Demenz vs. chirurgischer Eingriff
Hallo und guten Abend,
zunächst eine kurze Vorstellung: Ich bin 57 Jahre alt und die Tochter meiner seit Oktober 2014 (Diagnose) an Demenz und Parkinson erkrankten Mutter.
Auf Grund der Tatsache, daß ich voll berufstätig und alleinstehend bin, mußte ich meine Mutter im Januar 2015 in eine betreute Wohngruppe für demenziell Erkrankte "abschieben", da sie - da verwitwet - nicht mehr allein in ihrer Wohnung leben konnte. Sie stürzte häufig bedingt durch eine starke Parkinson geschuldete Gehbehinderung, stellte den Wasserkocher auf den Gasherd, Körperpflege wurde auf ein Minimum beschränkt usw. Dazu kam, daß ihre Wohnung im 2. Obergeschoß lag ohne Fahrstuhl und sie dort auch schon die Treppe hinuntergefallen war (zum Glück endeten die Stürze immer ohne größere Verletzungen). Aber alleinlassen konnte man sie dort nicht mehr.
So zog sie am 15.01.2015 mit Pflegestufe 0 in die WG ein. Nach 3 Monaten bekam sie Pflegestufe II und hat nun Pflegestufe III.
Ihr Zustand hat sich sehr verschlechtert. Als sie einzog, konnte sie am Rollator "ihre Kreise ziehen", nach einer starken Erkältung im März d.J. sitzt sie nur noch im Rollstuhl. Versuche, sie soweit zu mobilisieren, daß sie wieder am Rollator gehen könnte, scheiterten.
Sie hat offenbar ihr Körpergefühl völlig verloren: Beim Aufsetzen im Bett, beim Waschen, beim In-den-Rollstuhl-Setzen und sogar, wenn ich mit ihr im Rollstuhl Spaziergänge mache und es ruckelt leicht durch Bodenunebenheiten, schreit sie völlig panisch.
Dazu kommt, daß ihr Sprachschatz mittlerweile fast ausschließlich aus Schimpfworten übelster Art (solche Worte kannte ich von meiner Mutter bis dato nicht), Flüchen und Drohungen besteht.
Was diese Sch...-Krankheit mit einem Menschen anstellt ist einfach nur grausam. Und es dauert, bis man gelernt hat, damit umzugehen - wenn man es überhaupt jemals wirklich lernt.
Ich bin alle 2 Tage bei meiner Mutter, reiche ihr Essen und Trinken, gehe/fahre mit ihr spazieren, lasse mich beschimpfen ... An manchen Tagen nehme ich es so, wie es ist, an anderen weine ich schon noch abends ins Kissen.
Aber jetzt endlich möchte ich zu dem eigentlichen Problem, was mich seit längerem umtreibt, kommen. Ich hoffe, es gibt noch den ein oder anderen Leser hier im Forum, der es bis hierhin geschafft hat. Vielen Dank dafür!
Bei meiner Mutter wurde vor nunmehr ca. 3 Monaten ein Grützbeutel in der rechten Halsbeuge festgestellt. Seitdem bekommt sie von dem behandelnden Chirurgen Zugsalbe verordnet, damit der Beutel sich nicht entzündet. Der Beutel ist in diesem Zeitraum von Erbsengröße auf Taubeneigröße angewachsen und scheint zu schmerzen. Eine Entfernung unter Vollnarkose oder auch nur eine leichte Sedierung haben der Arzt als auch ich ausgeschlossen auf Grund der demenziellen Erkrankung. Der Dr. meinte, man könne den Beutel und das umliegende Gewebe vereisen und ihn dann entfernen, aber das Risiko wäre, daß man nicht weiß, wie Mutter reagiert und mitspielt. Und das ist eben auch mein Problem: Ich weiß es nicht. Ich befürchte, daß sie sehr unruhig und ungehalten reagiert. Also Beutel lassen wo er ist?
Gibt es hier jemanden, der ähnliches erlebt hat und entscheiden mußte? Für Ratschläge wäre ich sehr dankbar.
Das Pflegepersonal macht es einem auch nicht leichter. Sie drängen zum chirurgischen Eingriff und machen einem ein schlechtes Gewissen, da man "nicht alles für seine Mutter tut".
Vielen Dank fürs Lesen dieses endlos langen Textes und für evtl. Ratschläge.
Liebe Grüße
Susel
zunächst eine kurze Vorstellung: Ich bin 57 Jahre alt und die Tochter meiner seit Oktober 2014 (Diagnose) an Demenz und Parkinson erkrankten Mutter.
Auf Grund der Tatsache, daß ich voll berufstätig und alleinstehend bin, mußte ich meine Mutter im Januar 2015 in eine betreute Wohngruppe für demenziell Erkrankte "abschieben", da sie - da verwitwet - nicht mehr allein in ihrer Wohnung leben konnte. Sie stürzte häufig bedingt durch eine starke Parkinson geschuldete Gehbehinderung, stellte den Wasserkocher auf den Gasherd, Körperpflege wurde auf ein Minimum beschränkt usw. Dazu kam, daß ihre Wohnung im 2. Obergeschoß lag ohne Fahrstuhl und sie dort auch schon die Treppe hinuntergefallen war (zum Glück endeten die Stürze immer ohne größere Verletzungen). Aber alleinlassen konnte man sie dort nicht mehr.
So zog sie am 15.01.2015 mit Pflegestufe 0 in die WG ein. Nach 3 Monaten bekam sie Pflegestufe II und hat nun Pflegestufe III.
Ihr Zustand hat sich sehr verschlechtert. Als sie einzog, konnte sie am Rollator "ihre Kreise ziehen", nach einer starken Erkältung im März d.J. sitzt sie nur noch im Rollstuhl. Versuche, sie soweit zu mobilisieren, daß sie wieder am Rollator gehen könnte, scheiterten.
Sie hat offenbar ihr Körpergefühl völlig verloren: Beim Aufsetzen im Bett, beim Waschen, beim In-den-Rollstuhl-Setzen und sogar, wenn ich mit ihr im Rollstuhl Spaziergänge mache und es ruckelt leicht durch Bodenunebenheiten, schreit sie völlig panisch.
Dazu kommt, daß ihr Sprachschatz mittlerweile fast ausschließlich aus Schimpfworten übelster Art (solche Worte kannte ich von meiner Mutter bis dato nicht), Flüchen und Drohungen besteht.
Was diese Sch...-Krankheit mit einem Menschen anstellt ist einfach nur grausam. Und es dauert, bis man gelernt hat, damit umzugehen - wenn man es überhaupt jemals wirklich lernt.
Ich bin alle 2 Tage bei meiner Mutter, reiche ihr Essen und Trinken, gehe/fahre mit ihr spazieren, lasse mich beschimpfen ... An manchen Tagen nehme ich es so, wie es ist, an anderen weine ich schon noch abends ins Kissen.
Aber jetzt endlich möchte ich zu dem eigentlichen Problem, was mich seit längerem umtreibt, kommen. Ich hoffe, es gibt noch den ein oder anderen Leser hier im Forum, der es bis hierhin geschafft hat. Vielen Dank dafür!
Bei meiner Mutter wurde vor nunmehr ca. 3 Monaten ein Grützbeutel in der rechten Halsbeuge festgestellt. Seitdem bekommt sie von dem behandelnden Chirurgen Zugsalbe verordnet, damit der Beutel sich nicht entzündet. Der Beutel ist in diesem Zeitraum von Erbsengröße auf Taubeneigröße angewachsen und scheint zu schmerzen. Eine Entfernung unter Vollnarkose oder auch nur eine leichte Sedierung haben der Arzt als auch ich ausgeschlossen auf Grund der demenziellen Erkrankung. Der Dr. meinte, man könne den Beutel und das umliegende Gewebe vereisen und ihn dann entfernen, aber das Risiko wäre, daß man nicht weiß, wie Mutter reagiert und mitspielt. Und das ist eben auch mein Problem: Ich weiß es nicht. Ich befürchte, daß sie sehr unruhig und ungehalten reagiert. Also Beutel lassen wo er ist?
Gibt es hier jemanden, der ähnliches erlebt hat und entscheiden mußte? Für Ratschläge wäre ich sehr dankbar.
Das Pflegepersonal macht es einem auch nicht leichter. Sie drängen zum chirurgischen Eingriff und machen einem ein schlechtes Gewissen, da man "nicht alles für seine Mutter tut".
Vielen Dank fürs Lesen dieses endlos langen Textes und für evtl. Ratschläge.
Liebe Grüße
Susel
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Kommentare
meine Mom hat im Jahr 2013 die Diagnose Alzheimer bekommen und die Krankheit schreitet auch voran. Nächste Woche muss ich/wir (hab noch eine Schwester) meine Mutter auch in eine Demenz WG "abschieben". Es geht zu Hause nicht mehr. Meine Mutter weiß es noch nicht, wir haben erst gestern Bescheid bekommen, dass es klappt. Ich weiß auch nicht, wie ich es ihr sagen soll. Sie will auch nicht weg von zu Hause, aber wir sind auch beide berufstätig in Vollzeit und eine 24 H Betreuung funktioniert nicht. Wie fühlt sich Deine Mutter denn in der Einrichtung?
Zu Deiner Frage kann ich Dir sagen, dass meine Mutter Mitte Juni aufgrund einer heftigen Scheidensenkung operiert und eine Woche im KH verbleiben musste. Die OP nebst Narkose hat sie gut überstanden, aber der KH-Aufenthalt hat ihr zugesetzt. Der körperliche Allgemeinzustand hat gelitten und sie hat extrem abgenommen. Das haben wir bis heute auch nicht aufholen können. Sie kann seither kaum mehr laufen, die Muskeln sind einfach verschwunden. Die Schwestern waren total überfordert und meine Mutter hat sich im KH angewöhnt, ständig nach mir bzw. ihrer Mutter zu rufen.
Wir haben uns für die OP entschieden, da meine Mutter ständig Schmerzen hatte und keine Lebensqualität mehr vorhanden war, da sie nicht sitzen konnte und ständig das Gefühl hatte, zur Toilette zu müssen.
Wie lange müsste Deine Mutter denn im KH bleiben? Wie gesagt, die Narkose war nicht das Problem, aber die Begleitumstände waren problematisch.
Viele Grüße
Nicole
da bei Ihrer Mutter wahrscheinlich eine Demenz mit Lewy-Körperchen vorliegt (im Zusammenhang mit der Parkinson-Erkrankung), ist es gut, auf eine Narkose zu verzichten. Für Erkrankte mit dieser Form der Demenz stellen Narkosen ein sehr großes Risiko für eine Verschlechterung dar.
Bei anderen Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind, wie Nicole geschrieben hat, die Begleitumstände im Krankenhaus meist das größere Risiko.
Dies nur als Hinweis, damit keine Verwirrung aufkommt.
Wie Sie am besten mit dem Grützbeutel umgehen, kann ich leider auch nicht beantworten. Wichtig ist sicherlich, dass Ihre Mutter möglichst wenig Schmerzen leiden muss, ggf. auch mithilfe von Schmerzmitteln, wenn der Arzt das vertreten kann.
Viele Grüße,
Susanna Saxl, DAlzG
vielen Dank für deine Antwort. Da hatte es deine Mutter aber heftig erwischt. In solch einem Fall, wenn die Schmerzen die Lebensqualität so sehr beeinträchtigen, hätte ich der OP auch sofort zugestimmt. So schlimm ist es bei meiner zum Glück nicht, also keine große OP. Es ist ja "nur" ein Grützbeutel. Der kann ambulant entfernt werden, Dauer ca. 1 Stunde. Ob der Beutel ihr tatsächlich Schmerzen verursacht, kann ich nicht sicher sagen. Der Arzt meinte, er schmerze nur, wenn er entzündet sei, das ist er nicht. Mutter kann den Kopf in alle Richtungen bewegen ohne Schmerzen. Sie verzieht nur das Gesicht, wenn sie an der Stelle gewaschen wird. Fragt man sie, ob es wehtun, ist die Antwort unterschiedlich: Mal ja, mal nein. Sie kann vermutlich auch nicht mehr unterscheiden zwischen Schmerz und einem gewissen Druck auf der Haut. Sie schreit zeitweise schon Aua, wenn man sie unverhofft leicht am Arm berührt, sie sich also erschreckt.
Im Moment schlagen 2 Herzen in einer Brust. Das eine sagt, setz deine Mutter nicht diesem Streß aus, sie hat keine Schmerzen, es ist nur ein von ihr als Schmerz assoziiertes Druckgefühl auf der Haut, und ein nicht zwingend notwendiger operativer Eingriff unter örtlicher Betäubung schadet evtl. mehr als er nutzt.
Das andere Herz sagt, was ist schon 1 Stunde, die der Eingriff dauert, danach ist sie schmerzfrei, hat zwar vielleicht einen weiteren Demenzschub bekommen durch den Streß, aber der würde ja früher oder später sowieso kommen. Und gerade das möchte ich doch soweit hinauszögern wie möglich.
Zu deiner Frage, wie Mutter sich in der WG fühlt: Sie wollte von Anfang an wieder nach Hause. "Was soll ich hier, sind doch alles nur bescheuerte Alte hier". Wirklich eingelebt hat sie sich bis heute nicht, dafür folgten auch zu schnell die Demenzschübe von PS 0 auf PS III. Dadurch konnte sie mit den meisten hier nicht mehr kommunizieren und Anschluß finden. Die WG besteht aus 18 Personen, mit unterschiedlich fortgeschrittener Demenz. Manche befinden sich noch in einem frühen Stadium, manche - wie meine Mutter - in einem fortgeschrittenen. Die im frühen Stadium bilden eine Gruppe, die wenig Verständnis für das Verhalten der Fortgeschrittenen aufbringt. Und die Fortgeschrittenen leben für sich. Natürlich wird durch das Personal vieles versucht, zwischen beiden Gruppen zu vermitteln, durch Freizeitangebote, gemeinsame Spiele usw. Leicht ist das aber nicht.
Habt ihr denn schon einen Platz für eure Mutter? Hat sie ihn mit ausgesucht? Ich war mit meiner Mutter damals rumgefahren, haben mehrere Einrichtungen angeschaut, und sie mußte entscheiden, in welche sie wollte. Sie hat sich natürlich gegen jede entschieden, bis auf die, in der sie jetzt ist. Da konnte ich mit einem kleinen Trick zur Entscheidungsfindung beitragen: Die Einrichtung ist nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. So konnte ich Mutter es schmackhaft machen, indem ich ihr anbot, daß sie auf Wohnung, Katze und Garten aufpassen könne, wenn ich in Urlaub bin. Was natürlich nie der Fall sein würde, aber das wußte Mutter ja nicht :-).
Liebe Grüße
Susel
vielen Dank für Ihre Info. Ich werde nochmals mit dem Chirurgen und auch mit Mutters Hausarzt sprechen. Oberste Priorität hat natürlich die Schmerzfreiheit, ich bin mir nur leider so sehr unsicher, ob sie überhaupt Schmerzen hat.
Liebe Grüße
Susel
Habe gerade erst deinen Bericht gelesen!
Als erstes möchte ich dir zu deinem Mut gratulieren deine Mutter in eine Einrichtung gegeben zu haben.
Wahrscheinlich ging es ja nicht mehr anders...aber es gehört halt Mut und Überzeugung dazu.
Bin in einer ähnlichen Situation.Mutter,76 Jahre,seit letzten November Witwe und alzheimerpatientin.
In den letzten Monaten geht es merklich bergab.Sie kocht nicht mehr,die Körperhygiene lässt zu wünschen übrig und sie verlässt kaum noch das Haus.Ausser zu unserem einmal wöchentlichen Einkauf und einem Besuch bei den Enkeln u.Arztbesuchen ist sie alleine in ihrem Haus.
Alle 2 Tage bin ich bei ihr,bringe ihr Essen mit.
Man merkt halt deutlich dass die Erkrankung fortschreitet.
Normalerweise macht ein Grützbeutel im Falle deiner Mutter keine Beschwerden,außer er ist entzündet.
Er kann bei Berührung schon mal ein unangenehmes Gefühl auslösen oder Jucken.
Unter Narkose würde ich ihn auch nicht entfernen lassen,höchstens örtliche Betäubung.
Ob es aber wirklich gerechtfertigt ist würde ich nochmal mit dem Hausarzt,Neurologen und Chirurgen besprechen.
Alles Gute und viel Kraft weiterhin.
eine Narkose würde ich auch vermeiden, wenn es irgendwie geht. Wenn eine lokale Betäubung ausreicht, könnte sie vielleicht mit eine höheren Dosis ihrer reguären Medikamente "ruhig gestellt werden? Das habe ich bei meinem Mann gemacht, als er in die Zahnklinik musste zum Anschauen und Röntgen der Zähne. Anschauen wäre sonst nicht möglich gewesen, wenn man ihm etwas in den Mund steckt, beißt er drauf.
Frag doch mal den Neurologen wegen Erhöhung der Medikation. Wenn der Grützbeutel schnell wächst, wird eine Entfernung wahrscheinlich immer schwieriger.
nun möchte ich ein - wie sagt man auf Neudeutsch? - Upgrade/Update machen.
Der Arzt hat sich leider sehr geirrt mit seiner Diagnose "Grützbeutel" - es ist Krebs; Metastasen eines neuro-endokrinen Karzinoms.
Ich habe mich entschlossen, nichts machen zu lassen - selbstverständlich sehrwohl evtl. oder auch prophylaktische Schmerzmedikation.
Letzte Nacht habe ich geträumt, ich wäre mit Mutter irgendwo unterwegs, und wir würden nach einem Heilmittel suchen gegen "Demenz" und gegen Krebs. Wir hatten es gefunden, aber ich habe den Namen vergessen - scheiß Traumgedächtnis.
Vielen Dank an alle, die Ratschläge gegeben haben und
viel Kraft und auch Glück für alle, die Demenz/Alzheimer/Krebs <in ihr Leben lassen mußten/müssen.
Liebe Grüße
Susel