Umzug

Meine Mutter (81) hat Alzheimer im Frühstadium. Sie wohnt mit meinem Vater (80) ca. 90 km von uns.
Allerdings wohnen sie im 5-ten Stock ohne Fahrstuhl! Das war schon seit Jahren Diskussionsstoff, aber hauptsächlich meine Mutter wollte nicht umziehen. Jetzt wird es natürlich langsam akut, mein Vater, der nun alle Besorgungen
machen muß gerät an seine Grenzen.
Wir haben die Krankheit mit Hilfe von Psychologen
inzwischen enttabuisiert. Wir können jetzt alle offen mit meiner Mutter über die Krankheit sprechen.
Wir möchten natürlich, das sie in unsere Nähe ziehen, weil wir dann natürlich viel besser und
effizienter helfen könnten, aber das ist nicht so leicht wie gedacht.
Meine Vater möchte gern umziehen, aber meine Mutter weigert sich mit allen erdenklichen Mitteln.
Meistens sind wir uns eigentlich alle nach längeren Diskussionen einig darüber, das es einen Umzug geben muß, aber wenn dann meine Mutter und mein Vater wieder allein sind, wird alles verworfen und sie bleiben in ihrer Wohnung.
Dabei werden dann von meiner Mutter Selbstmorddrohungen u.ä. hervorgebracht.
Wir hatten auch eine gemeinsame Besichtung einer Wohnung, aber die wurde dann von meiner Mutter grundlos schlechtgeredet.
Mein Vater erlebt bestimmt dann immer nach solchen
Gesprächen die Hölle zuhause, wenn sie wieder unter sich sind.
Jetzt haben wir wieder ein Angebot, tolle Wohnung,
behindertengerecht, Essensversorgung im Haus, concierge usw.
Nun wurde uns schon des öfteren bei Alzheimerberatungen erzählt, man sollte den Umzug ohne Einverständnis des Kranken durchführen...
Das würde mich einmal interessieren, wer da Erfahrungen und Erlebnisse hat, wie das gelaufen ist und wie dann die Eingewöhnung, Krankheitsverlauf in der neuen Wohnung und Umgebung war.
Gruß Bernd

Kommentare

  • Hallo brunol18,

    Du sprichst ein Problem an, was wohl hier einige Angehörige irgenwann mal betrifft oder schon längst betroffen hat.
    Viele der dementen Patienten erkennen leider nicht und können dies auch überhaupt nicht mehr einschätzen, was sie selbst noch leisten können und was schon absolut nicht mehr geht.
    Als Kind ist man dann wieder in der Lage: Man kennt seine Mutter oder seinen Vater noch so intelligent und schaffensfroh (wie es eben immer gewesen ist)und weiss manchmal nicht genau, wann man einfach entscheiden muss, da die Situationen sich jetzt ändern und ob dieser Zeitpunkt schon so unausweichlich gekommen ist.
    Auf der anderen Seite will man seine Mutter oder Vater auch nicht bevormunden und vielleicht zu zeitig Umänderungen zumuten, die irgendwann allerdings ohnehin kommen...
    Dann kommt es auch noch auf das Wesen der Kranken an und man scheut sich vielleicht selbst vor diesen Auseinandersetzungen und folgenden Schwierigkeiten usw. usw.

    Bei meiner Mutter war es so, dass trotz mehrmaliger Anrufe von mir täglich, der Alltag von ihr immer schlechter bewältigt werden konnte. Sie wohnte damals rund 80 km von uns weg.
    Dazu kam, dass Bekannte aus ihrem "altersgerechten Block", wo sie damals wohnte und die glücklicherweise Kontakt zu ihr hatten, mich vermehrt anriefen, dass sie die eine oder andere Sache nicht mehr bewältigen kann (z.B. Sparkasse, termingebundene Arztgänge, Einkäufe).
    Fast jede Woche waren wir bei ihr vor Ort, entweder mein Bruder, der auch über 200 km von ihr entfernt wohnte oder mein Mann und ich.
    An einigen Dingen bzw. Gegebenheiten in ihrer Wohnung, die wir da vorfanden, mussten wir immer mehr erkennen, dass wir eine Änderung organisieren müssen.
    Wir nahmen die Gelegenheit wahr, als sie mal wieder wegen extrem runtergesetzter Blutgerinnung (sie musste Falithrom nehmen und hat da sicher trotz meiner Anrufe eine Unregelmäßigkeit gehabt)
    ins Krankenhaus musste, ihr anzutragen, dass wir sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung lassen können und nach dem Krankenhausaufenthalt mit zu uns nehmen.
    Zum Glück war damals hier gerade eine kleine Wohnung frei geworden, so dass sie nicht direkt mit in unserer Wohnung wohnen musste.
    Ihre Bekannten bestätigten uns auch nochmals, dass dies die beste Lösung sei, da es so kein Dauerzustand mehr sei.
    Auch fanden wir oft im Kühlschrank 20 Stck. Butter und mehr vor, da sie jeden Tag zum Einkauf ging und einfach vergaß, was sie daheim im Kühlschrank hatte.

    Als wir meine Mutter dann hier hatten, hat sie alles immer wieder vergessen und die Sätze kommen bis heute, dass ihr das ja niemand gesagt hat, dass sie nicht wieder in ihre Wohnung kann.

    Nun aber zu Deiner Situation. Auch wenn Deine Mutter krank ist, musst Du ihr sehr deutlich machen, dass es so für sie nicht weitergeht. Du kannst ihr sagen, was Du für sie tun kannst, musst aber auch klar benennen, welche Dinge Du auf keinem Fall leisten kannst. Keiner (auch nicht Kranke) haben das Recht andere zu terrorisieren. Die musste ich selbst auch erst lernen.
    Wenn sich Deine Mutter nicht auf die Möglichkeiten einlassen kann, die Du ihr anbieten kannst oder wo Du ihr helfen kannst, dann muss sie leider ohne diese Hilfen leben. Es ist sicher hilfreich, wenn Du dazu auch Kontakt zu ihrem behandelnden Arzt aufnimmst und ihm dies schilderst.
    Wenn Dein Vater dann damit überfordert sein sollte, kann er nur einen Betreuer bestellen lassen. Dies sollte Deine Mutter aber auch klar wissen.
    Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.
    Vielleicht noch zu Deinem Schutz: Solltest Du Deine Eltern in Deine Nähe nehmen können, dann achte unbedingt darauf, dass mindestens eine Wohnungstür Dich noch von ihnen trennt.
    Das Krankheitsbild ist nicht einfach und es wird selbst mit einem "minimalen Abstand" noch schwer genug.

    Ich wünsche Dir viel Weisheit und gute Entscheidungen.

    Herzliche Grüße von Christine
  • Hallo!
    Leider mußte ich auch oft Entscheidungen treffen die gegen den Willen meiner Mutter waren, lange und wiederholtes Erklären führte nur zu mehr Nervenkrieg, hinterher hat sie die Entscheidungen meist als Gegebenheit hingenommen. Aber es kann bei deiner Mutter auch anders sein.
    Gruß Zäzilia
  • Hallo Christine (hoffnung)
    vielen Dank für Deine Antwort.
    Mich interessiert; wie war Deine Mutter nach dem Umzug drauf? War sie verwirrter, gab es ständig Vorwürfe? Beim letzten Gespräch in einer Beratungsstelle wurde es mir so geschildert, das in den ersten Wochen in der neuen Umgebung die Verwirrtheit zunimmt, aber das dann nach 4-6 Wochen sich gibt und es sich evtl. auf den Zustand vor dem Umzug einpendelt. Wie waren da deine Erfahrungen?
    Auch habe ich Angst, das das sowieso schon angespannte Verhältnis zu Ihrem Mann und meinem Vater sich noch mehr trübt.
    Gruß Bernd
  • Hallo brunol18,

    ich glaube, dass ich Deine Fragen nicht pauschal beantworten kann, da es sicher von den Typen her unterschiedlich ist und ganz sicher auch, in welcher Phase der Krankheit sich der Patient befindet, bzw. in welchem Stadium.
    (Als wir meine Mutter zu uns nahmen, konnte sie noch ohne Hilfe bis zu etwa 1 Stunde und länger ihre geliebten Spaziergänge machen. Das war immer schon ein Hobby von ihr und da reizte die neue Umgebung hier auf dem Land. Auch verlief sie sich in der ersten Zeit noch nicht, was aber nach einigen Monaten dann immer wieder passierte).

    Die Situationen, wo sie uns Vorwürfe machte, gab es mal mehr und mal weniger. Manchmal waren diese auch sehr extrem, aber da sich der Gesamtzustand auch langsam, aber stetig verschlechterte, war für uns klar, dass es keine andere Möglichkeit (außer dem Heim) gegeben hätte.
    Ihre eigenen Einschätzungen, was sie kann und was nicht, wurden immer unrealer.
    Dazu kam, dass sie nach etwa reichlich 2 Jahren eine schlimme Gürtelrose (sehr schmerzhafte Gesichtsrose in ihrem Fall) bekam. Sie wurde für Wochen total bettlägerig und musste von mir gefüttert werden und war auch sonst absolut auf Pflege angewiesen. Die Krankheit hat einen chronischen Verlauf bei ihr und sie muss auch jetzt nach einem Jahr noch Schmerzmittel nehmen.

    Auch jetzt kommen die unmöglichsten Sätze oft von ihr, weshalb sie wieder weg muss, nur interessanterweise gibt sie immer die Wohnung an, wo sie noch bei ihren Eltern gewohnt hat (nur dort ist sie vor über 60 Jahren ausgezogen).
    Daran merkt man auch, wie die Krankheit inzwischen fortgeschritten ist.
    Ich merke schon, dass sie die Wohnung nicht mehr als die ihrige akzeptiert, nur wäre die Frage, ob sie das mit irgend einer anderen Wohnung (wo sie in der Vergangenheit ihres Lebens mal gewohnt hat) anders könnte.

    Ich habe jetzt mal einen Bericht über Alzheimer-Patienten gesehen, wo es auch um die Wünsche mancher Patienten ging, die immer wieder heim wollen und zwar dort hin, wo sie als Kind gelebt haben.
    Man sagte aber in dem Beitrag, dass die Erfahrungen es lehren, dass diese Patienten nicht wirklich dorthin möchten, sondern eigentlich nur "dieses Gefühl suchen und diese Heimat" (z.B.Geborgenheit aus den Kindheitstagen oder Liebe).
    Wenn ich meine Mutter so sehe, denke ich, dass dies wirklich so ist. Sie kann oft mit mir nichts anfangen und auch mit meinem Bruder nicht. Sie sucht Personen aus ihrer Familie, die schon seit zig... Jahren tot sind oder sie will früh´s zur Schule. An einem anderen Morgen will sie auf Arbeit, wo sie ja auch vor 30 Jahren aufgehört hat usw.

    Das Verhältnis Deiner Mutter zu Deinem Vater ist sicher nochmal ein anderes Problem und es kann schon sein, dass Ihr Euch auf Verschlechterungen einstellen müsst.
    Es hat ja auch schon manche dementen Personen gegeben, die in ein Heim gegeben werden mussten, weil der Ehepartner sonst eher "kaputt gegangen wäre" als der demente Patient selbst. Manche werden ja unheimlich aggressiv im Verlauf der Krankheit. Das ist meine Mutter allerdings dankbarerweise nicht und sie ist auch sonst sehr friedlich, wie ich sie von früher kenne. Ich weiss aber, dass sich dies auch noch ändern kann und viele Patienten viel negativer sind.

    Vielleicht konnte ich Dir damit Deine Fragen zum Teil beantworten.

    Herzliche Grüße am Abend von Christine
  • Es ist etwas Zeit ins Land gegangen seit meinem letzten Beitrag...
    Es hat sich fast alles zum Guten verändert!!
    Meine Eltern sind umgezogen in die hier schon beschriebene Wohnung in unsere Nähe. Zugegeben es war ein schweres Stück Arbeit und öfters wollten wir schon resignieren, aber der Umzug ist vollzogen.
    Und alle unsere Befürchtungen über massenweise Vorwürfe, Makel sehen wo keine sind usw.; das alles ist nicht eingetreten...
    Meine Mutter fühlt sich ringsum sehr wohl und hat eigentlich nur lobende Worte für uns. Auch ihr allgemeiner Zustand hat sich gebessert. Sicher die Krankheit bleibt, aber ihre Stimmung, Lebenseinstellung usw. hat sich wirklich um 100 % verbessert. Wenn ich noch daran denke, wie apathisch sie in der alten Wohnung gesessen hat und teilweise garkeinen Lebenswillen mehr hatte, das ist alles Geschichte.
    Sicher das schöne Umfeld ist die eine Seite, die geholfen hat und auch ihr neuer Arzt hat seinen Teil wohl dazu beigetragen. Er hat ein sehr starkes Schmerzmittel abgesetzt und somit kann wohl das Reminyl noch besser wirken.
    Herzliche Grüße brunol
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