Über Diagnose sprechen?

Hallo,
meine Mutter ist 80 Jahre alt und
Hat vor drei Monaten die Diagnose Demenz bekommen. Sie zeigt alle Symptome und kann den Alltag alleine bereits nicht mehr bewältigen. Sie erkennt die Diagnose nicht an. Inwieweit sollte man sich mit ihr darüber unterhalten bzw. sollte man überhaupt versuchen, ihr das zu erklären?
Gruß
Maus

Kommentare

  • Hallo Maus,

    aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass es nichts bringt, jemandem die Demenz klar machen zu wollen, wenn er/sie es nicht will. Die Diagnose ist für jeden schwer zu verkraften und die Ablehnung, diese zu akzeptieren, bedeutet noch einen kleinen Rest Eigenständigkeit und die Illusion bei dem/der Kranken, dass "es" doch vielleicht nicht so schlimm ist.

    Mein Rat: Halte dich bei solchen "Klarstellungen" oder Bestrebungen, die Realität zurückholen zu wollen, nicht auf. Genießt und lebt euer Leben, so gut es geht! Es gibt noch viele schöne Phasen und Momente, aber man muss lernen,mit dieser Krankheit umzugehen. Deshalb solltest du dich vielleicht einer Angehörigengruppen anschließen, in denen man viel lernen und sich austauschen kann, denn es ist unbedingt notwendig, sich breit zu informieren und vor allem sich jede erdenkliche Hilfe und Unterstützung zu holen!

    Alles Gute und viel Kraft!

    Lisa
  • Hallo Maus,

    ich glaube auch, dass es keinen wirklichen Sinn macht, Deine Mutter mit der Diagnose zu konfrontieren. Was soll sie denn auch damit anfangen? Wenn sie den Alltag nicht mehr alleine bewaeltigen kann, ist das doch ein eindeutiger Hinweis darauf, dass ihre kognitiven Faehigkeiten bereits stark eingeschraenkt sind. Ich bezweifle, dass sie die Diagnose ueberhaupt verstehen wuerde, weil sie ausserhalb der sinnlich erfahrbaren Realitaet liegt. Es waere vielleicht anders, wenn sie fragen wuerde, was denn mit ihr los sei und sie auf der Suche nach einer Erklaerung waere, die dann eben in dem Wort "Krankheit" gefunden werden koennte.

    Unsere Logopaedin hat mich damals geradezu gedraengelt, darueber zu sprechen und ich habe es - gegen mein Bauchgefuehl - versucht, so vorsichtig und einfuehlsam, wie es mir moeglich war. Mein Papi hat mich angesehen, gelaechelt und wollte weiter spazierengehen und die Rosen angucken. Eine weise Freundin hat mal zu mir gesagt: "Der Kopf muss suchen, aber das Herz weiss Bescheid." Im Nachhinein bin ich ueberzeugt, dass mein Papi in dem Moment gespuert hat, dass ich ihn liebe. Welche Worte dabei gefallen sind, war vollkommen egal.

    Die Realitaet Deiner Mutter wird fortan ausschlaggebend sein, weil sie gar keine andere Wahl hat! Naomi Feil, die Begruenderin der Validation, raet, sich vorbehaltlos auf die Seite des geliebten Menschen zu stellen, dessen Realitaet zu akzeptieren und sich selber als Verbuendete und beste Freundin zu sehen.

    Wie Lisa sagt, es gibt auch noch ganz viele schoene und zauberhafte Momente miteinander. Letzten Endes spielt die Wahrheit dann auch keine Rolle mehr.

    Alles Gute fuer Euch
  • Nochmal hallo Maus,

    woran erkennst Du, dass Deine Mutter die Diagnose nicht anerkennen will? Sagt sie das selber?
  • Hallo,
    Vielen Dank für die Hilfe und die netten Worte!
    @ nenna: sie fragt jeden Tag, was mit ihr und ihrem Kopf passiert ist. Sie hat zwar die Diagnose des Arztes gelesen, bezeichnet ihn aber dann als unfähig. Sobald man von Demenz spricht, wird sie total uneinsichtig und behauptet,sie sei fit und könnte noch alles selbst regeln wie Haushalt etc. Dabei weiß sie manchmal nicht mehr, wie Telefon oder Kaffeemaschine bedient werden und erinnert sich meist nicht mehr, was eine Stunde zuvor besprochen wurde oder ob der Pflegedienst im Haus war. Es ist schlimm!

    Gruß
    Maus
  • Hallo Maus,

    ja, es ist schlimm und ich glaube, es ist vor allem fuer Deine Mutter ganz fuerchterlich und beaengstigend. Diese 'Phase', in der die Betroffenen merken, dass irgendetwas nicht mehr so funktioniert wie frueher, ist fuer die Person absolut grauenhaft. Ich kann mir vorstellen, dass Deine Mutter nicht 'uneinsichtig' ist, sondern diese Diagnose nicht aushalten kann, was ja auch nachvollziehbar ist.

    Ohne die Persoenlichkeit Deiner Mutter zu kennen ist es schwer, Vorschlaege zu machen. Ich habe oefter die Wahrheit ein bisschen verbogen, um es meinem Papa leichter zu machen, weil ich sicherer war, was menschlich als dass ich mit Gewissheit wusste, was wahr ist. Vielleicht findest Du eine Erklaerungsmoeglichkeit, die Deine Mutter ertragen und akzeptieren kann? Ich bin der Meinung, ihr den subjektiven Leidensdruck zu erleichtern ist wichtiger als die Wahrheit.

    Wenn Deine Mutter mit Telefon und Kaffeemaschine manchmal nicht mehr richtig ungehen kann, scheint es mir wichtig, moegliche Gefahrenquellen zu identifizieren, die sich ergeben koennen, wenn irgendetwas 'falsch' gehandhabt wird: Herd, Mikrowelle, Kerzen, Streichhoelzer, Feuerzeuge, Messer, Scheren, Nadeln, Chemikalien, Reinigungsmittel usw.

    Hoffentlich findest Du eine Erklaerung fuer Deine Mutter.

    Alles Gute
  • Hallo Euch Allen,

    ich bin neu hier und habe auch keine Foren Erfahrung.

    Auch das Leben mit einer an Demenz erkrankten Person ist neu für mich.
    Ich bin auf eure Erfahrungen angewiesen.

    Es ist evtl. eine Möglichkeit, nicht zu verzweifeln.

    Auch ich kenne die Situation, dass die erkrankte Person die Krankheit leugnet, sich immernoch in der Lage sieht, alles allein zu schaffen und sie sieht nicht, was wir ihr schon alles abnehmen, damit sie das Gefühl behält, es doch alleine zu schaffen.

    Und dazu kommen merkwürdige Geschichten, die ich auch nicht immer weglächeln kann.

    Oftmals kann ich Warheit und Unwahr nicht mehr unterscheiden. Mir ist es nicht möglich zu unterscheiden, vertauscht Sie Gegebenheiten und Abläufe oder sind es Halluzinationen?

    Bitte schreibt über Eure Erfahrungen
    Liebe Grüße
  • Hallo liebe Leidensgenossinnen,
    ich bin neu hier und habe Eure Beiträge gelesen und mich an vielen Stellen wiedergefunden. Da ich nun auch weiß, wie ich mitreden kann, möchte ich dies tun.
    Nachdem mein Mann seit mehr als 2 Jahren sehr eigenartige Verhaltensweisen an den Tag legt und bei mir der Verdacht auf Krankheit immer mehr wuchs, bestand ich (leider mit Erpressung) auf Untersuchung. Das Ergebnis brachte die Diagnosen Lewy-Körperchen und frontotemporale Demenz. Mein Mann ist 70 Jahre alt, war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben immer mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut und seitdem er nicht mehr weiß, was er den ganzen Tag anfangen soll, entwickelt sich die Demenz. Die Krankheitseinsicht lag natürlich nicht vor und seitdem er von der Diagnose weiß, versucht er auch sie anzuerkennen, verdrängt aber auch immer wieder.
    Nachdem ich schon mehrere Male einem Nervenzusammenbruch erlitten habe,(wegen Halluzinationen, erfundenen Geschichten, maßloser Nerverei u.s.w.) , weiß ich nun, dass Aufregen gar nichts nützt. Ich versuche mich zu schonen, und suche Hilfe. Sehr gut beraten wurde ich bei der Alzheimer Gesellschaft vor Ort und einem Fachzentrum für Demenz. Ich habe nun die Pflegestufe beantragt (hoffe auf Erfolg) , habe ein Rezept für Ergotherapie bekommen und stundenweise Betreuung ab Januar beantragt. Schockierend ist jeder neue Schub- mal Orientierungslosigkeit, mal nächtliches Umräumen...neuerdings fragt er mich ,ob ich auch hier wohne und ob ich den Sohn seiner Frau kenne.... Mit der Situation muß man irgendwie fertig werden, aber ich glaube, es ist wichtig irgendwo noch einen kleinen Freiraum für sein eigenes Ich zu schaffen. Ich hoffe, daß so auch wieder etwas von meinem eigenen Leben stattfinden kann.
    Ich wünsche Euch allen ganz viel Kraft.
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