"Aggression gehört nicht zu einer Demenz"
Ich möchte heute zum Thema "Aggression" was mitteilen:
Angehörige von Demenzkranken berichten häufig davon, dass der oder die Erkrankte plötzlich aggressiv ist.
Warum ist der demenzkranke Angehörige der Ehemann, die Ehefrau, der Vater, die Mutter plötzlich aggressiv. Gehört das zum Krankheitsbild?
Wir erleben das häufiger in Beratungen, dass Angehörige kommen, die das dann so schildern. Aber grundsätzlich gehört eine Aggression eigentlich nicht zu einer Demenz. Das heißt, Demenzkranke werden vielleicht etwas eher aggressiv, weil sie mehr kritisiert werden. Das hängt aber mit dem Krankheitsbild zusammen. Bei einer Demenz ist es so, dass das Kurzzeitgedächtnis ausfällt. Das Kurzzeitgedächtnis ist aber dafür verantwortlich, dass wir uns Dinge, die aktuell passieren, auch merken können. Wenn jemand zum Beispiel von der Tochter darauf hingewiesen wird: "Mama, du hast noch gar nicht gefrühstückt". Die demenzerkrankte Person guckt auf die Uhr – halb neun – denkt sich, 'Da habe ich längst gefrühstückt' und sagt dann zur Tochter: "Natürlich habe ich schon gefrühstückt". So entstehen Konflikte. Die Tochter beharrt darauf, dass die Mutter noch nicht gefrühstückt hat – was stimmt. Aber die demenzerkrankte Person kann das nicht wirklich überprüfen.
Wie reagiere ich in so einer Situation?
Nicht auf das, was gerade nicht richtig war, eingehen. Sondern eher diese Sachen ignorieren. Vielleicht zum Beispiel einfach eine bis zwei Minuten warten und dann in einem anderen Kontext mit einer anderen Emotion nochmal zur Mutter sagen: "Komm Mama, wir essen mal was". Und gar nicht darauf eingehen, das sie noch nicht gefrühstückt hat.
Aggressivität und Gewalttätigkeit sind also eigentlich nur Folge dieser Erkrankung und gehören nicht zum Krankheitsbild an sich?
Genau. Das ist eigentlich eine ganz normale Reaktion, wie Sie und ich die auch hätten, wenn uns dauernd gesagt würde, "Das habe ich dir doch eben gesagt" oder "Warum hast du das denn gemacht?". Also den ganzen Tag kritisiert zu werden für etwas, von dem man nichts weiß. Das macht einfach irgendwann aggressiv.
Was können Angehörige tun?
Das Wichtigste wäre für Angehörige, sich so früh wie möglich eine Beratung zu holen. Das Zweite wäre: Demenzerkrankte brauchen weiter eine Anregung im Gehirn. Das Gehirn ist ein Muskel, der schrumpft, wenn er nicht betätigt wird. Das heißt, die Menschen müssen raus, auch wenn sie das eigentlich nicht wollen, weil das Vertrauteste natürlich das Zuhause ist. Das heißt, sie müssten raus in spezielle Betreuungsangebote, zum Beispiel Tagespflege. Und die Erfahrung machen wir leider, dass sich viele Angehörige schämen für ihre Demenzerkrankten. Das ist natürlich ganz schlecht. Je mehr das Umfeld darüber Bescheid weiß, desto einfach wird es für alle. Für die Familie und für die Betroffenen auch.
Angehörige von Demenzkranken berichten häufig davon, dass der oder die Erkrankte plötzlich aggressiv ist.
Warum ist der demenzkranke Angehörige der Ehemann, die Ehefrau, der Vater, die Mutter plötzlich aggressiv. Gehört das zum Krankheitsbild?
Wir erleben das häufiger in Beratungen, dass Angehörige kommen, die das dann so schildern. Aber grundsätzlich gehört eine Aggression eigentlich nicht zu einer Demenz. Das heißt, Demenzkranke werden vielleicht etwas eher aggressiv, weil sie mehr kritisiert werden. Das hängt aber mit dem Krankheitsbild zusammen. Bei einer Demenz ist es so, dass das Kurzzeitgedächtnis ausfällt. Das Kurzzeitgedächtnis ist aber dafür verantwortlich, dass wir uns Dinge, die aktuell passieren, auch merken können. Wenn jemand zum Beispiel von der Tochter darauf hingewiesen wird: "Mama, du hast noch gar nicht gefrühstückt". Die demenzerkrankte Person guckt auf die Uhr – halb neun – denkt sich, 'Da habe ich längst gefrühstückt' und sagt dann zur Tochter: "Natürlich habe ich schon gefrühstückt". So entstehen Konflikte. Die Tochter beharrt darauf, dass die Mutter noch nicht gefrühstückt hat – was stimmt. Aber die demenzerkrankte Person kann das nicht wirklich überprüfen.
Wie reagiere ich in so einer Situation?
Nicht auf das, was gerade nicht richtig war, eingehen. Sondern eher diese Sachen ignorieren. Vielleicht zum Beispiel einfach eine bis zwei Minuten warten und dann in einem anderen Kontext mit einer anderen Emotion nochmal zur Mutter sagen: "Komm Mama, wir essen mal was". Und gar nicht darauf eingehen, das sie noch nicht gefrühstückt hat.
Aggressivität und Gewalttätigkeit sind also eigentlich nur Folge dieser Erkrankung und gehören nicht zum Krankheitsbild an sich?
Genau. Das ist eigentlich eine ganz normale Reaktion, wie Sie und ich die auch hätten, wenn uns dauernd gesagt würde, "Das habe ich dir doch eben gesagt" oder "Warum hast du das denn gemacht?". Also den ganzen Tag kritisiert zu werden für etwas, von dem man nichts weiß. Das macht einfach irgendwann aggressiv.
Was können Angehörige tun?
Das Wichtigste wäre für Angehörige, sich so früh wie möglich eine Beratung zu holen. Das Zweite wäre: Demenzerkrankte brauchen weiter eine Anregung im Gehirn. Das Gehirn ist ein Muskel, der schrumpft, wenn er nicht betätigt wird. Das heißt, die Menschen müssen raus, auch wenn sie das eigentlich nicht wollen, weil das Vertrauteste natürlich das Zuhause ist. Das heißt, sie müssten raus in spezielle Betreuungsangebote, zum Beispiel Tagespflege. Und die Erfahrung machen wir leider, dass sich viele Angehörige schämen für ihre Demenzerkrankten. Das ist natürlich ganz schlecht. Je mehr das Umfeld darüber Bescheid weiß, desto einfach wird es für alle. Für die Familie und für die Betroffenen auch.
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Kommentare
mit Interesse habe ich den Bericht über Aggressionen bei Demenz gelesen.
Aus eigenen Erfahrungen kann ich betätigen, dass der Hauptauslöser für Aggressionen bei Demenzkranken in Kommunikationsstörungen zwischen den Lebenspartnern (Ehepaare, Kind-Eltern) begründet sind, wie in dem Beispiel geschildert. Nicht jeder Demente wird aggressiv. Gerade Frauen werden oft wieder „kleine Mädchen“ oder „junge Mütter“
Ein anderer Aspekt kommt allerdings auch vor, wurde auch so von einer Ärztin für Psychiatrie einer Uniklinik postuliert:
Jedes Individuum hat ein gewisses hohes oder niedriges Aggressionspotential. Durch Erziehung oder Konventionen haben besonders aggressive Menschen gelernt, diese im Zaum zu halten. Wenn durch die fortschreitende Demenz diese erlernten „Bremsen“ nicht mehr funktionieren, ist stets mit aggressivem Verhalten zu rechnen. Medikamente helfen in diesem Fall nicht (erfolglos ausprobiert wurde fast die ganze „Rote Liste“).
Einige Beispiele: ich schüttele die Betten auf, mein Mann umklammert mich von hinten und boxt gleichzeitig mit dem Knie gegen meine Oberschenkel
Wie immer helfe ich ihm in seine Stiefel, diesmal bekomme ich einen Tritt, der mich fast ins Gesicht getroffen hätte
Abends „darf ich dir aus dem Pullover helfen?“ –„Ja, bin müde“ plötzlich boxt er mich heftig in den Bauch
Aus der Kurzzeitpflege wurde mein Mann am nächsten Morgen mit Polizei und Feuerwehr entfernt, weil er auf dem Gang Mitpatienten (alle außer ihm weit über 70) geschubst hat. Als ein Pfleger eingreifen wollte wurde dieser mit Kinnhaken zu Boden geschickt.
Gerne würde ich meinen Mann „raus geben in eine Tageseinrichtung“.
Tagesangebote gibt es hier sehr wenige, konnten daher erst einmal ausprobiert werden, scheiterten am Unvermögen, an Spielen teilnehmen zu können (Memory geht überhaupt nicht, Würfelspiele mag er nicht mehr, kann mit den gewürfelten Farben oder Zahlen meistens nichts mehr anfangen), ist dann rausgerannt, hat um sich geschlagen (Angst) und musste dann vorzeitig abgeholt werden. Seine Mutter hat mir erzählt, er sei schon damals aus dem Kindergarten entfernt worden wegen aggressivem Verhalten. Man nannte das „mangelnde Gruppenkompatibilität“
Sämtliche im Umkreis von 50 km befindlichen Pflegeheime wurden kontaktiert – lediglich bei 2 geschlossenen gerontopsychiatrischen Einrichtungen stehen wir nun mit Fragezeichen auf der Warteliste. Selbst die Uniklinik konnte bzw wollte ihn nicht auf der Demenzstation unterbringen.
Ich selbst suche dringend Beratung wie man es schafft, wenn man empfindlich geschlagen (auch ins Gesicht) und getreten wird, nicht zurückzuschlagen um im „Panic Room“ einige Minuten abzuwarten zu können bis Ruhe eingekehrt ist.
Meist höre ich ihn dann nach mir rufen. Geschlagen hat er ja nicht mich sondern die „andere Frau“. Manchmal kommt sogar eine Entschuldigung. Erinnern kann er sich zwar nicht hat aber oft das Gefühl er hätte was angestellt – vor allem wenn er die Scherben oder Unordnung sieht und nicht weiß „wer das war“.
Ich habe schon ziemlich viel Literatur über „herausforderndes Verhalten“ gelesen. Eine Lösung für mich war bislang nicht dabei.
Ich schäme mich nicht für meinen demenzkranken Ehemann, wir gehen täglich in diversen Supermärkten einkaufen, und inzwischen kennt das Personal meinen Mann. Es hat natürlich auch dort Übergriffe gegeben.
Zweimal wöchentlich gehen wir zur Physio und einmal zur Ergo, an diesen Tagen bekommt er Lorazepam. Damit geht es meistens, aber es wirkt auch nicht immer. Aufgrund des Gewöhnungseffektes darf ich es nicht täglich geben.
Und um es nochmal zu bestätigen: natürlich ist aggressives Verhalten Kein zwangsläufiger Bestandteil der Demenz – für die Angehörigen von aggressiven Dementen ist allerdings jeder Tag eine neue Herausforderung.
Liebe Grüße, Theresa
Sie sprechen ein wichtiges Thema an, das mich auch betroffen hat als Angehörige. Aber Ihr Bericht zeigt auch, wie "alzheimerisiert" die Diskussionen über Demenzerkrankungen sind. Es gibt Demenzerkrankungen, bei denen Aggressionen und Gewalttätigkeit zum Krankheitsbild gehören, denken Sie an Frontotemporale Demenz oder Lewy-Körper-Demenz. Leider ist das selbst bei Ärzten oft wenig bekannt und es ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen ein schrecklicher Leidensweg. Wer einmal erlebt hat, wie ein solcher Patient, gepeinigt von Wahnvorstellungen und Halluzinationen ausrastet, der weiß, dass da keine Ausleitung und kein Ignorieren hilft. Es ist natürlich richtig, dass sich kein Mensch auf seine Defizite reduzieren lassen will und nicht ständig bevormundet, kontrolliert und verbessert werden will, aber es gibt wirklich ganz schreckliche Situationen. Einiges hat ja Theresa in ihrer Antwort beschrieben.
Uneingeschränkt unterstreiche ich aber Ihren Rat, sich Informationen zu holen, das ist überhaupt das Wichtigste. Und richtig ist, dass diese Menschen mit ihrer Krankheit und ihre Angehörigen auch in die Mitte unserer Gesellschaft gehören. Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg. Jeder, der sich um solche Menschen kümmert, ob als Angehöriger oder Pflegepersonal, hat meine Hochachtung und uneingeschränkte Solidarität. Man kann gar nicht genug aufklären!
Zu deinem sehr interessanten Beitrag möchte ich auch gerne etwas beitragen.
Grundsätzlich möchte ich deiner Behauptung beipflichten.
Wer dement ist,ist nicht gleichzeitig aggressiv.
Sicherlich hilft ein Demenzkurs Angehörigen einen Menschen mit Demenz besser zu verstehen.Auch die Interaktionen müssen erst erlernt werden.
Wer immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert wird,reagiert irgentwann aggressiv.
Das leuchtet ein muss aber wirklich verinnerlicht werden.
Trotzallem gibt es Fälle,wo auch trotz liebevoller,fürsorglicher und freundlicher Atmosphäre von Seiten des Erkrankten nur böse und aggressive Worte oder Aktionen kommen.
Da kann man noch so viel Verständnis und Wohlwollen zeigen....
Es ist und bleibt dann schwierig.
Zum Glück hat sich meine Mutter diesbezüglich zum Positiven geändert.
Die Demenzbeauftragte,die den Kurs für Angehörige geleitet hat den ich besucht habe,hat auch einen Termin mit meiner Mutter gemacht.
Sie meinte meine Mutter wäre ein schwieriger,seltener Fall.
Sehr selbstbestimmend und starr in ihrer Krankheit.
Sie hat sich ihr ganzes Leben lang nicht sagen lassen,was sie zu tun hat und deshalb wäre sie auch in der Krankheit nicht bereit Hilfe anzunehmen oder sich etwas sagen zu lassen.
Das ist wie gesagt zum Glück vorbei.
Heute ist sie dankbar für jede Hilfe und hängt sehr an mir.
Was ich damit sagen möchte ist das...es kommt sicherlich auch auf den Charakter des Menschen an,den Charakter,den er vorher hatte.
LG Anja