Wie schafft man es, den eigenen Vater ins Heim zu geben?
Guten Abend, mein Vater, 79 Jahre alt, lebt verwitwet seit 6 Jahren 400 km von mir, 42 und Einzelkind, entfernt. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich ihm anfangs eine "Putzhilfe" besorgt, die einmal die Woche kam. Ich habe ihn täglich angerufen, um zu fragen, wie es ihm geht, alles andere hat er selbst auf die Reihe bekommen. Vor vier Jahren musste er ins Krabkenhaus wegen eines Leistenbruchs, danach hat sich sein Zustand verschlimmert: er hat Arzttermine vergessen obwohl sie im Kalender standen, er hat nicht mehr aus Eigeninitiative geduscht, hatte ein Hemd tagelang an usw. - ergo habe ich es übernommen, zusammen mit ihm am Telefon diese Dinge zu erledigen, habe ihn an Termine erinnert und jeden Tag morgens und abends zur Tabletteneinnahme angerufen und bin trotz zweier Kinder und voller Berufstätigkeit alle 6 Wochen hingefahren. Aktueller Zustand ist, dass eigentlich gar nichts mehr klappt; wenn er zum Beispiel die Krankengymnastik ins Haus bekommt und ich abends unter großen Mühen mit ihm am Telefon den Wecker stelle, macht er ihn morgens aus und schläft weiter; mittlerweile rufe ich ihn morgens und abends an und mache mit ihm Frühstück und Abendessen über das Telefon, jedes Telefonat dauert mindestens 30 Minuten, da ich ihm immer sagen muss, wo was liegt. Teilweise legt er auch den Hörer mitten im Gespräch weg und lässt mich einfach "liegen", bis ich neu anrufe; Tabletten nimmt er nur noch auf Erinnerung hin und selbst da steht er dann oft genug vorm Tisch und sieht sie gar nicht. Ich werde auch immer ungehaltener und würde ihn teilweise am liebsten erwürgen, weil ich es nicht mehr ertrage; mittlerweile fahre ich alle 3 Wochen hin, allerdings geht es mir dermaßen an die Substanz, dass ich einfach nicht mehr kann. Eine Erhöhung von Betreuung seitens Pflegepersonal ist zwecklos, da er meint, er komme gut zurecht. Ich kann aber auch nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden, dass er in ein Pflegeheim kommt, ich drücke mich dermaßen vor dieser notwendigen Entscheidung - jedem Angehörigen meiner Freunde würde ich es raten, aber ich bekomme es nicht hin, weil er mir so leid tut und weil ich mir Heime hier in der Nähe angesehen habe, da saßen die Bewohner völlig apathisch rum, hingen dösend vor brüllenden Fernsehern usw. Ich bringe es nicht übers Herz aber ich kann echt nicht mehr. Wie komme ich über diese Hürde?
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Kommentare
die Situation, die Du beschreibst ist in der Tat schwierig. Ich kann viele Deiner Gefuehle nachvollziehen, weil ich in einer vergleichbaren Lage war.
So wie es jetzt ist, geht es auf Dauer nicht weiter. Erstens weil Du es nicht mehr kannst, aber noch viel wichtiger, weil Du Deinem Vater aus der Entfernung nicht genug helfen kannst.
E ist fuer Dich mit grossen Muehen verbunden, ihm abends am Telefon zu erklaeren, wie er den Wecker stellen soll. Fuer ihn ist es vermutlich mit noch groesseren Muehen verbunden und er macht ihn morgens aus, weil er nicht mehr weiss, an was dieses nervige Gebimmel ihn erinnern sollte.
Ich habe keine pauschale Antwort auf Deine Frage. Unser Neurologe hat immer wieder gesagt, dass der Zeitpunkt (!) fuer den Umzug in ein Pflegeheim extrem wichtig ist: Nicht zu frueh (und ohne die genauen Umstaende zu kennen, habe ich den Eindruck, dass es fuer Deinen Vater zu frueh sein koennte), nicht zu spaet, damit noch die Chance auf Eingewoehnung besteht.
Statt einer Antwort draengen sich Fragen und Anregungen auf:
Hast Du eine Vorsorgevollmacht?
Wie rufst Du "neu" an, wenn er den Hoerer weglegt? Ist dann die Leitung nicht belegt? Er kann noch auflegen?
Hat Dein Vater eine Pflegestufe?
Gibt es eine fachaerztliche Diagnose?
Wer kauft denn die "frischen" Sachen fuer ihn ein?
Koennte er zu Euch ziehen?
Ist Geld (im normalen Rahmen) ein Thema?
Die Medikamenteneinnahme koenntest Du moeglicherweise ueber eine "Haeusliche Krankenpflege/ -hilfe, ich weiss nicht mehr genau wie das heisst, regeln. Rezept vom Hausarzt.
Du kannst, sollst und moechtest auch nicht ueber seinen Kopf hinweg entscheiden, solange er noch eine Meinung hat. Die Heime, die Du beschreibst, hoeren sich fuerchterlich an.
Moeglicherweise waere "Betreutes Wohnen" in einer Einrichtung, die langfristig auch Pflege gewaehrleisten kann, eine Alternative.
Wo wohnst Du bzw. Dein Vater? Ich kenne in zwei Gegenden (Essen und Viersen) gute Einrichtungen.
Oder vielleicht waeren auch private "Begleiter" eine Moeglichkeit? So haben wir das in den ersten Jahren gemacht.
Ich finde, die Tablettennahme ist ein grosses Problem und die Ernaehrung. Dass er tagelang das gleiche Hemd traegt...mmmhhh haengt von den Umstaenden ab. Finde ich nicht soooo schlimm. Kann er noch alleine duschen?
Auf jeden Fall kannst Du ihm auf Dauer nicht uebers Telefon helfen. Statt dessen braucht Ihr reale Personen, die gucken, verstehen und vor Ort sind.
Ist Dein Vater schon mal verlorengegangen? Geht er noch alleine aus der Wohnung?
Solange er sich selber nicht in Gefahr bringt, genug isst und die Ausscheidungen kein Problem werden, kann man ueber die Hemden und Duschen hinwegsehen, weil sie im Vergleich zu dem subjektiven Gefuehl der Wuerde nicht wichtig genug sind.
Hast Du Dich schon mal nach einer Tagespflege umgesehen? Sozusagen als voruebergehende "Zwischenloesung"?
Es gibt viele Alternativen zwischen "zu Hause" und "Heim". Wir haben uns jahrelang sozusagen am seidenen Faden durch die Landschaft gehangelt. Es hat gut geklappt. Mit viel Glueck und viel Hilfe.
Mein Papi ist letztlich in ein Pflegeheim umgezogen (und ich sozusagen mit), weil es nicht mehr anders moeglich war.
Du kuemmerst Dich so gut, wie Du kannst um Deinen Vater. Wenn es nicht mehr reicht und Du das nicht mehr allein kannst, MUSST Du Hilfen finden. Fuer Dich, aber vor allem auch FUER IHN!
Wenn Du konkrete Fragen hast, helfe ich Dir gerne mit den Erfahrungen, die wir gemacht haben!
Sei nicht boese auf ihn, er kann es nicht mehr besser, obwohl Dein Gefuehl verstaendlich ist. Es hoert sich so an, als ob ihr eine liebevolle Beziehung habt. Versuch die Sorge und den Frust durch adequate Hilfen zu ersetzen. Und geniess die Liebe, die Euch verbindet.
Etwas durcheinander, aber vielleicht ist was dabei, was Euch hilft.
Nenna
ich stelle all diese Fragen natuerlich NICHT! (ach wie bloed, das wichtige Wort hat gefehlt) , weil ich erwarte, dass Du sie hier oeffentlich beantwortest. Ich frage, weil wir damals einen Engel hatten, der mich mit all diesen Fragen auf den richtigen Pfad geschickt hat.
Von ganzem Herzen alles Gute!
Nenna
Ich kann Sie sehr gut verstehen, denn eine ähnliche Situation war vor mehr als 3 Jahren bei uns eingetroffen. Da betraf es beide Eltern. Meine Mutter bekam einen Schlaganfall mit 88 Jahren, beide Eltern lebten allein, weit weg von uns. Es war ein sehr langer und schwieriger Weg, den wir gehen mussten.Wir haben beide Eltern von einem Umzug in unsere Nähe überzeugen können, das war nicht einfach.Mein Vater zog ins betreute Wohnen, meine Mutter in die Pflege. Wir haben lange gesucht, aber das richtige Haus gefunden. Nicht alle Pflegeheime sind schrecklich!
Heute sehe ich diese Situation wie aus der Ferne, mein Vater ist verstorben, meine Mutter lebt im Altersheim.Ich besuche sie seit ihrem Schlaganfall täglich, mit wenigen Ausnahmen, weil wir uns, selten genug, auch mal einen Urlaub gönnten.
Ich habe ein Buch über unsere Geschichte geschrieben und sie an alle Verwandten und Freunde geschickt, um vor allem mir klar zu machen, in welcher Situation ich mich befinde. Denn auch ich habe mich verändert, war und bin zum Teil auch heute noch verzweifelt, traurig, wütend und manchmal am Ende meiner Kraft. Doch wann immer ich das Buch zur Hand nehme, dann geht es mir besser, ich weine oft an manchen Stellen, weil ich die Situation wieder durchlebe, manchmal muss ich aber auch schmunzeln und das tut mir gut. Vielleicht sollten Sie ein Tagebuch schreiben. Das wäre auch wichtig, wenn der MDK kommen muss, denn um eine Pflegestufe werden Sie und ihr Vater nicht drumherum kommen. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, ihren Vater zu überzeugen. Er wird irgendwann verstehen, dass er in Ihre Nähe ziehen muss, Sie müssen dieses Thema nur immer wieder ansprechen. Wiederholungen tun da gut, nicht aufgeben! Aber bitte niemals sauer oder wütend werden, Hilfe anbieten, er wird sich darüber freuen und verstehen, dass Sie nur sein Bestes im Sinn haben, so wie er früher, als sie Kind waren auch immer nur Ihr Bestes wollte und sie es da auch nicht immer einsehen konnten.Vielleicht versteht er das ja. Ich wünsche Ihnen viel Glück und viel Kraft. HannaB