.Uns wurde gesagt, er würde nur in einem Stuhl mit Tisch (stellte sich später als Gurt heraus) für 10-15 Minuten fixiert werden.
Bei einem erneuten Telefonat mit dem Arzt, ein paar Tage nach der Einverständniserklärung,fragte ich erneut genauer nach den Medikamenten und Art und Dauer der Fixierungen. Er meinte, darüber sei er nicht informiert, das würden allein die Pfleger entscheiden (also auch oben erwähnter Pfleger, der offensichtlich nicht gern mit Demenz-Patienten arbeitet...). Da ich äußerte, daß dies doch auch seiner Verantwortung unterliegen würde, schaute er wohl widerstrebend in die Akte und las mir vor, daß u.a. eine Fixierung im Bett, von ca 17.00 bis 07.00 erfolgt war. Als ich diesbezüglich noch weitere Fragen hatte, sagte er, er könne hier keine Recherchen für mich betreiben, da er sich um fünfzehn Patienten kümmern müsse.
Auch diesen Arzt habe ich nicht einmal im Kontakt mit einem Patienten gesehen. Er huschte nur hin und wieder über den Flur,um hinter verschlossenen Türen zu verschwinden,wenn er nicht gerade im Dienstzimmer mit den Pflegerinnen scherzte. Auch hier wünschte ich,daß die Fröhlichkeit bis zu den Patienten dringen würde,aber leider sah man außerhalb des Dienstzimmers nur versteinerte Mienen.
Meinem Vater ging es zusehends schlechter. Er konnte durch die Sedierung kaum sprechen und zeitweise kaum laufen. Die Stärke der Sedierung hielt das Pflegepersonal jedoch nicht davon ab, das vorgegebene Tagesprogramm durchzuziehen. So erlebte ich bei einem Besuch, daß eine Pflegerin mit ihm und einer weiteren Patientin einen kleinen Spaziergang machen wollte. Eine sehr zu begrüßende Maßnahme, wenn die Durchführung nur nicht so gänzlich an den Bedürfnissen der Patienten vorbei gegangen wäre.An diesem Morgen hatten wir ca 4° und einen sehr scharfen Wind. Ich hatte mich gerade mit der Pflegerin freundlich über das Wetter unterhalten.Sie zog sich eine Jacke über, schien es aber nicht für nötig zu halten, der anderen Patientin, die nur einen dünnen Baumwollpulli trug, die gleiche Fürsorge angedeihen zu lassen. Mein Vater konnte weder laufen, noch den Kopf heben,kaum etwas wahrnehmen und wurde am ausgestreckten Arm gezogen. Ich fragte ihn dann direkt, ob er das möchte. Er konnte immerhin noch ein Nein äußern und die beiden Damen gingen allein.
Am nächsten Tag erlebte ich einen Arztbesuch / Visite (?). Beim Kaffeetrinken auf dem Zimmer kam eine Oberärztin sehr geräuschvoll zu uns hereingestürmt,sagte mit lauter Stimme "Herr .... ,ich bin Dr. .... ,wir kennen uns noch nicht. Sie sind wohl neu hier (Er war zu dem Zeitpunkt drei Wochen dort). Gibt es etwas, was Sie mir hier und jetzt mitteilen müssen ?"
Natürlich konnte mein Vater nichts Nützliches äußern, da er eh kaum noch sprechen konnte und durch dieses einschüchternde Verhalten sehr erschrocken und verunsichert war.
Die Oberärztin ging sofort wieder.Sie hatte mich kaum eines Blickes gewürdigt,geschweige denn mit mir geredet.
Auch hier frage ich mich,was der Sinn und Zweck dieses durchaus dramatischen Auftritts war. Hilfreich für meinen Vater,dessen Behandlung oder für seine Angehörigen war er jedenfalls nicht.
Vielleicht ging es nur um die Legitimierung der Rechnung für die Chefarzt/Oberarzt-Behandlung von Privatpatienten ?
Am gleichen Tag fragte ich eine Pflegerin, wie es im Moment tagsüber mit Toilettengängen/Inkontinenz aussehen würde. Obwohl sie sagte,daß sie ihn seit seiner Aufnahme kennen würde,konnte sie nichts dazu äußern.
Ab diesem Zeitpunkt wurde ich vom Pflegepersonal regelrecht schikaniert.Als ich nach der Mittagsruhe zehn Minuten zu früh zu Besuch kam,was bis dato bei mir oder anderen Besuchern nie ein Problem war,wurde ich streng ermahnt gefälligst die Besuchszeiten einzuhalten. Ein weiterer Besucher,der mit mir zusammen hereingelassen wurde,durfte ohne Belehrung eintreten...
Als ich bei einer anderen Gelegenheit sehr friedlich mit meinem Vater zusammen saß,wurde ich mehrfach hinausgescheucht,da ich angeblich falsch geparkt hätte.Ich hatte mein Auto,wie immer und wie die anderen Besucher,abgestellt,die unbehelligt blieben.Auch hier hat mich erstaunt,wieviel Engagement die Pfleger auf einmal mobilisieren konnten und ich wünschte,sie würden ihre Energie in einen freundlichen,wertschätzenden Umgang mit ihren Patienten investieren!
Wir haben den Aufenthalt dann schnell beendet.
Glücklicherweise ist mein Vater nun in einem Haus untergebracht, indem eine liebevolle,anregende Atmosphäre herrscht und ich konnte bereits nach wenigen Tagen (die Psychopharmaka wurden schrittweise deutlich reduziert) positive Verhaltensänderungen beobachten. Er hat sehr viele Handlungsabläufe zurückgewonnen und ist wieder in der Lage normal zu sprechen, Zähne zu putzen, auf die Toilette zu gehen u.v.m.. Die Pflegerinnen beschreiben ihn als umgänglich,zuvorkommend,lieb und süß ! Sie haben keine Probleme mit aggressivem Verhalten.
An dieser Stelle möchte ich dem Pflegepersonal dieser Einrichtung herzlich für ihre großartige Arbeit,die wirklich sehr schwierig und anstrengend ist, danken !
Der Aufenthalt auf der geschlossenen psychiatrischen Station des Heinrich-Sengelmann-KHS hat meinem Vater wirklich nichts gebracht. Im Gegenteil, er mußte leider überflüssigerweise eine sehr unangenehme Zeit durchleben, in der er entwürdigt wurde, isoliert, verunsichert war und einen sehr unglücklichen Eindruck machte.Es hat ihm geschadet.
Wir werden ihm nie wieder so etwas zumuten.
Mein Rat für Angehörige in ähnlich belastenden Situationen ist: sorgen Sie für Unterstützung,gehen Sie in Begleitung zu Besuch oder zu Arztgesprächen.Schämen Sie sich nicht für den Kranken. Lassen Sie sich nicht verunsichern.
(Beitrag nachträglich am 31., Mai. 2012 von Sparkle editiert)
Da durch das Fortschreiten der Demenz meines Vaters die sichere Unterbringung in einer offenen Einrichtung nicht mehr gewährleistet war (seine nächtlichen Ausflüge zur Arbeit wurden immer häufiger und er reagierte laut Pflegebericht ungehalten,wenn man ihn davon abbringen wollte), wurde vom Pflegepersonal und dem behandelnden Neurologen eine Einweisung auf die geschlossene Gerontopsychiatrische Station des Heinrich-Sengelmann KHS in Bargfeld-Stegen empfohlen.Es sollte eine medikamentöse Neueinstellung erfolgen.Alles ging sehr schnell und wir hatten keine Zeit,diesen Schritt zu überdenken, aber uns wurde mehrfach versichert, daß man dort auf solche Patienten eingestellt wäre und der Personalschlüssel sehr gut wäre.
Bei meinem ersten Besuch,unmittelbar nach der Einweisung,traf ich meinen Vater,aufrecht gehend,in guter Stimmung an. Er sprach in ganzen Sätzen und suchte einen Ausgang.Nach Ansprache setzte er sich zu mir und wir unterhielten uns. Ich ging, in der Annahme,daß er dort gut aufgehoben wäre und fragte täglich telefonisch nach seinem Befinden/ Verhalten.Die Auskünfte waren ebenfalls beruhigend und gleichbleibend; er wäre nachts noch ein wenig "herum gegeistert",hätte dann jedoch geschlafen.
Ich vereinbarte einen Termin mit dem behandelnden Arzt,der fünf Tage nach der Aufnahme lag. Als ich diesen dann, wie verabredet, wahrnahm, schien der Arzt überrascht zu sein und ich nannte ihm den Namen. Er ging , um in die Akte zu schauen, kam wieder und konnte offensichtlich keine Verbindung zu meinem Vater, der neben mir stand, herstellen. Wir führten ein kurzes Gespräch,während dessen der Arzt recht einsilbig war.Es gelang mir, zumindest auf die Frage, was das Ziel der med. Neueinstellung wäre, die Antwort "damit er nachts schläft, wie das sein soll" zu erhalten. Meine Schwester hatte nach zehn Tagen ein weiteres Gespräch mit dem Arzt,bei dem sie auch den Eindruck gewann,er würde meinen Vater nicht kennen und welches ähnlich unergiebig war. Sie erhielt ebenfalls keine Informationen über die neuen Medikamente, die Dosierung, deren Nebenwirkungen und Sinn und Zweck der Behandlung.
Es schien,als wäre bei Einweisung eine Art Automatismus ausgelöst worden, der Beratung, Aufklärung und Aufzeigen weiterer Optionen überflüssig macht.
Da mir der Arzt empfohlen hatte, mit den Pflegern zu sprechen, versuchte ich dies bei meinen Besuchen natürlich, um den Umgang mit meinem Vater zu erleichtern und dadurch den Aufenthalt für ihn möglichst angenehm zu gestalten. Ich bemühte mich relevante Informationen über Lebensgewohnheiten und Persönlichkeit zu vermitteln und bekam als Antwort nur "Wie langweilig". Ich äußerte auch, in der Hoffnung auf qualifizierte Tipps, daß wir uns nach einer möglichst guten,dauerhaften Unterbringung umsehen wollten. Dem Pfleger fiel darauf leider nur "Das wollen sie alle" ein. Des weiteren ließ er mich noch "vertraulich" wissen, daß "diese" Arbeit eh keiner machen will.(Man muß kein Psychologe sein, um zu erkennen, daß er von sich selbst sprach...)
Als ich ging und er mir die Tür aufschloß,hatte er jedoch plötzlich sichtliches Vergnügen daran, mir mitzuteilen, daß mein Vater an einem fremden Schrank war und in den BHs gewühlt hätte und verabschiedete sich, süffisant grinsend, mit den Worten "Da hatten wir schon viel Schlimmere hier" von mir.
Ich frage mich,wie diese, zu einem seltsamen Zeitpunkt gegebene Information,hilfreich sein könnte und komme zu dem Schluß,daß das Konfrontieren der Angehörigen mit dem ungewöhnlichen,krankheitsbedingten Verhalten der ihnen Nahestehenden,diese dazu bringen soll, in den dort herrschenden Tenor "Es hat keinen Sinn, sich mit diesen Patienten auseinanderzusetzen und sich um sie zu bemühen" beschämt und resigniert einzustimmen und niemanden vom Personal mit Gesprächen oder Fragen aufzuhalten.
Ein weiteres Indiz für diese Folgerung ist noch ein Detail aus einem Arztgespräch, in dem mitgeteilt wurde,daß mein Vater jeden morgen volkommen desorientiert, eingekotet und eingenäßt aufwachen würde. Ich frage mich,welchen Zustand der Arzt nach 10-12 stündiger Fixation im Bett (s.u.) erwartet hat. Auch in diesem Zusammenhang erfolgte weiterhin keine Aufklärung über die Nebenwirkungen der verabreichten,hochdosierten Neuroleptika.
An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daß ich bei meinen,insgesamt sieben,Besuchen nicht einmal eine Kontaktaufnahme zwischen Besuchern/Patienten und Personal, beobachten konnte.
Während meiner Besuche in den ersten vierzehn Tagen fragte ich immer wieder verschiedene Pfleger/innen explizit nach aggressivem Verhalten seitens meines Vaters und bekam jedesmal beruhigende Antworten "Ach...nein, da ist nichts Schlimmes" u.ä. Umso überraschter waren wir, als wir einen Anruf erhielten, indem wir aufgefordert wurden, am nächsten Vormittag die Zustimmung zur weiteren geschlossenen Unterbringung und das Einverständnis für freiheitsentziehende Maßnahmen zu geben.
Ich telefonierte mit dem Arzt und fragte nach den Gründen. Er schien auch hiervon wieder sehr überrascht zu sein und sagte nur,das Pflegepersonal müßte vor aggressivem Verhalten geschützt werden. Auf mein genaueres Nachfragen, wann und warum mein Vater aggressiv werden würde,meinte er "bei kleinen Handreichungen der Pfleger" und empfahl mir erneut mit den Pflegern zu sprechen. Das tat ich und erfuhr, daß mein Vater die Getränke der Mitpatienten nahm, eine Frau im Rollstuhl geschoben hatte (er war es seit einigen Jahren gewohnt unserer rollstuhlabhängigen Mutter zu helfen, doch auch diese,von mir gegebene Information wurde gelangweilt mehr oder weniger zur Kenntnis genommen) und weitere, nicht selbstgefährdende, aber Pflegeaufwand verursachende Verhaltensweisen.Leider waren wir komplett überrumpelt und haben unterschrieben,denn auch diesmal wurden wir beruhigt.Uns wurde gesagt, er würde nur in einem Stuhl mit Tisch (stellte sich später als Gurt heraus) für 10-15 Minuten fixiert werden.
Bei einem erneuten Telefonat mit dem Arzt, ein paar Tage nach der Einverständniserklärung,fragte ich erneut genauer nach den Medikamenten und Art und Dauer der Fixierungen. Er meinte, darüber sei er nicht informiert, das würden allein die Pfleger entscheiden (also auch oben erwähnter Pfleger, der offensichtlich nicht gern mit Demenz-Patienten arbeitet...). Da ich äußerte, daß dies doch auch seiner Verantwortung unterliegen würde, schaute er wohl widerstrebend in die Akte und las mir vor, daß u.a. eine Fixierung im Bett, von ca 17.00 bis 07.00 erfolgt war. Als ich diesbezüglich noch weitere Fragen hatte, sagte er, er könne hier keine Recherchen für mich betreiben, da er sich um fünfzehn Patienten kümmern müsse.
Auch diesen Arzt habe ich nicht einmal im Kontakt mit einem Patienten gesehen. Er huschte nur hin und wieder über den Flur,um hinter verschlossenen Türen zu verschwinden,wenn er nicht gerade im Dienstzimmer mit den Pflegerinnen scherzte. Auch hier wünschte ich,daß die Fröhlichkeit bis zu den Patienten dringen würde,aber leider sah man außerhalb des Dienstzimmers nur versteinerte Mienen.
Meinem Vater ging es zusehends schlechter. Er konnte durch die Sedierung kaum sprechen und zeitweise kaum laufen. Die Stärke der Sedierung hielt das Pflegepersonal jedoch nicht davon ab, das vorgegebene Tagesprogramm durchzuziehen. So erlebte ich bei einem Besuch, daß eine Pflegerin mit ihm und einer weiteren Patientin einen kleinen Spaziergang machen wollte. Eine sehr zu begrüßende Maßnahme, wenn die Durchführung nur nicht so gänzlich an den Bedürfnissen der Patienten vorbei gegangen wäre.An diesem Morgen hatten wir ca 4° und einen sehr scharfen Wind. Ich hatte mich gerade mit der Pflegerin freundlich über das Wetter unterhalten.Sie zog sich eine Jacke über, schien es aber nicht für nötig zu halten, der anderen Patientin, die nur einen dünnen Baumwollpulli trug, die gleiche Fürsorge angedeihen zu lassen. Mein Vater konnte weder laufen, noch den Kopf heben,kaum etwas wahrnehmen und wurde am ausgestreckten Arm gezogen. Ich fragte ihn dann direkt, ob er das möchte. Er konnte immerhin noch ein Nein äußern und die beiden Damen gingen allein.
Am nächsten Tag erlebte ich einen Arztbesuch / Visite (?). Beim Kaffeetrinken auf dem Zimmer kam eine Oberärztin sehr geräuschvoll zu uns hereingestürmt,sagte mit lauter Stimme "Herr .... ,ich bin Dr. .... ,wir kennen uns noch nicht. Sie sind wohl neu hier (Er war zu dem Zeitpunkt drei Wochen dort). Gibt es etwas, was Sie mir hier und jetzt mitteilen müssen ?"
Natürlich konnte mein Vater nichts Nützliches äußern, da er eh kaum noch sprechen konnte und durch dieses einschüchternde Verhalten sehr erschrocken und verunsichert war.
Die Oberärztin ging sofort wieder.Sie hatte mich kaum eines Blickes gewürdigt,geschweige denn mit mir geredet.
Auch hier frage ich mich,was der Sinn und Zweck dieses durchaus dramatischen Auftritts war. Hilfreich für meinen Vater,dessen Behandlung oder für seine Angehörigen war er jedenfalls nicht.
Vielleicht ging es nur um die Legitimierung der Rechnung für die Chefarzt/Oberarzt-Behandlung von Privatpatienten ?
Am gleichen Tag fragte ich eine Pflegerin, wie es im Moment tagsüber mit Toilettengängen/Inkontinenz aussehen würde. Obwohl sie sagte,daß sie ihn seit seiner Aufnahme kennen würde,konnte sie nichts dazu äußern.
Ab diesem Zeitpunkt wurde ich vom Pflegepersonal regelrecht schikaniert.Als ich nach der Mittagsruhe zehn Minuten zu früh zu Besuch kam,was bis dato bei mir oder anderen Besuchern nie ein Problem war,wurde ich streng ermahnt gefälligst die Besuchszeiten einzuhalten. Ein weiterer Besucher,der mit mir zusammen hereingelassen wurde,durfte ohne Belehrung eintreten...
Als ich bei einer anderen Gelegenheit sehr friedlich mit meinem Vater zusammen saß,wurde ich mehrfach hinausgescheucht,da ich angeblich falsch geparkt hätte.Ich hatte mein Auto,wie immer und wie die anderen Besucher,abgestellt,die unbehelligt blieben.Auch hier hat mich erstaunt,wieviel Engagement die Pfleger auf einmal mobilisieren konnten und ich wünschte,sie würden ihre Energie in einen freundlichen,wertschätzenden Umgang mit ihren Patienten investieren!
Wir haben den Aufenthalt dann schnell beendet.
Glücklicherweise ist mein Vater nun in einem Haus untergebracht, indem eine liebevolle,anregende Atmosphäre herrscht und ich konnte bereits nach wenigen Tagen (die Psychopharmaka wurden schrittweise deutlich reduziert) positive Verhaltensänderungen beobachten. Er hat sehr viele Handlungsabläufe zurückgewonnen und ist wieder in der Lage normal zu sprechen, Zähne zu putzen, auf die Toilette zu gehen u.v.m.. Die Pflegerinnen beschreiben ihn als umgänglich,zuvorkommend,lieb und süß ! Sie haben keine Probleme mit aggressivem Verhalten.
An dieser Stelle möchte ich dem Pflegepersonal dieser Einrichtung herzlich für ihre großartige Arbeit,die wirklich sehr schwierig und anstrengend ist, danken !
Der Aufenthalt auf der geschlossenen psychiatrischen Station des Heinrich-Sengelmann-KHS hat meinem Vater wirklich nichts gebracht. Im Gegenteil, er mußte leider überflüssigerweise eine sehr unangenehme Zeit durchleben, in der er entwürdigt wurde, isoliert, verunsichert war und einen sehr unglücklichen Eindruck machte.Es hat ihm geschadet.
Wir werden ihm nie wieder so etwas zumuten.
Mein Rat für Angehörige in ähnlich belastenden Situationen ist: sorgen Sie für Unterstützung,gehen Sie in Begleitung zu Besuch oder zu Arztgesprächen.Schämen Sie sich nicht für den Kranken. Lassen Sie sich nicht verunsichern.
(Beitrag nachträglich am 31., Mai. 2012 von Sparkle editiert)
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Kommentare
Dein Bericht lässt mich schauern. Doch sind die beschriebenen Zustände in Heimen leider keine Ausnahme (ich kann das als gesetzl. Betreuer relativ gut beurteilen, habe früher auch mal Heimplatzvermittlungen als Dienstleistung angeboten).
Vor allem für Demenzkranke ist die Versorgung bzw. Betreuung oft alles andere als zufriedenstellend. Da kann die Pflege gut sein, aber es fehlt oft ein adäquates Betreuungsangebot.
Gott sei Dank gibt es aber auch Einrichtungen, die anders sind (z.B. da wo dein Vater nun lebt).
Deinen letzten Satz kann ich nur unterschreiben und alle auffordern, unangemeldete Besuche VOR der Heimunterbringung zu machen um die Atmosphäre dort im wahrsten Sinne des Wortes zu schnuppern und all seine Sinne walten zu lassen.
Beste Grüße
Werner Tigges
Desweiteren möchte ich noch allen betroffenen Angehörigen ans Herz legen : Nutzen Sie das Beschwerde-Management! Jede größere Einrichtung, ob Krankenhaus oder Heim, verfügt mittlerweile über solche Abteilungen. Sachliche Schilderung der erlebten Mißstände können so jedenfalls nicht völlig ignoriert werden.
mein Mann leidet seit 7 Jahren an Demenz und nun muss ich mich allmählich mit dem Heimgedanken anfreunden. Welches Heim macht denn diese großartige Arbeit? Ich würde mir das Heim gerne mal vorher anschauen.
leider muß ich meinen ersten Eindruck nach mehrenen Monaten revidieren und kann diese Einrichtung nicht mehr empfehlen.Mein Fazit: es ist nicht alles Gold was glänzt...
Ich rate Dir nach einer Unterbringung in Kleingruppen zu schauen. Wenn die Zeit gekommen ist,werde ich meine Erfahrungen genau schildern.
Ich wünsche Dir viel Glück !
Kleingruppen (Dementen WGs 8- 15 Personen) können auch wie Miniheime geführt werden, das habe ich selber erlebt. Zumal für die Angehörigen ein großer Happen Arbeit zu tun ist, da viel bereits konzeptionell als Selbstorganisation angelegt ist. Und dann ist es die teuerste Variante der Unterbringung (außer natürlich Luxus-Pflegeheime), da neben der Miete, den Haushaltskosten auch die Pflege je nach Pflegestufe und evtl noch Extras für Sonderanschaffungen wie z.B. eine neue Waschmaschine etc. anfällt. Billig ist das nicht gerade und die eingesetzten Pflegedienste streichen das Maximale an Leistungen zur Abrechnung je nach Pflegestufe an, kontrollierbar ist das kaum. Der Personalschlüssel mag etwas besser sein, aber viel ist da auch nicht zu erwarten, da die Pflegedienste ja euch rechnen müssen und man nuss wissen, dass solche WGs für Pflegedienste sehr knapp kalkuliert sind, diese kaum Gewinn erwirtschaften, somit wird natürlich Personal "ökonomisch" eingesetzt. Leider ist das die Realität. Positiv zu bewerten ist der familiäre Charakter mit einer überschaubaren Gruppengröße für die Dementen und evtl. Förderung individueller noch vorhandener Ressourcen, je nach Vorhandensein von Personal.
Schau Dir diese Möglichkeit gut an, falls Du Deinen Vater anderweitig unterbringen möchtest, ich habe bereits meine Erfahrungen gemacht. Fazit meinerseits: Wie entscheiden? Ratlosigkeit!